OGH 7Ob107/14g

OGH7Ob107/14g9.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Unterbringungssache des minderjährigen Patienten J***** Z*****, vertreten durch die Mutter M***** Z***** und den Patientenanwalt VertretungsNetz‑Sachwalterschaft-Patientenanwaltschaft, Bewohnervertreter, ***** (Mag. W***** P*****), dieser vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, Abteilungsleiter: Prim. Dr. R***** S*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OEG in St. Pölten, wegen freiheitsbeschränkender Maßnahme, über den Revisionsrekurs des Abteilungsleiters gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 30. April 2014, GZ 23 R 173/14k‑16, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Amstetten vom 4. April 2014, GZ 4 Ub 237/14v‑4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00107.14G.0709.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Der 17‑jährige Patient leidet an einer Persönlichkeitsentwicklungsstörung mit dissozialen und emotional instabilen Zügen. Aufgrund dieser Erkrankung besteht die Gefahr von aggressiven Impulsausbrüchen.

Am 2. 4. 2014 wurde er auf der forensisch‑psychiatrischen Abteilung (forensische Männerstation 3B) des Landesklinikums M***** untergebracht. Diese Station ist speziell für die Aufnahme von Männern eingerichtet, die Freiheitsstrafen verbüßen oder sich im Maßnahmevollzug oder in Untersuchungshaft befinden, wobei nahezu ausschließlich Erwachsene auf der Station untergebracht sind.

In der Anstalt ist weiters die Station 1A als geschlossene Abteilung für die Aufnahme psychisch erkrankter Personen vorgesehen, die sich nicht in Untersuchungshaft, im Straf‑ oder Maßnahmevollzug befinden.

Mit Beschluss vom 4. 4. 2014 erklärte das Erstgericht zwar die Unterbringung an sich vorläufig für zulässig (Punkt 1.), sprach jedoch auf Antrag des Patientenanwalts aus, dass die Anhaltung des jugendlichen Patienten auf einer Station der forensisch‑psychiatrischen Abteilung in räumlicher Gesellschaft mit erwachsenen Straftätern, die sich im Strafvollzug oder im Maßnahmevollzug befinden, als Beschränkung des Rechts des Patienten auf Trennung von erwachsenen Strafgefangenen und auf Freiheit von Unterbringung in räumlicher Gemeinschaft mit Straftätern, die sich im Straf‑ oder Maßnahmevollzug befinden, gemäß § 34a UbG unzulässig sei (Punkt 4.).

Da gemäß §§ 36 Abs 3 und 55 Abs 2 JGG jugendliche Untersuchungshäftlinge und jugendliche Strafgefangene von erwachsenen Häftlingen grundsätzlich zu trennen seien, müsse dies umso mehr für einen Jugendlichen gelten, der sich nicht in Untersuchungshaft, im Straf- oder Maßnahmevollzug befinde. Die Art der Unterbringung sei unverhältnismäßig, weil ohnedies eine Station für die Aufnahme von fremdgefährlichen psychisch Kranken eingerichtet sei, auf der keine Straftäter untergebracht seien.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Der Rückgriff des Erstgerichts auf die Bestimmungen des JGG sei zulässig und geboten, weil sich der „materielle Prüfungsmaßstab“ nicht aus § 34a UbG, sondern aus den jeweils geltenden „besonderen Vorschriften“ ‑ hier über den Strafvollzug an Jugendlichen ‑ ergebe. Die Unterbringung gemeinsam mit bereits verurteilten erwachsenen Straftätern oder Untersuchungshäftlingen stelle für den noch jugendlichen Patienten, der selbst weder strafrechtlich verurteilt sei noch sich im Wege einer Anordnung der Staatsanwaltschaft in einer solchen Abteilung befinde, einen Eingriff dar, der schwerer wiege als etwa das in § 34a UbG explizit angeführte Tragen eigener Kleidung. Ein „Mehrwert“ der Unterbringung in einer solchen Abteilung gegenüber einer solchen in einer sonstigen geschlossenen Abteilung sei nicht zu erkennen und rechtfertige den Eingriff nicht.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu der Frage zu, inwieweit eine gemeinsame Unterbringung, insbesondere eines noch Jugendlichen, mit Personen die sich im Maßnahmevollzug oder in Untersuchungshaft befinden, im Rahmen einer sogenannten „forensischen Abteilung“ zulässig sei, wenn der Kranke selbst zwar strafrechtlich relevante Handlungen gesetzt habe, sich aber nicht auf Anordnung des Strafgerichts in der Anstalt befinde.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Revisionsrekurs des Abteilungsleiters mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Patientenanwalt beantragt, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt der Anstaltsleiter darin, dass er trotz Manuduktionspflicht nicht angewiesen worden sei, die eine Verordnung darstellende Anstaltsordnung vorzulegen.

