OGH 6Ob87/24y

OGH6Ob87/24y26.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J* AG, *, vertreten durch Mag. Wieland Leopold, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V* AG, *, wegen 6.390 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. März 2024, GZ 34 R 240/23f‑5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 18. Dezember 2023, GZ 36 C 1106/23z‑2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00087.24Y.0326.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Konsumentenschutz und Produkthaftung, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt vom beklagten Kreditinstitut die Rückzahlung einer kreditvertraglich vereinbarten Bearbeitungsgebühr von 6.390 EUR. Die Beklagte habe zusätzlich zu den Kreditzinsen sowie einer jährlichen Kontoführungsgebühr „Einmalkosten“ von 3.548 EUR und eine einmalige „Bearbeitungsgebühr“ von 6.390 EUR eingehoben. Die der Bearbeitungsgebühr zugrunde liegenden Bestimmungen des Kreditvertrags seien unwirksam und die Zahlung daher bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln. Die Klägerin habe diesen Anspruch als Zessionarin von den Kreditnehmern erworben.

[2] Das Erstgericht wies die Klage a limine wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Die Streitsache falle in die Handelsgerichtsbarkeit.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Klägerin bekämpfe einzelne Bestimmungen des Kreditvertrags, die nicht lösgelöst vom Gesamtgefüge des Vertragstexts beurteilt werden könnten. Es bestehe daher ein derart enger Sachzusammenhang mit dem auf Seiten der Beklagten unternehmensbezogenen Rechtsgeschäft, dass der Anspruch gemäß § 51 Abs 1 Z 1 iVm § 52 Abs 1 JN in die Handelsgerichtsbarkeit falle. Das Erstgericht sei sachlich unzuständig.

[4] Der Revisionsrekurs sei zur Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit für den Fall zulässig, dass sich die Klage auf die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln stütze.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionrekurs der Klägerin ist – ungeachtet des hilfsweise gestellten Überweisungsantrags (RS0039108 [T3]; RS0099922 [T2]) – aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

[6] 1. Gemäß § 51 Abs 1 Z 1 iVm § 52 Abs 1 JN gehören vor die selbständigen Bezirksgerichte für Handelssachen, falls der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von 15.000 EUR nicht übersteigt, Streitigkeiten aus unternehmensbezogenen Geschäften, wenn die Klage gegen einen im Firmenbuch eingetragenen Unternehmer gerichtet ist und das Geschäft auf Seiten des Beklagten ein unternehmensbezogenes Geschäft ist.

[7] 2. Der Kreditvertrag ist für die Beklagte als Unternehmerin kraft Rechtsform im Sinn des § 2 UGB ein „unternehmensbezogenes Geschäft“ (vgl 5 Ob 248/11y [ErwGr 3.]; RS0059862). Dass die Klägerin ihre Ansprüche als Zessionarin geltend macht, ändert nichts an der Eigenart des Rechtsgeschäfts (vgl RS0046402; Simotta in Fasching/Konecny 3 § 51 JN Rz 64).

[8] 3. Zu prüfen ist weiters, ob eine Streitigkeit über die Rückforderung der vereinbarten Kreditbearbeitungsgebühr „aus einem unternehmensbezogenen Geschäft“ vorliegt.

[9] 3.1. Diese Voraussetzung ist grundsätzlich erfüllt, wenn der Anspruch aus dem unternehmensbezogenen Geschäft abgeleitet wird und somit in einem sachlichen Zusammenhang mit der Unternehmertätigkeit steht (RS0046425). Ein Anspruch wird dann aus einem unternehmensbezogenen Geschäft selbst abgeleitet, wenn dieses den rechtserzeugenden Sachverhalt darstellt, auf welchen der Kläger den Anspruch stützt. Es genügt nicht, dass der eingeklagte Anspruch anlässlich der unternehmerischen Tätigkeit des Beklagten entstanden ist, sondern es ist das Hervorgehen des Anspruchs, somit auch der Streitigkeit selbst, aus dem unternehmensbezogenen Geschäft, erforderlich (RS0046425 [T1]).

