Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchtem Zurückweisungsgrund aufgetragen. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin hat nach dem Vorbringen in ihrer am 18. 9. 2001 beim Bezirksgericht Gleisdorf eingebrachten Klage gegen eine Gesellschaft mbH einen rechtskräftigen Exekutionstitel über 107.160 S samt 8 % Zinsen seit 28. 11. 1999 und einen Kostentitel über 10.683,04 S samt 4 % Zinsen seit 14. 5. 2001. Sie habe beim Titelgericht am 20. 7. 2001 die Pfändung und Überweisung der Forderung der Gesellschaft gegenüber den drei Gesellschaftern (den Beklagten) auf Einzahlung der restlichen Stammeinlagen (des Erstbeklagten in der Höhe von 125.000 S und der beiden anderen Beklagten in der Höhe von je 62.500 S) erwirkt. Im Exekutionsbewilligungsbeschluss seien Kosten von 5.988,16 S bestimmt worden. Die Beklagten hätten keine Drittschuldnererklärungen abgegeben und seien gegenüber der Klägerin solidarisch zur Zahlung verpflichtet. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes gründe sich auf § 92b JN.
Das von der Klägerin verwendete Klageformular wurde insofern missverständlich und aufklärungsbedürftig ausgefüllt, als in der Rubrik "Beschreibung und Höhe des Anspruchs" die "Forderung, in ATS" mit 125.000, 62.500 und 62.500 angeführt wurden, andererseits unter der Rubrik "weiteres Vorbringen" der oben angeführte Sachverhalt geschildert wurde. Aufklärungsbedürftig war somit die Höhe des Urteilsbegehrens. Das angerufene Bezirksgericht wies durch seine Rechtspflegerin die Klage mit Beschluss vom 20. 9. 2001 a limine wegen Unzuständigkeit zurück. Die Streitigkeit betreffe eine Arbeitsgerichtssache gemäß den §§ 1 und 52 Z 2 ASGG. Zuständig sei das LGZ Graz als Arbeits- und Sozialgericht. Daraufhin beantragte die Klägerin die Überweisung der Klage an das nicht offenbar unzuständige LGZ Graz. Im Antrag gab die Klägerin den Streitgegenstand mit 138.006,42 S an. Das Bezirksgericht Gleisdorf hob seinen Zurückweisungsbeschluss gemäß § 230a ZPO auf und überwies die Klage gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das "offenbar nicht unzuständige" LGZ Graz als Handelsgericht. Dieses forderte mit Beschluss vom 24. 10. 2001 die Klägerin auf, binnen 8 Tagen eine "Aufschlüsselung bzw. die Konkretisierung des Klagevorbringens bzw. des Klagebegehrens" dahin vorzunehmen, für welche Beträge die Beklagten hafteten, ob eine solidarische Haftung der Beklagten bestehe und wie sich der Betrag von 138.006,42 S zusammensetze. Die Klägerin äußerte sich daraufhin dahin, dass sich die Klageforderung aus dem im Titelverfahren gegen die Gesellschaft mbH eingeklagten Kapital von 107.160 S samt Zinsen von 14.115,76 S, den Kosten des Zahlungsbefehls von 10.663,04 S, weiteren Zinsen von 79,46 S und den Kosten der Exekutionsbewilligung von 5.988,16 S zusammensetze, zusammen also 138.006,42 S betrage. Die Beklagten seien solidarisch verpflichtet, ihre Haftung sei aber betragsmäßig mit der jeweiligen Stammeinlagenforderung der Gesellschaft mbH beschränkt.