Ob Anstaltsordnungen als Verordnung anzusehen sind, kann dahingestellt bleiben. Bejahte man dies, wären sie als Rechtsnormen nicht Beweisgegenstand (Rechberger in Fasching/Konecny Zivilprozessgesetze³, Vor § 266 Rz 41). In diesem Fall stellte der pauschale Verweis auf die gesamte Anstaltsordnung des Landesklinikums M***** keine dem Gesetz gemäß ausgeführte Rechtsrüge dar (RIS‑Justiz RS0043603), da nicht dargetan wird, aus welcher Bestimmung der Anstaltsordnung sich eine Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen ergeben sollte. Stellte die Anstaltsordnung aber keine Verordnung dar, dann wäre der Vorwurf des Unterbleibens der Aufforderung zur Vorlage zwar unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit zu prüfen. Der Anstaltsleiter zeigte aber keine Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels auf (RIS‑Justiz RS0043027 [T4]), da auch hier gilt, dass er keine einzige Bestimmung nennt, die gegen das bejahte Trennungsgebot sprechen würde.

2. Ziel des UbG ist es, auch während der Anhaltung „die Grenzen der Einschränkung der Persönlichkeitsrechte in rechtsstaatlich einwandfreier Form abzudecken“ (Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts³ Rz 721 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Die Gesetzesmaterialien (RV 601 BlgNR 24. GP  1, 6 und 17) bezeichnen § 34a UbG als eine zur Füllung einer ‑ unter Hinweis auf Art 13 EMRK kritisierten (Kopetzki, Entscheidungsbesprechung RdM 2001/3) ‑ Rechtsschutzlücke geschaffene Generalklausel, die die Voraussetzungen für sonstige Rechtsbeschränkungen regle und gleichzeitig ein ‑ antragsgebundenes ‑ gerichtliches Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit vorsehe. Neben den materiellen und formellen Voraussetzungen für eine Unterbringung und deren gerichtliche Überprüfung habe das UbG schon bisher verschiedene in Freiheitsrechte eingreifende Maßnahmen im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung geregelt, etwa medizinische Behandlungen (§§ 35 ff UbG), weitergehende Beschränkungen der Bewegungsfreiheit (§ 33 UbG) und Einschränkungen des Besuchs‑ und Telefonverkehrs (§ 34 UbG). Diese nach Auffassung der Gerichte taxativ aufgezählten Maßnahmen seien der Kontrolle durch das Unterbringungsgericht unterstellt worden.

Daraus ergibt sich, dass § 34a UbG einerseits (im ersten Satz) eine bislang fehlende Eingriffsbefugnis für die Krankenanstalt bieten soll, die derartigen Beschränkungen überhaupt erst rechtliche Deckung verleihen kann. Andererseits wird die gerichtliche Kontrollbefugnis auf Beschränkungen „sonstiger Rechte“ des Untergebrachten ausgedehnt und dadurch eine erhebliche (und mit Art 13 EMRK unvereinbare) Rechtsschutzlücke im Vollzug der Unterbringung geschlossen. Damit kommt dem Unterbringungsgericht nun eine umfassende Kompetenz zur Kontrolle von Rechtseingriffen während der Unterbringung zu ( Kopetzki aaO Rz 730).

Demnach bezieht sich ‑ auch im Lichte des Art 13 EMRK ‑ die gerichtliche Prüfungskompetenz unter dem Titel der Zulässigkeitskontrolle einer „sonstigen Beschränkung“ auch auf Eingriffe in Rechte, die außerhalb des UbG geregelt (und daher nicht „unterbringungsspezifisch“) sind. Dass § 34a UbG für in Freiheitsrechte eingreifende Maßnahmen Beispiele demonstrativ aufzählt, die im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung häufig auftreten können, liegt in der Natur der Sache und erlaubt nicht die Schlussfolgerung, nur unterbringungsspezifische Maßnahmen unterlägen der Kontrollkompetenz der Unterbringungsgerichte. Der materielle Prüfungsmaßstab ergibt sich dabei nicht aus § 34a erster Satz UbG, sondern aus der jeweiligen „besonderen Vorschrift“ (7 Ob 10/11p mwN).