[10] 3.2. Für Ansprüche, die nicht aus dem unternehmensbezogenen Geschäft selbst geltend gemacht werden, sind nicht die Handelsgerichte, sondern die allgemeinen Zivilgerichte zuständig (6 Ob 16/20a [ErwGr 3.2.2.]). Dies gilt für (deliktische) Schadenersatzansprüche, die nicht auf der Verletzung von Pflichten aus einem unternehmensbezogenen Geschäft beruhen (RS0113977; 9 Ob 84/18w [ErwGr 5.]), oder sonstige Ansprüche, die nicht von der rechtlichen Eigenart des Rechtsgeschäfts abhängen, sondern aus gesetzlichen Tatbeständen abgeleitet werden, etwa den selbständigen Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit eines unternehmensbezogenen Rechtsgeschäfts (10 Ob 2/04y) oder den Anspruch auf Anfechtung eines unternehmensbezogenen Rechtsgeschäfts nach der AnfO (seit 1. 7. 2021: §§ 438 ff EO; RS0046419 [T1]).

[11] Eine handelsgerichtliche Zuständigkeit wurde auch bei Klagen auf Zahlung eines Benützungsentgelts wegen von Anfang an titelloser Benützung (2 Ob 599/89), auf Rückforderung nach (irrtümlicher) Zahlung einer Nichtschuld (1 Ob 543/93) oder auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Handelsgeschäfts verneint, wenn die fehlende Vertretungsbefugnis oder ein listiges und sittenwidriges Verhalten der vertragsschließenden Person Rechtsgrund der Klage war (10 Ob 2/04y). Für die begehrte Zahlung der Wohnbeiträge aus den Vorschreibungen einer Wohnungseigentümergemeinschaft wurde die handelsgerichtliche Zuständigkeit verneint, weil kein enger Zusammenhang des geltend gemachten Anspruchs mit dem durch ein Handelsgeschäft (einem unternehmensbezogenen Geschäft) selbst begründeten Forderungen und Pflichten besteht (5 Ob 248/11y).

[12] 3.3. Der Oberste Gerichtshof hat mehrfach – generalisierend und insofern obiter (dies konstatierend bereits 2 Ob 67/08d [ErwGr 5] GesRZ 2008, 296 [Geroldinger]) – ausgesprochen, dass Rückabwicklungs-ansprüche nach Auflösung eines Geschäfts oder Rücktritt vom Geschäft nicht in die Zuständigkeit der Handelsgerichte fielen (2 Ob 599/89; 1 Ob 543/93; 10 Ob 2/04y; vgl RS0046419). Die Zuständigkeit für solche Ansprüche ist nach der jüngeren Rechtsprechung allerdings differenziert zu beurteilen:

[13] 3.3.1. So nahm der Oberste Gerichtshof die Zuständigkeit der Handelsgerichte für die Rückabwicklung eines durch Vertragsrücktritt aufgelösten Rechtsgeschäfts an, weil erst der rechtliche Charakter und der Inhalt des Rechtsgeschäfts Aufschluss über die Zulässigkeit des Rücktritts geben können. Insoweit bilde das Rechtsgeschäft selbst die unmittelbare Grundlage für die Beurteilung des Klagsanspruchs (2 Ob 67/08d [ErwGr 6] GesRZ 2008, 296 [zust Geroldinger]; dies referierend 9 Ob 84/18w [ErwGr 7.]; 7 Ob 173/19w [ErwGr 6.4.]; 6 Ob 16/20a [ErwGr 3.2.2.]; vgl RS0123493). Diese Rechtsprechung wurde in der Folge auf Ansprüche infolge Auflösung eines Vertrags wegen nachträglicher Unmöglichkeit nach § 1447 ABGB übertragen (8 Ob 167/22z [Rz 10]).

[14] Fälle, in denen das unternehmensbezogene Geschäft insoweit selbst die unmittelbare Grundlage für die Beurteilung des Klageanspruchs bildet, umfassen demnachtypischerweise Störungen in der Vertragserfüllung, deren Beurteilung zur Klärung der Frage, ob das Rechtsgeschäft aufgelöst wurde und Leistungen rückabzuwickeln sind, eine Auslegung der Rechte und (Leistungs‑)Pflichten aus dem Vertrag voraussetzt (vgl Kerschner in Artmann, UGB I³ [2019] § 343 Rz 16). Damit steht in Einklang, dass Gewährleistungsansprüche als Beispiel für in die Handelsgerichtsbarkeit fallende Ansprüche genannt werden (Rauter in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 §§ 343, 344 Rz 85; Simotta in Fasching/Konecny 3 § 51 JN Rz 71; Kustor/Prossinger in Kodek/Oberhammer, ZPO‑ON § 51 JN Rz 17).

