OGH 7Ob168/03m

OGH7Ob168/03m10.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter S*****, vertreten durch Dr. Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ingeborg S*****, vertreten durch Dr. Robert Schuler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 7.630,55 samt Anhang, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. April 2003, GZ 4 R 128/03g-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 24. Jänner 2003, GZ 13 C 2109/02g-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, sodass sie einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Abweisung eines Teils des Zinsenbegehrens zu lauten haben wie folgt:

"Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger EUR 7.630,55 samt 4 % Zinsen seit 15. 10. 2002 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 1.063,52 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 971,04 (darin enthalten EUR 161,84 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 554,90 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Kläger ist zum Ersatz der Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren, von deren Berichtigung die Beklagte im Rahmen der Verfahrenshilfe vorläufig befreit war, verpflichtet.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Sommer 1996 lebten die Streitteile noch in Lebensgemeinschaft. Die Beklagte erzielte damals kein Einkommen, sondern versorgte den Haushalt, ihre beiden Kinder und das Kind des Klägers.

Im Jahr 1999 begann die Beklagte vermehrt zu reiten. Da der Kläger die Meinung vertrat, dass das durch den Reitsport gegebene erhöhte Risiko durch die bisher abgeschlossene Unfallversicherung nicht voll abgedeckt sei, regte er an, eine zusätzliche Unfallversicherung für die Beklagte abzuschließen, damit die "Familie" abgesichert wäre, sollte der Beklagten tatsächlich etwas passieren. Die Beklagte war zunächst im Hinblick auf die daraus entstehenden Kosten gegen den Abschluss eines zusätzlichen Unfallversicherungsvertrages. Schließlich bot der Kläger an, die auflaufenden Versicherungsprämien zur Zahlung zu übernehmen, vereinbarte aber im Gegenzug mit der Beklagten, dass er und die Beklagte sich eine allfällige Leistung der Versicherung aus einem Schadensfall derart teilen würden, dass jedem von beiden die Hälfte zukommen sollte. Daraufhin schloss die Beklagte den Unfallversicherungsvertrag ab. Versicherungsbeginn war der 7. 7. 1999. Am 16. 9. 1999 schlossen die Streitteile die Ehe.

Am 1. 5. 2001 erlitt die Beklagte bei einem Reitunfall einen Kreuzbandriss. Die Versicherung teilte mit, dass man hinsichtlich der Abschätzung der Unfallfolgen und damit des Grades einer allenfalls verbleibenden Dauerinvalidität ein Jahr zuwarten müsse.

Am 5. 2. 2002 wurde die Ehe der Streitteile gemäß § 55a EheG geschieden. Im Scheidungsvergleich wurde unter anderem vereinbart, dass sämtliche wechselseitigen Ansprüche auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sowie Mitwirkung des Ehegatten im Erwerb des anderen in billiger Weise ausgeglichen sei und die Parteien auf jegliche Antragstellung nach den §§ 81 ff EheG und 98 ff ABGB verzichteten.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Scheidungsvergleiches war die endgültige Begutachtung hinsichtlich der Unfallfolgen noch nicht erfolgt.

Am 5. 6. 2002 leistete die Unfallversicherung auf Grund des vorliegenden Versicherungsfalles zufolge 7 %-iger Gesamtinvalidität einen Betrag von EUR 15.261,30 an die Beklagte.

Der Kläger begehrt nun 50 % der Versicherungsleistung laut getroffener Vereinbarung.

Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung mit der für das Revisionsverfahren noch relevanten Begründung, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Scheidungsvergleiches der Kläger vom Unfall, der Verletzung, sohin vom Eintritt des Versicherungsfalles Kenntnis gehabt habe. Ein allfälliger Anspruch des Klägers sei im Hinblick auf die Generalklausel verglichen worden. Die vom Kläger behauptete Absprache sei überdies sittenwidrig, da Versicherungsleistungen für Schmerzen, Arbeitsunfähigkeit oder wie im gegenständlichen Fall Invalidität als "Glücksgeschäft" für den Prämienzahler einen Gewinn mit sich brächten, was einen Verstoß gegen die guten Sitten darstelle.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter (in Rechtskraft erwachsener) Abweisung eines Teiles des Zinsenbegehrens statt. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Auffassung, dass eine Unfallversicherung weder dem Gebrauch beider Ehegatten diente noch eine Wertanlage darstelle. Da sie keinen Rückkaufwert habe, diene sie von vornherein ihrer Art nach nicht üblicherweise der Verwertung. Der Anspruch des Klägers sei daher vom Generalvergleich der Streitteile nicht umfasst. Die Vereinbarung zwischen den Parteien sei auch nicht sittenwidrig. Gegen die guten Sitten verstoße, was dem Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft, das sei aller billig und gerecht Denkenden, widerspreche. Dabei sei jeweils das Gesamtbild entscheidend, welches sich aus Inhalt, Zweck, Beweggrund und Begleitumständen eines Rechtsgeschäftes ergebe. Sittenwidrigkeit sei unter anderem gegeben, wenn einem Partner Bindungen auferlegt würden, die ihm praktisch jede Verfügungsmöglichkeit oder Einflussnahme entzögen. Ein Glücksvertrag widerspreche dann den guten Sitten, wenn die Hoffnung des noch ungewissen Vorteils nur ganz einseitig zugunsten eines Vertragsteiles gegeben sei. Der Anspruch auf Leistung aus der Versicherung sei nicht mit einer Rente oder Schmerzengeld oder Ähnlichem zu vergleichen, da es sich um eine vertragliche Leistung handle, auf die die Beklagte sonst überhaupt keinen Anspruch hätte. Der Vertrag sei auch nicht einseitig zu Ungunsten der Beklagten geschlossen worden, da ja letztlich der Kläger die gesamte Prämie getragen habe, die Versicherungsleistung hingegen beiden Streitteilen zu je 50 % zukommen solle. Die Beklagte sei auch nicht in einer Zwangslage gestanden.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil. Während aufrechter Ehe sei zwar der Anspruch des Versicherten gegen den Versicherer auf Leistung aus dem Versicherungsverhältnis entstanden, eine Auszahlung sei aber erst nach der Scheidung erfolgt. Wertanlagen im Sinne des § 81 Abs 3 EheG müssten - um als eheliche Ersparnisse qualifiziert werden zu können - für eine Verwertung entweder durch Veräußerung oder durch Erzielung von Erträgnissen bestimmt sein. Dies sei bei einer Unfallversicherung nicht der Fall. Der von der Beklagten nach Eintritt des Versicherungsfalles erworbene Anspruch gegen den Versicherer gehöre nicht zu den ehelichen Ersparnissen im Sinn des § 81 Abs 3 EheG, weshalb der gegenständliche Anspruch nicht von der Bereinigungswirkung des Scheidungsvergleiches umfasst sei. Das Berufungsgericht schloss sich der Rechtsmeinung des Erstgerichtes, dass eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung zu verneinen sei, an.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob mit Entstehen einer Forderung gegen einen Versicherer aufgrund einer Unfallversicherung während aufrechter Ehe dieser Anspruch als eheliches Ersparnis zu qualifizieren sei, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Die von der Revision gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt - wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat - nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Eheliche Ersparnisse sind Wertanlagen, gleich welcher Art, die die Ehegatten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angesammelt haben und die ihrer Art nach üblicherweise für eine Verwertung bestimmt sind (§ 81 Abs 3 EheG). Der Aufteilung unterliegt die eheliche Errungenschaft, dh das, was die Ehegatten während der Ehe erarbeitet oder erspart haben (RIS-Justiz RS0057486), ob durch gemeinsame Tätigkeit oder Konsumverzicht ist nicht entscheidend (7 Ob 659/86, SZ 55/163, SZ 56/42). Der Begriff der ehelichen Ersparnisse ist im umfassenden Sinn zu verstehen (2 Ob 18/00m).

