Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtenen Beschlüsse der Vorinstanzen betreffend die Verhängung von Zwangsstrafen werden dahin abgeändert, dass über jeden der Geschäftsführer Veit S***** und Wolfgang W***** wegen Nichtvorlage der Jahresabschlüsse zum 28. 2. 1997, 28. 2. 1998 und 28. 2. 1999 und der Konzernabschlüsse zum 28. 2. 1997, 28. 2. 1998 und 28. 2. 1999 Zwangsstrafen von jeweils 730 EUR pro nicht vorgelegtem Jahres- bzw Konzernabschluss verhängt werden. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die in der angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien behandelten Rekurse der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer betrafen Beschlüsse des Erstgerichts im Zusammenhang mit der Erzwingung der Jahresabschlüsse und der Konzernabschlüsse jeweils zum 28. 2. 1997, 1998 und 1999 (GZ 1 Fr 5525/98a, 1 Fr 1544/99f und 1 Fr 2960/00p betraf die Erzwingung der Jahresabschlüsse zu den genannten Abschlusstagen, die Geschäftszahlen 1 Fr 1801/99, 1 Fr 1804/99m und 1 Fr 2959/00m betrafen die Erzwingung der Vorlage der Konzernabschlüsse dieser Jahre). Das Erstgericht hatte jeweils zur Vorlage aufgefordert und eine Zwangsstrafe von je 50.000 S angedroht. Der daraufhin von der Gesellschaft und ihren Geschäftsführern eingebrachten Anregung auf Vorabentscheidung hat das Erstgericht nicht entsprochen und neuerlich die Verhängung der Zwangsstrafe angedroht und diese schließlich jeweils in der angedrohten Höhe verhängt. Dem dagegen erhobenen Rekurs hat das Erstgericht jeweils keine aufschiebende Wirkung zuerkannt und die im Rekurs beantragte Herabsetzung abgewiesen. Die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer haben sowohl die Beschlüsse, mit denen ihrer Anregung auf Vorabentscheidung nicht entsprochen, ein neuerlicher Auftrag erteilt und die Verhängung der Zwangsstrafe angedroht wurde, bekämpft, als auch den Beschluss, mit dem die Zwangsstrafe dann jeweils verhängt wurde und schließlich den weiteren jeweils ergangenen Beschluss, mit dem dem Rekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer gegen die Verhängung der Zwangsstrafe keine aufschiebende Wirkung zuerkannt und die Herabsetzung der Zwangsstrafe abgelehnt wurde.
In seinem - die insgesamt 16 Rekurse der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer zusammenfassenden - Beschluss hat das Rekursgericht die Rekurse insoweit zurückgewiesen, als sie sich gegen die Zurückweisung der Anregung auf Vorabentscheidung richteten und (neuerlich) Anträge auf Gesetzesprüfung durch den VfGH beinhalteten, die Rekurse wurden auch insoweit zurückgewiesen, als sie sich gegen die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung richteten. Den Rekursen wurde insoweit Folge gegeben, als sie vom mittlerweile ausgeschiedenen Geschäftsführer Dr. Thomas H***** erhoben wurden, die angefochtenen Beschlüsse wurden hinsichtlich der gegen ihn verhängten Zwangsstrafen ersatzlos aufgehoben. Im Übrigen, insbesondere in Ansehung der Höhe der verhängten Zwangsstrafen wurden die bekämpften Beschlüsse bestätigt.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs jeweils nicht zulässig sei. Es verneinte die von den Rekurswerbern vorgebrachten Bedenken gegen die Grundrechtswidrigkeit der Offenlegungsvorschriften und sah sich nicht veranlasst, ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH oder ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer berührt nur zur Frage der Höhe der Zwangsstrafen eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG und ist nur in diesem Punkt berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach die österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mittels Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 - Publizitätsrichtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. 7. 1978 - Bilanzrichtlinie) nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (vor allem der Entscheidung vom 4. 12. 1997 Slg 1997 I-6843-Daihatsu = EuZw 1998,
45) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt (6 Ob 101/01y mwN; 6 Ob 202/01a uva; RIS-Justiz RS0113282). Die Revisionsrekurswerber bringen neuerlich Argumente vor, die der Oberste Gerichtshof bereits behandelt und abgelehnt hat. Neuerlich wird darauf hingewiesen, dass kein Zweifel daran besteht, dass sowohl der nationale Gesetzgeber als auch der Gesetzgeber des Gemeinschaftsrechts Eingriffe in das Grundrecht nach den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klargestellten Kriterien der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des gesetzlichen Eingriffs zu rechtfertigen haben und dass dem EuGH die Prüfungskompetenz zukommt. Im Gegensatz zur Auffassung der Revisionsrekurswerber geht der Senat jedoch, wie bereits ausführlich begründet, von einer schon erfolgten Prüfung des EuGH aus (6 Ob 306/00v, 6 Ob 305/00x; 6 Ob 337/00b, 6 Ob 6/01b, RIS-Justiz RS0113282).