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz wies die Klage zurück. Die Klägerin mache einen unter 130.000 S liegenden Kapitalsbetrag geltend. Die Forderungen gegen die Beklagten seien nicht zusammenzurechnen. Der Wert des Streitgegenstandes der Klage, die vom betreibenden Gläubiger gegen den Drittschuldner eingebracht werde, sei nur der überwiesene Teil, nicht aber der Gesamtbetrag der noch unberichtigten gepfändeten Forderung. Der Streitwert der betriebenen und gegenüber den Beklagten geltend gemachten Forderung betrage 125.000 S. Hiefür sei das Landesgericht gemäß § 104 Abs 2 zweiter Satz ZPO unprorogabel unzuständig. In einem solchen Fall bestehe keine Bindung an den Überweisungsbeschluss des Bezirksgerichtes. Die unprorogable Unzuständigkeit könne von Amts wegen (a limine) vom Adressatgericht aufgegriffen werden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge. Es teilte zwar nicht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, dass es als Adressatgericht seine Zuständigkeit nach Überweisung der Sache nach § 230a ZPO im Hinblick auf eine unprorogable Unzuständigkeit prüfen hätte dürfen. Gemäß § 230a letzter Satz ZPO bestehe eine eindeutig normierte Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses. Das Adressatgericht könne seine Unzuständigkeit nur über rechtzeitige Einrede der Unzuständigkeit durch den Beklagten wahrnehmen. Der gegenteiligen Meinung eines Teils der Lehre (Rechberger/Frauenberger in Rechberger ZPO2 Rz 4 zu § 230a; Simotta, JBl 1988, 359) sei im Sinne der Entscheidungen zweier Oberlandesgerichte (EvBl 1992/162 und RI0000036) nicht zu folgen. Trotz der Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses sei die Klagezurückweisung aber zu Recht erfolgt. Ein Überweisungsbeschluss sei nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung in gewissen Fällen anfechtbar, nach einer Entscheidung des OLG Wien (WR 480) auch dann, wenn der Beschluss durch einen Rechtspfleger in Überschreitung seiner Entscheidungsbefugnis nach § 16 Abs 1 Z 1 RPflG gefasst worden sei. Die Klägerin habe nach ihrem Vorbringen in der Klage die Zahlung der restlichen Stammeinlagen von 125.000 S, 62.500 S und 62.500 S geltend gemacht, wobei die Haftung der Beklagten mit der Höhe der betriebenen Forderungen beschränkt sei. Diese Forderungen seien zwar nicht im Sinne des § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen, weil die säumigen Gesellschafter nicht Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sondern nur solche nach Z 2 leg cit seien. Eine Zusammenrechnung habe aber bei der Beurteilung der Frage stattzufinden, ob ein Zahlungsbefehl im Sinne des § 448 ZPO erlassen werden könne. Mit ihrer Unzuständigkeitsentscheidung und dem nachfolgenden Überweisungsbeschluss habe die Rechtspflegerin des Überweisungsgerichtes ihre Entscheidungsbefugnis überschritten. Sie wäre nur für eine Klage auf Zahlung eines 130.000 S nicht übersteigenden Geldbetrages zuständig gewesen. Ihr Beschluss über die Unzuständigkeit und die Überweisung der Klage sei demnach nichtig und könne das Erstgericht im Sinne des § 230a ZPO nicht binden. Das Erstgericht (das LGZ Graz) sei zur Entscheidung über die Klage sachlich auch nicht zuständig, weil die Forderungen gegen die drei Beklagten nicht zusammenzurechnen seien und daher der für die sachliche Zuständigkeit des Gerichtshofs erforderliche Streitwert nicht vorliege.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Bindung des Adressatgerichts nach § 230a ZPO an Entscheidungen des Rechtspflegers, der seine gesetzliche Entscheidungsbefugnis überschritten hat, und zur Frage der Bindung des Adressatsgerichts auch bei unprorogabler Unzuständigkeit eine oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege.
Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass der Zurückweisungsbeschluss aufgehoben und dem Erstgericht die geschäftsordnungsgemäße Behandlung der Klage aufgetragen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Die Klägerin behauptet im Gegensatz zur schon zitierten Äußerung im erstinstanzlichen Verfahren (ON 5) nunmehr einen Streitwert von 107.160 S und strebt offenkundig den Zuspruch der Zinsen und Kosten als Nebenforderungen bzw im Rahmen der Kostenentscheidung an, um damit den Rechtsproblemen auszuweichen, die sich aus der allfälligen Prüfbefugnis des Adressatgerichtes (nach Überweisung gemäß § 230a ZPO) hinsichtlich einer unprorogablen Unzuständigkeit sowie aus dem Umstand ergeben könnten, dass die Rechtspflegerin des überweisenden Gerichts zur Zurückweisung der Klage bei einem 130.000 S übersteigenden Streitgegenstand nicht legitimiert war und dieser Beschluss deshalb im Sinne der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes nichtig sei und keine Bindungswirkung entfalten könne. Die Bindung sei deshalb zu bejahen sei, weil der Überweisungsbeschluss der Rechtspflegerin nicht angefochten worden sei. Diese sei wegen des unter 130.000 S liegenden Streitwerts jedenfalls zur Behandlung der Mahnklage zuständig gewesen. Dazu ist folgendes auszuführen:
Nach dem Wortlaut des § 230a letzter Satz ZPO kann das Adressatgericht einen Mangel seiner Zuständigkeit nur noch wahrnehmen, wenn der Beklagte rechtzeitig die Einrede der Unzuständigkeit erhebt. Dies gilt nach einem Teil der Lehre und der schon zitierten Judikatur von zwei Oberlandesgerichten auch für die unprorogabel Unzuständigkeit (Rechberger/Frauenberger in Rechberger ZPO2 Rz 4 zu § 230a; OLG Innsbruck: RI0000036; OLG Wien EvBl 1992/162). Der Oberste Gerichtshof hat diese Frage bisher noch nicht zu entscheiden gehabt (ausdrücklich offenlassend: 2 Ob 554/90). Überweisungsbeschlüsse sind nach dem ebenfalls klaren Gesetzeswortlaut mit Ausnahme der Kostenentscheidung unanfechtbar, sie entfalten Bindungswirkung (RS0039105). Dies soll aber dann nicht gelten, wenn die vom Erstgericht ausgesprochene Überweisung den Bestimmungen des § 261 Abs 6 ZPO derart widerspricht, dass der Zweck des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht mehr erfüllt werde. In den von Simotta, Der Überweisungsantrag nach § 230a ZPO, JBl 1988, 359 unter P 7a bis d angeführten Fällen (also bei: Überweisung ohne Antrag; Überweisung an ein anderes als vom Kläger bezeichnetes Gericht; Verstoß gegen die Bindungswirkung einer Zuständigkeitsentscheidung; Aufgreifen einer längst geheilten Unzuständigkeit) sei der Überweisungsbeschluss anfechtbar (RS0039091, zuletzt 1 Ob 37/01z; RS0039142).
Die Klagezurückweisung durch das Bezirksgericht und die hier angefochtene Zurückweisung durch das Landesgericht erfolgten von Amts wegen (a limine) ohne Beteiligung der Beklagten am Verfahren. Die amtswegige Zuständigkeitsprüfung (mit einer hier nur unterstellten Prüfungsbefugnis des überwiesenen Gerichtes) nach § 41 JN hat grundsätzlich nach den Angaben in der Klage zu erfolgen (Mayr in Rechberger ZPO2 Rz 2 zu § 41; SZ 70/161; RS0046200, zuletzt 5 Ob 112/01h).
