OGH 5Ob91/08f

OGH5Ob91/08f14.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin C*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin D*****gmbH & Co ***** OEG, *****, vertreten durch Dr. Werner Goeritz, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. Februar 2008, GZ 39 R 226/07k‑65, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0050OB00091.08F.0514.000

 

Spruch:

Der Rekurs der Antragstellerin wird, soweit er sich gegen die Zurückweisung der Zulassungsvorstellung wendet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Rekurs Folge gegeben, die Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses aufgehoben und dem Erstgericht die Vorlage des außerordentlichen Revisionsrekurses an den Obersten Gerichtshof aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die Antragstellerin ist Mieterin des Geschäftslokals Nr 2 im Haus M***** Straße 73, in dem sie ein Kaffeehaus betreibt.

Gestützt auf die Bestimmung des § 12a Abs 3 MRG hat die Antragsgegnerin als Vermieterin der Antragstellerin für das Geschäftslokal einen ihrer Ansicht nach angemessenen Hauptmietzins von 18.487 EUR und für ein Objekt im Souterrain des Hauses in Höhe von 1.995 EUR vorgeschrieben (mit Schreiben vom 10. 10./17. 11. 2003). Zuletzt war der Antragstellerin an Hauptmietzins für das Geschäftslokal ein Betrag von 1.995 EUR vorgeschrieben worden.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrte die Antragstellerin festzustellen, dass die vorgenommene Hauptmietzinserhöhung unzulässig sei und durch Vorschreibung eines Betrags von 18.487 EUR der gesetzlich zulässige Hauptmietzins um 17.899 EUR überschritten worden sei. Hinsichtlich des Objekts im Souterrain sei durch Vorschreibung von 1.995 EUR monatlich der gesetzlich zulässige Hauptmietzins um 1.932 EUR überschritten worden.

Nach Fassung eines Zwischensachbeschlusses über das Mietzinsanhebungsrecht nach § 12a Abs 3 MRG dem Grunde nach erkannte das Erstgericht mit Sachbeschluss vom 30. 5. 2007, GZ 47 Msch 13/06‑56, dass eine monatliche Hauptmietzinsüberschreitung von insgesamt 12.791 EUR vorliege.

Einem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG vorliege.

Gegen diesen Sachbeschluss erhob die Antragstellerin einen außerordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung, der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht stelle eine krasse Unterbewertung dar und sei schon deshalb unbeachtlich. Im gegenständlichen Fall gehe es um monatliche Mietzinserhöhungen von 17.899 EUR, sodass der Betrag von 10.000 EUR schon durch eine einzige monatliche Erhöhung überschritten werde.

Als Eventualantrag brachte die Antragstellerin eine Zulassungsvorstellung gemäß § 63 AußStrG ein und begehrte darin eine Abänderung des Ausspruchs des Rekursgerichts dahin, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht die Zulassungsvorstellung und den Revisionsrekurs zurück.

Es verneinte eine Bindung an die im Verfahren über den Zwischensachbeschluss ausgesprochene Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit über 10.000 EUR. Das Argument der Revisionsrekurswerberin, schon die Höhe einer monatlichen Hauptmietzinsüberschreitung übersteige 10.000 EUR, scheitere daran, dass sich die Bewertung im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG nicht primär an der Höhe des Mietzinses zu orientieren habe. Auch in diesem Zusammenhang begründete das Rekursgericht seine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Bewertung des Entscheidungsgegenstands nicht weiter.

Im Weiteren wies das Rekursgericht auch den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin zurück. Ob der Zwischensachbeschluss vom 28. 9. 2005 tatsächlich eine „Sperrwirkung" hinsichtlich der Fragen zum Grund des Anspruchs der Mietzinserhöhung entfalte, betreffe keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Erteilung eines Auftrags zur Vorlage des außerordentlichen Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist, soweit er sich gegen die Zurückweisung der Zulassungsvorstellung richtet, zufolge § 63 Abs 4 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG unzulässig.

Ansonsten ist der Rekurs der Antragstellerin zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

Eine absolute Unzulässigkeit normiert § 63 Abs 4 AußStrG nur für die Zurückweisung der Zulassungsvorstellung samt dem mit ihr verbundenen ordentlichen Revisionsrekurs.