3. Nach § 37 Abs 1 KAKuG sind Abteilungen und Sonderkrankenanstalten für Psychiatrie zur Aufnahme psychisch Kranker bestimmt. Gemäß § 38a Abs 1 KAKuG dürfen in Abteilungen und Sonderkrankenanstalten für Psychiatrie geschlossene Abteilungen geführt werden. Nach Abs 3 dienen die geschlossenen Bereiche der Anhaltung von psychisch Kranken, auf die das UbG Anwendung findet. Geschlossene Bereiche von Sonderkrankenanstalten für Psychiatrie dienen aber auch der Anhaltung von Personen, deren Anhaltung oder vorläufige Anhaltung gemäß § 21 Abs 1 StGB, nach den §§ 71 Abs 3 und 167a StVG oder § 429 Abs 4 StPO in einer Anstalt oder Abteilung für Psychiatrie angeordnet werden. Gleiches bestimmt auch § 77a NÖ KAG.

4. Im vorliegenden Fall ist der Patient einerseits jugendlich und befindet sich andererseits weder in Untersuchungshaft noch im Straf‑ oder Maßnahmevollzug. Die Frage, ob ein Jugendlicher, der nicht strafrechtlich angehalten wird, von solchen Erwachsenen abzusondern ist, ist schon auf Grund eines Größenschlusses zu bejahen:

4.1 Nach § 50 KAKuG können Personen, die sich in Untersuchungshaft befinden, von den Strafgerichten zum Zweck der Untersuchung und Beobachtung ihres Geisteszustands in eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie höchstens für die Dauer der Untersuchungshaft, aber in keinem Fall für mehr als drei Monate eingewiesen werden. Aus dem Status des Eingewiesenen als Untersuchungshäftling ist weiters abzuleiten, dass auch für die vollzugsrechtliche Stellung nicht das UbG, sondern die Bestimmungen über den Vollzug der Untersuchungshaft (§§ 182 ff StPO iVm mit dem StVG) maßgeblich sind ( Kopetzki , Grundriss des Unterbringungsrechts³ Rz 806, ders in Unterbringungsrecht II [1995] S 946 f).

Nach § 71 Abs 1 StVG ist ein kranker oder verletzter Strafgefangener, der in der Justizanstalt, in der er angehalten wird, nicht sachgemäß behandelt werden kann oder von dem eine andere, nicht abwendbare Gefährdung für die Gesundheit ausgeht, in die nächste Justizanstalt zu überstellen, die über Einrichtungen verfügt, die die erforderliche Behandlung oder Absonderung gewährleisten. Kann der Strafgefangene auch in einer anderen Justizanstalt nicht sachgemäß behandelt werden oder wäre sein Leben durch die Überstellung dorthin gefährdet, so ist er gemäß § 71 Abs 2 StVG in eine geeignete öffentliche ‑ allenfalls eine psychiatrische ‑ Krankenanstalt zu bringen und dort erforderlichenfalls auch bewachen zu lassen. Abweichend von den Fällen, in welchen den Krankenanstalten eine eigene Kompetenz zur Vollziehung des Freiheitsentzugs zukommt, handelt es sich bei § 71 StVG nur um eine besondere Form der Amtshilfe oder ‑ bei Anstalten privater Rechtsträger ‑ der Verwaltungshilfe im Sinne einer unterstützenden und vorübergehenden Mitwirkung bei den Vollzugsaufgaben der Justizanstalten. Die Anhaltung ist weiterhin der überstellenden Justizanstalt zuzurechnen; der Betroffene bleibt funktionell Strafgefangener und unterliegt als solcher grundsätzlich den Bestimmungen des Strafvollzugs.

Für den Sonderfall der Überstellung in eine öffentliche Krankenanstalt oder Abteilung für Psychiatrie enthält § 71 Abs 3 StVG eine abweichende Regelung insofern, dass für diese Personen „im übrigen“ die Bestimmungen des UbG mit näher genannten Maßgaben gelten.