Erste Voraussetzung für die Zugehörigkeit einer Sache zum Aufteilungsvermögen ist, dass sie zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft zum ehelichen Gebrauchsvermögen oder zu den ehelichen Ersparnissen gehört (RIS-Justiz RS0057331).

Die Unfallversicherung ist hinsichtlich des Ersatzes der Unfallkosten eine Schadensversicherung in Gestalt der Passivenversicherung. Hinsichtlich der übrigen Leistungen liegt aber eine Summenversicherung vor, diese sind daher ohne Nachweis eines konkreen Vermögensnachteiles in voller Höhe der Versicherungssumme zu erbringen (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 505 mwN).

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass ein Unfallversicherungsvertrag für sich genommen kein Vermögenswert ist, da er weder verwertet werden kann noch Gewissheit darüber besteht, ob überhaupt jemals ein Anspruch daraus entstehen würde. Im vorliegenden Fall bestand aber durch Eintritt des Versicherungsfalles während aufrechter Ehe ein konkreter Anspruch auf Versicherungsleistung, dh ein geldwerter Anspruch einem Dritten gegenüber. Es handelt sich daher um einen konkreten Vermögenswert, der während aufrechter Ehe entstanden ist. Für die Entscheidung in diesem Einzelfall ist von ausschlaggebender Bedeutung, dass nach den erstgerichtlichen Feststellungen Zweck der Vereinbarung zwischen den Streitteilen und des Vertrages war, dass damit die "Familie" (dies obwohl nur eine Lebensgemeinschaft bestand) abgesichert sein sollte, sollte der Beklagten etwas passieren. Da die Vereinbarung vor der Eheschließung ohne Rücksicht darauf mit sofortiger Wirkung erfolgte, konnte sie formfrei gültig zustande kommen, vgl Rummel in Rummel ABGB3 § 886 Anh Rz 4). Damit ist der Bezug zur Gemeinschaft der Streitteile und zur Absicherung des Klägers im Rahmen dieser Gemeinschaft der erklärte Beweggrund für den Abschluss des Versicherungsvertrages. Damit wollten beide Parteien auch nach der Eheschließung in Fortsetzung ihrer während ihrer Lebensgemeinschaft getroffenen Vereinbarung beitragen, das weitere Zusammenleben, sollte die Beklagte einen Unfall erleiden, zu fördern. Damit fällt der Anspruch aus dem Versicherungsvertrag nach Eintritt des Versicherungsfalles unter die "ehelichen" Errungenschaften, die als eheliche Ersparnisse der Aufteilung unterliegen.

Dass der Versicherungsvertrag bereits zwei Monate vor Eheschließung abgeschlossen wurde, schadet nicht, da ja die Prämienzahlungen vom Kläger (bis auf zwei Monatsraten) während aufrechter Ehe geleistet wurden (vgl EFSlg 41.358, RIS-Justiz RS0057459).

Ein Vergleich im Rahmen eines Scheidungsverfahrens erledigt im Zweifel auch ohne Generalklausel - die hier aber ohnehin ausdrücklich vereinbart wurde - alle mit dem Eheverhältnis im Zusammenhang stehende Streitigkeiten, an die eine Partei denken konnte und von denen der andere Teil annehmen durfte, dass sie mitbereinigt wurde (9 Ob 47/99y, RIS-Justiz RS0032478, RS0032453 ua). Da der gegenständliche Anspruch der Beklagten auf Leistung aus dem Unfallversicherungsvertrag zu den ehelichen Ersparnissen gehörte und der Aufteilung unterlägen wäre, ist der klagsgegenständliche Anspruch von der Bereinigungswirkung des Scheidungsvergleiches umfasst und kann nicht gesondert geltend gemacht werden.

Das Klagebegehren war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich im erstinstanzlichen Verfahren auf § 41 ZPO, im Rechtsmittelverfahren auf §§ 50 , 41 und 70 ZPO.

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