Die Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses, den der Antragsteller ausdrücklich primär erhoben hat, ist hingegen auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar (vgl Fucik/Kloiber AußStrG Rz 3 zu § 62; Rz 2 zu § 67). Für die Anfechtung von Beschlüssen, die nicht im Rahmen eines Rekursverfahrens ergehen, gilt § 45 AußStrG. Sie können daher unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstands und ohne Rücksicht darauf, ob die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG abhängt, angefochten werden. Das gilt auch, wenn das Rekursgericht als bloßes Durchlaufgericht ein an den Obersten Gerichtshof gerichtetes Rechtsmittel zurückgewiesen hat (RIS‑Justiz RS0044005).

Bei rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten mit einem Wert des Entscheidungsgegenstands unter 10.000 EUR, in denen das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs nicht für zulässig erklärt hat, ist sowohl ein ordentlicher als auch ein außerordentlicher Revisionsrekurs unzulässig; es kann nur eine Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht erhoben werden.

Bei Beurteilung der Frage der Statthaftigkeit eines außerordentlichen Revisionsrekurses wie im vorliegenden Fall ist der Oberste Gerichtshof - wie noch auszuführen sein wird - ausnahmsweise an die vom Rekursgericht vorgenommene Bewertung des Streitgegenstands nicht gebunden.

Zufolge § 59 Abs 2 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG hat das Rekursgericht bei einem Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei, wenn ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 10.000 EUR übersteigt oder nicht.

An diesen - nicht anfechtbaren - Bewertungsausspruch des Rekursgerichts ist der Oberste Gerichtshof gebunden, sofern nicht die Bewertung überhaupt zu entfallen hat, gegen zwingende Bewertungsregeln verstoßen oder außerhalb eines Ermessensspielraums eine offenbare Unterbewertung vorgenommen wurde (vgl 4 Ob 214/98v = NZ 2000, 206; 1 Ob 11/98v = MietSlg 50.681; 5 Ob 197/98a = MietSlg 50.776; RIS‑Justiz RS0109332; RS0042410 [T18, T23, T26, T27]; Fucik/Kloiber, AußStrG Rz 5 zu § 59; Rechberger AußStrG Rz zu § 60 mwN).

Der erkennende Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass für einen Entscheidungsgegenstand in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG, der nicht aus einem Geldbetrag besteht, sondern primär aus einem Feststellungsbegehren, die Höhe des (etwa nach § 37 Abs 4 MRG zurückgeforderten) Mietzinses keine bindende Richtschnur für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands bildet (vgl 5 Ob 82/93 = MietSlg 45.500; RIS‑Justiz RS0110735).

Wenn auch zwingende Bewertungsvorschriften hier nicht vorliegen und starre Berechnungsmethoden ausgehend von der Höhe des Mietzinses nicht vorgegeben sind, das Rekursgericht also in Ausnützung eines Ermessensspielraums eine Bewertung vornehmen konnte, die vom Obersten Gerichtshof grundsätzlich nicht zu überprüfen ist, bedeutet dies nicht, dass der Oberste Gerichtshof auch an eine außerhalb des Ermessensspielraums vorgenommene offenbare Unterbewertung gebunden ist.

Im vorliegenden Fall ist evident, dass das Feststellungsinteresse der antragstellenden Mieterin hinsichtlich des ihr zulässigerweise für das Geschäftslokal vorgeschriebenen Hauptmietzinses bereits in einem einzelnen Monat den Betrag von 10.000 EUR übersteigt. Die Feststellung über die Höhe des angemessenen Hauptmietzinses wirkt nicht nur zum Anhebungszeitpunkt 1. 11. 2003 zurück, sondern auch für die Zukunft.

Die vom Rekursgericht nicht begründete (vgl RIS‑Justiz RS0042410 [T20]), offenkundig krasse Unterbewertung des Entscheidungsgegenstands, überschreitet eindeutig die Grenzen zulässigen Ermessens (vgl 4 Ob 214/98v = NZ 2000, 206).

Der erkennende Senat ist also daran nicht gebunden.

Übersteigt aber der Entscheidungsgegenstand 10.000 EUR, ist die Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses zulässig (§ 62 Abs 5 AußStrG). Er ist daher zufolge § 69 Abs 4 AußStrG unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.

Die Rekurskosten sind aus Billigkeitserwägungen als weitere Verfahrenskosten zu behandeln (§ 37 Abs 3 Z 17 MRG).

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