Auf die Behandlung überstellter Strafgefangener in die psychiatrische Krankenanstalt ist daher grundsätzlich das UbG anzuwenden. Die Verweisung des § 71 Abs 3 StVG betrifft nicht nur das Vollzugsrecht der §§ 33 bis 38 UbG, sondern modifiziert durch die Sonderregelungen des § 71 Abs 3 Z 1 bis 4 StVG das UbG insgesamt (einschließlich der Zuständigkeit des Unterbringungsgerichts). Überstellungen aus dem Maßnahmevollzug nach § 21 Abs 2 StGB sind ebenfalls nach § 71 StVG durchzuführen ( Kopetzki aaO Rz 809 mwN; ders aaO S 947 f).

Nach § 158 Abs 4 StVG darf die vorbeugende Maßnahme der Unterbringung zurechnungsunfähiger geistig abnormer Rechtsbrecher (§ 21 Abs 1 StGB) durch Aufnahme in eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie unter den dort näher genannten Voraussetzungen vollzogen werden. Die besonderen Vorschriften des StVG über die Verhängung und den Vollzug vorbeugender Maßnahmen in psychiatrischen Krankenanstalten werden vom UbG nicht berührt, sodass eine unmittelbare Anwendung des UbG auf die Anordnung und den Vollzug der Maßnahme nicht in Frage kommt. Für die Vollziehung der Anhaltung in der Krankenanstalt gelten auf Grund der ausdrücklichen Verweisung des § 167a Abs 2 StVG die §§ 33 bis 38 UbG sinngemäß. Entscheidungen über Unterbrechungen, Ausgänge und Entlassungen ‑ also über die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzugs als solchen ‑ sind sowohl hinsichtlich der materiellen und formellen Voraussetzungen als auch hinsichtlich der Entscheidungskompetenzen weiterhin ausschließlich nach den straf‑ und strafvollzugsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen (§ 167a Abs 2 StVG iVm §§ 162, 166 Z 2 StVG). Die Durchführung der Anhaltung richtet sich nach dem UbG. In Abweichung vom UbG bestimmt § 167a Abs 2 StVG allerdings, dass an Stelle des Unterbringungsgerichts das Vollzugsgericht entscheidet ( Kopetzki aaO Rz 797 ff; ders aaO S 940 ff).

Während des Verfahrens zur Unterbringung Zurechnungsunfähiger in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB ist gemäß § 429 Abs 4 StPO die vorläufige Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher oder eine Einweisung in eine öffentliche (Sonder‑)Krankenanstalt anzuordnen, wenn ein Haftgrund vorliegt, der Betroffene nicht ohne Gefahr für sich oder andere auf freiem Fuß bleiben kann oder seine ärztliche Beobachtung erforderlich ist. Es handelt sich um ein der Untersuchungshaft korrespondierendes Institut im Verfahren bei vorbeugenden Maßnahmen. Ihre Anordnung und ihr Vollzug in den Krankenanstalten sind weiter nach StPO und StVG zu beurteilen ( Kopetzki aaO Rz 803 f).

Bei all diesen genannten Anhaltungen in psychiatrischen Anstalten handelt es sich ‑ trotz der unterschiedlichen Ausgestaltungen, unter anderem hinsichtlich der Anwendung des UbG ‑ letztlich um solche in Vollziehung strafrechtlicher Vorschriften.

4.2 Nach § 36 Abs 3 JGG sind jugendliche Häftlinge, soweit nicht wegen ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands eine Ausnahme geboten ist, von erwachsenen Häftlingen abzusondern und jedenfalls von solchen Gefangenen zu trennen, von denen ein schädlicher Einfluss zu befürchten ist. Gemäß § 55 Abs 2 JGG sind jugendliche Strafgefangene von erwachsenen Strafgefangenen, die nicht dem Jugendstrafvollzug unterstellt sind, zu trennen. Von der Trennung kann abgesehen werden, soweit den Umständen nach weder eine schädliche Beeinflussung noch eine sonstige Benachteiligung der jugendlichen Strafgefangenen zu besorgen ist.