Die eingehend begründete Entscheidung des Rekursgerichts steht mit der ständigen Rechtsprechung des Senats im Einklang. Auf die zutreffenden Ausführungen wird hingewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 16 Abs 4 AußStrG).
Der Umstand, dass das Landesgericht Feldkirch ein Vorabentscheidungsersuchen zu den hier relevanten Fragen beim EuGH eingebracht hat, vermag für sich allein eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu begründen. Der Senat hat bereits mehrfach die Auffassung vertreten, dem Vorabentscheidungsersuchen eines anderen Gerichts komme keine derart weitgehende Präjudiz- und Bindungswirkung zu, die alle übrigen Gerichte an die Rechtsansicht des anfragenden Gerichts dahin binden könne, selbst eine Anfrage an den EUGH zu richten oder zumindest keine meritorische Entscheidung zu treffen (6 Ob 305/00x, 6 Ob 306/00v = RdW 2001/372; 6 Ob 177/01z). Die Rekurswerber verkennen nicht, dass sich der EuGH für nicht zuständig erachtet, auf Anfragen von Firmenbuchgerichten erster Instanz zu antworten (Urteil vom 15. 1. 2002, Rs C-182/00 -Lutz).
Auch der von den Revisionsrekurswerbern erhobene Einwand, die offen zu legenden Daten seien mittlerweile "obsolet" geworden, vermag eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu begründen. Abgesehen davon, dass auch mehrere Geschäftsjahre zurückliegende Jahres- und Konzernabschlüsse keineswegs für jeden daran Interessierten hinfällig geworden sind und aus diesem Grund nicht mehr offengelegt werden müssten, führte diese Argumentation zu dem vom Gesetzgeber keinesfalls gewünschten Ergebnis: Je länger ein Offenlegungspflichtiger die Erfüllung seiner Pflichten verweigert oder gar vereitelt, desto eher könnte er ihre Erfüllung auf Dauer verhindern.
Zusammengefasst ergeben sich somit im vorliegenden Fall keine Umstände, die eine Änderung der oberstgerichtlichen Rechtsprechung rechtfertigen könnten. Die neben dem Revisionsrekursantrag neuerlich gestellten Anregungen auf Einholung einer Vorabentscheidung und Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens werden nicht aufgegriffen (6 Ob 54/01m, 6 Ob 202/01a uva).
Die Ausmessung der Strafhöhe hängt grundsätzlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (6 Ob 306/99v; 6 Ob 200/01g ua). Ob eine Ausschöpfung des Höchstmaßes schon anlässlich der Erstverhängung zulässig ist, hängt davon ab, ob besondere Gründe für eine solche Vorgangsweise vorliegen.
In einer Reihe von Vorentscheidungen hat der Senat aus dem gebotenen stufenweisen Vorgehen zur Erzwingung der Offenlegung und dem primären, nach Meinung des Verfassungsgerichtshofs (G 60/99 ua) sogar ausschließlichen Beugezweck der Zwangsstrafen das Prinzip des gelindesten Mittels abgeleitet (6 Ob 177/00y; 6 Ob 275/00h uva). Diesem Prinzip folgend hat er in Fällen der Erstverhängung Zwangsstrafen in Höhe von je 10.000 S für ausreichend erachtet, um die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer nicht über Gebühr zu belasten, die Erzwingung der Offenlegung aber wahrscheinlich zu machen (6 Ob 198/01p, 6 Ob 199/01k, 6 Ob 200/01g, 6 Ob 201/01d, 6 Ob 213/01v, 6 Ob 214/01s und 6 Ob 215/01p). Diese Auffassung wird aufrecht erhalten. Gründe, die eine sofortige Ausschöpfung des gesetzlichen Strafrahmens erforderlich machten, sind auch im vorliegenden Fall der erstmaligen Verhängung der Zwangsstrafen (noch) nicht zu erkennen. Das Erstgericht hat die gesetzlich zulässige Höchststrafe in allen hier verbundenen Verfahren am selben Tag (24. 8. 2000) verhängt; daraus, dass mehrere Zwangsstrafenverfahren zugleich anhängig waren, kann daher hier (noch) nicht auf eine besondere Beharrlichkeit der Weigerung geschlossen werden, die schon bei der Erstverhängung die Höchststrafe rechtfertigen könnte. Die Strafen sind daher auf eine angemessene Höhe zu reduzieren. Im Übrigen ist der Revisionsrekurs nicht berechtigt.
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