Die schon aufgezeigten Ungereimtheiten darüber, was die Klägerin urteilsmäßig begehrt, werden durch die Revisionsrekursausführungen noch vermehrt, indem sie nunmehr von einer Zahlungsverpflichtung der Beklagten von nur 107.160 S ausgeht, dies allerdings zur ungeteilten Hand. Das Revisionsrekursvorbringen ist jedenfalls für eine neuerliche Präzisierung des Klagebegehrens nicht geeignet, weil das Erstgericht (das LGZ Graz) jedenfalls von den in einem Verbesserungsverfahren eingeholten Angaben der Klägerin auszugehen hatte und diese Angaben im Rechtsmittelverfahren einer Prüfung zu unterziehen sind. Danach stellte die Klägerin aber jedenfalls ein 130.000 S übersteigendes Zahlungsbegehren, forderte sie doch insgesamt 138.006,42 S, zu deren Hereinbringung alle drei Beklagten solidarisch verpflichtet seien, wenn auch mit einer betragsmäßigen Beschränkung der Haftung mit der Höhe der jeweiligen Stammeinlagenforderung der Gesellschaft mbH. Nach dem Vorbringen in der aufgetragenen Äußerung ist daher der Betrag von 138.006,42 S der Streitgegenstand des Urteilsbegehrens; er lag damit über der hier maßgeblichen Wertgrenze sowohl des § 448 Abs 1 ZPO als auch des § 51 Abs 1 JN jeweils idF der WGN 1997.
Auch wenn grundsätzlich die mit der Einzahlung ihrer Stammeinlagen säumigen beklagten Gesellschafter nur Streitgenossen nach § 11 Z 2 ZPO sind, also nicht materielle Streitgenossen nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle, weil ihre Verpflichtung im allgemeinen nur auf einem gleichartigen, nicht aber demselben tatsächlichen Grund (Säumnis) beruht (3 Ob 504/95), sodass keine Zusammenrechnung der Forderungen nach § 55 JN vorzunehmen ist (6 Ob 221/99i), gilt hier nach den Klageangaben anderes:
Zwar bestimmt § 55 Abs 2 JN, dass dann, wenn der gleiche Anspruch gegen mehrere solidarisch haftende Personen zusteht, sich der Wert nach der Höhe des einfachen Anspruchs richtet. Hier geht es aber nicht um den gleichen Anspruch sondern um drei verschiedene überwiesene Ansprüche gegen die drei säumigen Gesellschafter, von denen die Klägerin zusammen den angeführten Betrag von 138.006,42 S begehrt. Der Unterschied zu den zitierten Vorentscheidungen (6 Ob 221/99i und 3 Ob 504/95) liegt darin, dass hier die Klägerin eine Solidarhaftung geltend macht, also genau den im § 11 Z 1 ZPO angeführten Fall der materiellen Streitgenossenschaft der solidarischen Verpflichtung behauptet, der bei der Zuständigkeitsprüfung zur Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 Z 1 JN führen muss. Wegen des dargelegten rechtlichen Zusammenhanges der einzelnen Forderungen und des 130.000 S übersteigenden Zahlungsbegehrens kann von einer unprorogablen Unzuständigkeit des Landesgerichtes keine Rede sein.
Die Zurückweisung der Klage kann bei der gegebenen Wertzuständigkeit auch nicht auf die allfällige Unzuständigkeit der Rechtspflegerin des überweisenden Gerichts gestützt werden.
Selbst wenn die Beschlüsse auf Zurückweisung der Klage, auf Aufhebung der Zurückweisung und Überweisung der Klage an das LGZ Graz nichtig gewesen sein sollten, könnte dies keinen Einfluss auf die vom Adressatgericht gemäß § 41 JN von Amts wegen vorzunehmende Zuständigkeitsprüfung haben. Nach den verbesserten Klageangaben ist es aus den dargelegten Gründen aufgrund eines 130.000 S übersteigenden Streitwertes sachlich zuständig. Im fortzusetzenden Verfahren wird die Klägerin freilich ihr Urteilsbegehren nochmals klarstellen und angeben müssen, welches konkrete Zahlungsbegehren gegen die einzelnen Beklagten gestellt wird und in welchem Ausmaß die Zahlung zur ungeteilten Hand begehrt wird. Dies ist schon im Hinblick auf die im Widerspruch zur zitierten Äußerung (ON 5) stehenden Revisionsrekursausführungen über den Urteilsantrag erforderlich. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Ein Zwischenstreit mit Kostenfolgen für den Prozessgegner liegt nicht vor. Die Beklagten sind noch nicht verfahrensbeteiligt.
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