Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Anträge der Revisionsrekurswerber
a) auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes über ein Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichtes Wels und
b) auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Der erkennende Senat hat in jüngster Zeit, nicht zuletzt auch mit seiner Vorentscheidung 6 Ob 77/00t in diesem Zwangsstrafenverfahren die handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen eingehend geprüft und ist zur Auffassung gelangt, dass sie verfassungskonform sind und dem Gemeinschaftsrecht entsprechen. Gegen die Umsetzung der Publizitätsrichtlinie und der Bilanzrichtlinie durch die österreichischen Offenlegungsvorschriften bestehen keine Bedenken. Die Richtlinien müssen nach der Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofs auch als grundrechtskonform angesehen werden. Den bisher zur Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien ergangenen Entscheidungen des EuGH (vor allem der erst nach der Erlassung der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG ergangenen Entscheidung vom 4. 12. 1997 EuGHSlg 1997 I-6843 "Daihatsu") kommt präjudizieller Charakter zu. Eine Primärrechtswidrigkeit der Richtlinien wegen eklatanter Verletzung von Grundrechten oder eine allfällige Derogation der Richtlinien durch später normiertes Gemeinschaftsrecht hätte der EuGH wahrgenommen (6 Ob 162/00t). Auch wenn dies vom Rechtsvertreter der Rekurswerber in Zweifel gezogen wird (Weh, Die Bilanzoffenlegungsrichtlinien und die Grundrechte; GesRZ 2000, 114), bleibt es für den Senat geradezu undenkbar, dass der EuGH einem Mitgliedsstaat die Umsetzung der Richtlinien aufträgt, ohne ihre Übereinstimmung mit den Grundrechten der EMRK und den Grundwerten der Europäischen Gemeinschaft geprüft zu haben (in diesem Sinne Gruber, Neues zur Bilanzpublizität, WBl 2000, 251; 6 Ob 306/00v).
Die Vorinstanzen haben die Anregungen der Rekurswerber, ein Normprüfungsverfahren beim VfGH einzuleiten oder beim EuGH eine Vorabentscheidung einzuholen, im Einklang mit der ständigen oberstgerichtlichen Judikatur zur Offenlegung der Kapitalgesellschaften nicht aufgegriffen. An dieser Beurteilung vermögen die Revisionsrekursausführungen zu den Offenlegungspflichten für öffentliche Gehälter nach dem Bezügebegrenzungs-BVG, BGBl 1997/64 und einem dazu vom VfGH am 12. 12. 2000 eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren über die Vereinbarkeit des Gesetzes mit dem Datenschutz nichts zu ändern, weil die Verschiedenartigkeit der Materien offenkundig ist und zu der Offenlegung von Gehältern eben keine Judikatur des Europäischen Gerichtshofs vorliegt.
Das vom Landesgericht Wels zur Offenlegungsfrage beim EuGH eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren hindert nur die Sachentscheidung des anfragenden Gerichtes (§ 90a GOG). Es bildet für das vorliegende Zwangsstrafenverfahren weder einen Unterbrechungsgrund noch einen Anlass, nunmehr entgegen der bisherigen Rechtsprechung von einer Vorlagepflicht im Sinne des Art 234 EG auszugehen (6 Ob 306/00v).
Die neben dem Rekursantrag gestellten Anregungen werden nicht aufgegriffen. Insoweit dazu formelle Anträge gestellt werden, sind diese zurückzuweisen, weil den Rekurswerbern kein Antragsrecht zusteht (6 Ob 126/00y mwN).
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