OGH 1Ob543/93

OGH1Ob543/9325.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****verein, *****, vertreten durch Dr. Peter Avancini, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*****gesellschaft mbH, *****, wegen S 2,000.000,-- s.A., infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 25. Februar 1993, GZ 16 R 29/93-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Dezember 1992, GZ 22 Cg 311/92-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines irrtümlich geleisteten Betrages von S 2,000.000,-- in Anspruch. Sie habe zugunsten der Beklagten eine Garantie bis zur Höhe des Klagsbetrages zur Sicherung von Gewährleistungsansprüchen der Beklagten gegenüber ihrem Auftragnehmer nach vorzeitiger Auszahlung des Haftrücklasses übernommen. Die Übernahme der Haftung sei unter der ausdrücklichen Bedingung erfolgt, daß die Beklagte den Haftrücklaß von S 2 Mill. auf ein bestimmt bezeichnetes Konto der Auftragnehmerin bei einer Filiale der Klägerin einzahle. Zu dieser Einzahlung sei es nicht gekommen, sodaß die Haftung der Klägerin nicht wirksam geworden sei. Dennoch habe die Beklagte mit Schreiben vom 20.5.1992 die Garantie mit dem Klagsbetrag in Anspruch genommen. Die Klägerin, welche übersehen habe, daß die vereinbarte Bedingung nicht eingetreten sei, habe den Garantiebetrag überwiesen.

Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Nach ständiger Rechtsprechung seien Streitigkeiten aus der Erfüllung, Schlechterfüllung, Nichterfüllung oder Vereitelung eines Handelsvertrages als Handelsgeschäfte im Sinne des § 51 Abs. 1 Z 1 JN zu werten. Da die Verpflichtung zur Einzahlung einer Garantiesumme durch eine Gesellschaft mbH zweifellos ein Handelsgeschäft darstelle, sei nicht das Erstgericht, sondern das Handelsgericht Wien zuständig.

Das Gericht zweiter Instanz gab mit dem angefochtenen Beschluß dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs als zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Rekursgerichtes sei auch für Kondiktionsansprüche nach § 1431 ABGB die handelsgerichtliche Zuständigkeit gegeben, wenn ein Handelsgeschäft unmittelbar die Grundlage für die Beurteilung der Berechtigung des Anspruches bilde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist berechtigt.

Gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 JN gehören vor die selbständigen Handelsgerichte Streitigkeiten aus Handelsgeschäften, wenn die Klage gegen einen Kaufmann, eine Handelsgesellschaft oder eine registrierte Genossenschaft gerichtet ist und das Geschäft auf seiten des Beklagten ein Handelsgeschäft ist. Voraussetzung für die Zuständigkeit des Handelsgerichtes ist daher, daß das dem Rechtsstreit zugrundeliegende Geschäft auf seiten des Beklagten ein Handelsgeschäft ist und aus dem Handelsgeschäft selbst geltend gemacht wird (MietSlg. 29.585; 2 Ob 599/89; SZ 64/82; Fasching I 319). Den Ausdruck „aus Geschäften“ verwendet auch § 95 des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes für die Definition der Handelssachen. Dazu wird die Auffassung vertreten, daß zu den Handelssachen nur die Ansprüche gehören, die unmittelbar aus dem Handelsgeschäft hergeleitet werden. Ansprüche aus anderen Rechtsgründen fallen nicht unter diese Vorschrift (Kissel, Gerichtsverfassungsgesetz § 95 Rdz 6).

Auch das Rekursgericht räumt ein, daß das Handelsgeschäft unmittelbar die Grundlage für die Beurteilung der Berechtigung des Anspruches bilden müsse. Es übersieht allerdings, daß dies nur dann der Fall sein kann, wenn der klagsweise geltend gemachte Anspruch aus dem Handelsgeschäft selbst abgeleitet wird, dieses also den rechtserzeugenden Sachverhalt darstellt, auf welchen der Kläger den Anspruch stützt, wie dies bei Ansprüchen aus Erfüllung, Schlechterfüllung, Nichterfüllung oder der Vereitelung des Handelsgeschäftes der Fall ist (Fasching I 320).

Gegenständlich bedarf es aber als Rechtsgrundlage gar nicht des zwischen den Parteien abgeschlossenen Garantievertrages. Rechtserzeugender Sachverhalt ist nicht dieser, sondern die Tatsache der irrtümlichen Leistung, die den Anspruch gemäß § 1431 ABGB gibt. Der Hinweis auf den Abschluß des (bedingten) Garantievertrages erklärt nur das Zustandekommen des Irrtums, könnte aber den Klagsanspruch nicht rechtfertigen. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof zu GlUNF 7677 ausgesprochen, daß für die Begründung der Zuständigkeit des § 51 Abs. 1 Z 1 JN es nicht genüge, daß der eingeklagte Anspruch anläßlich der kaufmännischen Tätigkeit des Beklagten entstanden, sondern daß das Hervorgehen des Anspruches, somit auch der Streitigkeit selbst, aus einem Handelsgeschäfte, erforderlich sei. Die irrtümliche Leistung einer zweiten Zahlung sei aber überhaupt kein „Geschäft“ im Sinne des Gesetzes, also auch kein Handelsgeschäft. In GlUNF 7613 führte der Oberste Gerichtshof zur rechtsirrtümlich geleisteten Zahlung aus, daß Rechtsgrund der Klage nicht die zwischen den Parteien zustandegekommenen Rechtsgeschäfte, sondern die Voraussetzungen des § 1431 ABGB seien, weshalb kein Fall der Kausalgerichtsbarkeit vorliege.

Der erkennende Senat sieht sich aus den dargestellten Erwägungen nicht veranlaßt von dieser Rechtsprechung abzugehen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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