Der den Vollzug der Untersuchungshaft betreffende § 36 Abs 3 JGG und der den Jugendstrafvollzug regelnde § 55 Abs 2 JGG sind Ausdruck des sogenannten Trennungsgebots, wonach der Vollzug der Untersuchungshaft und der Strafhaft an Jugendlichen getrennt von jenem an Erwachsenen zu erfolgen hat. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein gemeinsamer Vollzug der Untersuchungs‑ und Strafhaft an Jugendlichen und Erwachsenen im Normalfall einen schädlichen Einfluss oder eine sonstige Benachteiligung des jugendlichen Strafgefangenen besorgen lässt (so schon Siegel , Der österreichische Regierungsentwurf eines Jugendgerichtsgesetzes, in Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform XX [1929] H 7 399 ff). Durch die Trennung des Vollzugs soll vor allem einer sich nachteilig auf die Psyche jugendlicher Strafgefangener auswirkenden Isolierung begegnet werden, die zwangsläufig dann die Folge wäre, wenn sich in einer Anstalt neben Erwachsenen nur ein Jugendlicher oder nur einige wenige Jugendliche befinden ( Jesionek/Edwards , Das österreichische Jugendgerichtsgesetz 4 [2010] § 55 Rz 7 bis 9 unter Hinweis auf die RV 486 BlgNR 17. GP  41).

§ 57 JGG, der den Vollzug mit Freiheitsentziehung verbundener vorbeugender Maßnahmen regelt, verweist auf die sinngemäße Anwendung des § 55 Abs 2 bis 6 JGG hinsichtlich der Trennung der im Vollzug einer vorbeugenden Maßnahme untergebrachten Jugendlichen von Erwachsenen und jugendlichen Strafgefangenen, sodass das Trennungsgebot auch im Maßnahmevollzug zu beachten ist ( Schroll in WK² StGB § 57 JGG Rz 2).

4.3 Nach § 46 UbG bleiben die Vorschriften über die Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder der Strafverfolgung (Z 1), die strafrechtlichen Vorschriften über die mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßnahmen bei geistig abnormen und entwöhnungsbedürftigen Rechtsbrechern (Z 2) und die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen unberührt ( Kopetzki aaO Rz 797 ff). Damit gelangt das UbG auf Anhaltungen im Vollzug strafrechtlicher Vorschriften nur insoweit zur Anwendung, als die unmittelbar anwendbaren strafrechtlichen Bestimmungen ausdrücklich oder erkennbar auf das UbG verweisen.

Da das UbG keine Vorschriften über die Aufhebung des im Jugendstrafvollzug angeordneten Trennungsgebots enthält, ist dieses auch in den Fällen zu beachten, in denen die Anhaltung in Vollziehung strafrechtlicher Vorschriften auf psychiatrischen Abteilungen erfolgt. Das heißt, wird ein Jugendlicher in Vollziehung der Untersuchungshaft, der Strafhaft oder einer Maßnahme in eine psychiatrische Anstalt überstellt, ist er von dort angehaltenen erwachsenen Untersuchungshäftlingen, Strafgefangenen und jenen die sich im Maßnahmevollzug befinden, zu trennen.

Zutreffend gingen die Vorinstanzen davon aus, dass auf Grund eines Größenschlusses dies umso mehr gilt, wenn sich der Jugendliche gar nicht in Untersuchungs‑ oder Strafhaft oder im Maßnahmevollzug befindet, dies unabhängig davon, ob eine Anzeige (auf freiem Fuß) wegen des Verdachts einer Straftat vorliegt oder nicht.

Zusammengefasst heißt dies: Ein in einer psychiatrischen Krankenanstalt untergebrachter jugendlicher Patient ist von den dort in Vollziehung strafrechtlicher Bestimmungen (Untersuchungshaft, Strafhaft, Maßnahmevollzug) angehaltenen Erwachsenen zu trennen.

5. Wie ausgeführt geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein gemeinsamer Strafvollzug von Jugendlichen und Erwachsenen im Normalfall eine schädliche Beeinflussung oder eine sonstige Beeinträchtigung des Jugendlichen besorgen lässt. Dass hier eine Ausnahme von diesem Normalfall gegeben ist, steht weder fest, noch wurde eine solche im erstgerichtlichen Verfahren behauptet. Ebensowenig wurden bereits in erster Instanz Umstände dargetan, die gegen eine Unterbringung des Jugendlichen in der gleichfalls geschlossenen Abteilung 1A der Anstalt sprechen.

Dem Revisionsrekurs ist daher keine Folge zu geben.

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