[15] 3.3.2. Hingegen beruht ein Bereicherungsanspruch nicht auf der Verletzung der durch das unternehmensbezogene Geschäft selbst begründeten Rechte und Pflichten, wenn der Kläger seinen Anspruch aus der Rückabwicklung eines – behauptetermaßen wegen Fehlens einer Konzession zur Durchführung von Glücksspielen – nach § 879 Abs 1 ABGB wegen Gesetzwidrigkeit nichtigen Geschäfts geltend macht. Mangels ausreichend engem Sachzusammenhang mit den durch das Grundgeschäft begründeten Forderungen und Verpflichtungen liegt daher keine Streitigkeit im Sinn des § 51 Abs 1 Z 1 JN vor (7 Ob 173/19w [ErwGr 6.5. f]; anders die Beurteilung nach § 51 Abs 1 Z 6 JN für deliktische Ansprüche gegen den Geschäftsführer der Glücksspielbetreiberin durch 8 Ob 102/23t [Rz 11]).

[16] 4. Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen haben die Vorinstanzen zutreffend die handelsgerichtliche Zuständigkeit bejaht.

[17] 4.1. Maßgebend für die sachliche Zuständigkeit sind die Angaben in der Klage (RS0050772; RS0046236).

[18] 4.2. Die Klägerin leitet ihren Zahlungsanspruch daraus ab, dass die Bestimmung des Kreditvertrags über die Bearbeitungsgebühr unwirksam sei und führt in diesem Zusammenhang mehrere neben den Kreditzinsen und Kontoführungsgebühren vereinbarte Leistungen an („Einmalkosten“ und „Bearbeitungsgebühr“). Sie macht damit erkennbar eine Unwirksamkeit der Klauseln über die Kreditbearbeitungsgebühr nach § 879 Abs 3 ABGB und/oder § 6 Abs 3 KSchG sowie die daraus resultierende bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach §§ 877, 1431 ABGB geltend.

[19] 4.3. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Die Beurteilung der Wirksamkeit einer Klausel nach § 879 Abs 3 ABGB hängt daher im ersten Schritt davon ab, ob sie eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt (vgl dazu RS0016908). Liegt keine Hauptleistungsbeschreibung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB vor, ist das Vorliegen einer gröblichen Benachteiligung zu beurteilen. Diese Prüfung orientiert sich am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs für den Durchschnittsfall dient (RS0014676). Bei der Abweichung einer Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften liegt gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn sie unangemessen ist (RS0016914; vgl auch RS0014676). Maßgeblich ist, ob es für die Abweichung eine sachliche Rechtfertigung gibt (vgl RS0016914 [T2, T3]; RS0014676 [T21]). Eine gröbliche Benachteiligung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in auffallendem Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (RS0014676 [T21]; RS0016914 [T4, T32]).

[20] Das Bestehen von Bereicherungsansprüchen als Folge der Unwirksamkeit einer Vertragsklausel nach § 879 Abs 3 ABGB hängt daher maßgeblich vom Inhalt der vereinbarten Klausel ab. Insofern bildet der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts die unmittelbare Grundlage für die Beurteilung des Klagsanspruchs.

[21] 4.4. Diese Erwägungen gelten auch, soweit der Bereicherungsanspruch auf die behauptete Unwirksamkeit der Vereinbarung der Bearbeitungsgebühr nach § 6 Abs 3 KSchG gestützt ist. Nach dieser Bestimmung ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Ziel des Transparenzgebots ist es, eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung Allgemeiner Vertragsbestimmungen sicher-zustellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Durchschnittsverbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird, ihm unberechtigte Pflichten abverlangt werden, ohne dass er sich zur Wehr setzt oder über Rechtsfolgen getäuscht oder ihm ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt wird (RS0115219 [T9, vgl T2]). Ob dies der Fall ist, hängt stets von der konkreten Ausgestaltung einer Klausel und ihre Einbettung in das gesamte Vertragsgefüge ab (vgl etwa RS0122040).

[22] 4.5. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem Bereicherungsansprüche gestützt auf die Unwirksamkeit einzelner Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Partei nach § 879 Abs 3 ABGB und/oder § 6 Abs 3 KSchG geltend gemacht werden, verlangt die Beurteilung des Klagebegehrens daher die Ermittlung des Vertragsinhalts des zugrunde liegenden unternehmensbezogenen Geschäfts. Der geltend gemachte Bereicherungsanspruch steht daher in einem ausreichend engen Sachzusammenhang mit den Rechten und Pflichten der Kreditnehmer und der Beklagten aus dem unternehmensbezogenen Geschäft, um eine Streitigkeit im Sinn von § 51 Abs 1 Z 1 JN zu begründen. Der Anspruch fällt daher – wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten – nicht in die Zuständigkeit des angerufenen allgemeinen Zivilgerichts.

[23] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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