Spruch:
1. Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass über die beiden Geschäftsführer Zwangsstrafen von je 10.000 S verhängt werden.
2. Der Antrag der Revisionsrekurswerber auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Erstgericht hatte mit Beschluss vom 10. 4. 2000 die Geschäftsführer vergeblich aufgefordert, den Jahresabschluss der Gesellschaft mbH zum 28. 2. 1999 einzureichen. Es verhängte mit Beschluss vom 24. 8. 2000 über die beiden Geschäftsführer die angedrohten Zwangsstrafen von je 50.000 S.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer nicht Folge (P. 1b der Rekursentscheidung; mit den weiteren Teilen der Rekursentscheidung wurden - im Revisionsrekursverfahren nicht bekämpft - ein Antrag der Rekurswerber auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem VfGH zurückgewiesen, der Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss vom 19. 9. 2000, 1 Fr 2798/00a-5, teilweise zurückgewiesen und dieser Beschluss hinsichtlich der Herabsetzung der Zwangsstrafe als nichtig aufgehoben).
Gegen die Bestätigung der verhängten Zwangsstrafen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Gesellschaft und der beiden Geschäftsführer. Sie stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, dass die Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien durch die österreichischen Rechnungslegungsvorschriften grundrechtswidrig sei und dass die Richtlinien selbst mit verschiedenen Grundrechten im Widerspruch stünden und beantragen, beim Verfassungsgerichtshof einen Normprüfungsantrag über die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des § 277 Abs 1 und 4 HGB zu stellen. Sie regen ferner die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs an und beantragen eine Herabsetzung der verhängten Strafe, weil es den Rekurswerbern um ein erstes (gemeint wohl: ernstes) Anliegen des Gemeinschaftsrechts gehe, das nicht durch überhöhte Beugestrafen "effektiv behindert werden" dürfe.
Rechtliche Beurteilung
Eines Ausspruchs des Rekursgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstandes bedurfte es nicht. Firmenbuchsachen sind im Regelfall keine rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten, die das Rekursgericht gemäß § 13 Abs 2 AußStrG (§ 15 FBG) zu bewerten hat. Das Rechtsmittel ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln (6 Ob 214/98h; 6 Ob 188/99m; RS0110629). Der Revisionsrekurs berührt nur zur Frage der Höhe der Zwangsstrafen eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG; ist daher zulässig, aber nur in diesem Punkt berechtigt:
Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach die österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 - Publizitätsricht- linie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. 7. 1978 - Bilanzrichtlinie) nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (vor allem der Entscheidung vom 4. 12. 1997, Slg 1997 I-6843 - Daihatsu) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt (RS0113282). Die Rekurswerber bekämpfen diese Auffassung zum ganz überwiegenden Teil mit Argumenten, die der Oberste Gerichtshof schon behandelt und abgelehnt hat. Die gesetzlichen Offenlegungspflichten nach dem Bezügebegrenzungsgesetz BGBl 1997/64 und die zu diesem Gesetz vom Verfassungsgerichtshof gestellten Fragen in dem anhängig gemachten Vorabentscheidungsverfahren zur Klärung der Vereinbarkeit der Offenlegung von Gehältern mit dem Datenschutz wurden als nicht vergleichbar beurteilt. Entscheidend sind die Verschiedenheit der Materien und der Umstand, dass im Falle der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien eine die Umsetzung der Richtlinien einfordernde Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits vorliegt (6 Ob 54/01m; zuletzt 6 Ob 101/01y; 6 Ob 172/01i). Gleiches gilt für den von den Rekurswerbern für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Schlussantrag des Generalanwalts in einem beim EuGH anhängigen Verfahren, in dem die Einschränkung von Wirtschaftsgrundrechten durch eine Werberichtlinie (Tabakwerberichtlinie) insbesondere im Hinblick auf das Recht auf freie Meinungsäußerung zu prüfen ist (6 Ob 215/00m).
Dem vom Landesgericht Wels an den EuGH im Sinne der Rekurswerber gestellten Vorabentscheidungsersuchen kommt für andere Verfahren keine Bindungswirkung zu (6 Ob 305/00x und 6 Ob 306/00v = RdW 2001/372 ua; RS0114648).
Der Hinweis der Revisionsrekurswerber auf die EU-Grundrechtscharta zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die noch rechtlich unverbindliche Charta der Grundrechte (Schubarth, Die EU-Grundrechtscharta - Ein Paradigmawechsel? JBl 2001, 205), die noch keine europäische Verfassung (Hirsch, Grundrechtscharta für Europa - Anspruch - Wirklichkeit, European Law Reporter 2001, 2), sondern eine Deklaration der Staaten der Gemeinschaft darstellt (vgl die Präambel und den Text der Charta abgedruckt in Hummer/Obwexer, Der Vertrag von Nizza 305 ff) bringt im hier interessierenden Zusammenhang keine neuen Gesichtspunkte. Es ist nicht zweifelhaft, dass sowohl der nationale Gesetzgeber als auch der Gemeinschaftsrechtsgesetzgeber Eingriffe in Grundrechte nach den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klargestellten Kriterien der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des gesetzlichen Eingriffs zu rechtfertigen haben und dass dem EuGH die Prüfungskompetenz zukommt. Im Gegensatz zur Auffassung der Rekurswerber ist von einer schon erfolgten Prüfung des EuGH auszugehen.
Der Revisionsrekurs vermag keine Umstände darzutun, die eine Änderung der oberstgerichtlichen Rechtsprechung rechtfertigen könnten. Die neben dem Rekursantrag wiederholt gestellten Anregungen werden nicht aufgegriffen. Der formelle Antrag auf Einleitung eines Normprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof ist zurückzuweisen (6 Ob 54/01m).
Die Vorinstanzen haben wegen Verletzung der Offenlegungsvorschrift des § 277 HGB die im § 283 Abs 1 HGB vorgesehene Höchststrafe verhängt. Diese Gesetzesstelle sieht Zwangsstrafen "bis zu 50.000 S" vor. Nach § 283 Abs 2 ist bei weiterer Säumigkeit der Geschäftsführer innerhalb von zwei Monaten nach Rechtskraft des Strafbeschlusses eine weitere Zwangsstrafe bis zu 50.000 S zu verhängen und der Strafbeschluss zu veröffentlichen. Eine wiederholte Verhängung von Zwangsstrafen ist zulässig. Grundsätzlich hängt die Ausmessung der Strafhöhe von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (6 Ob 306/00v). Ob eine Ausschöpfung des Höchstmaßes schon anlässlich der Erstverhängung zulässig ist (ablehnend Zehetner, Folgen der Nichtoffenlegung des Jahresabschlusses, ecolex 1998, 482), muss hier nicht abschließend beurteilt werden. Jedenfalls müssten besondere Gründe für eine solche Ausschöpfung vorliegen. Aus dem gebotenen stufenweisen Vorgehen zur Erzwingung der Offenlegung und dem primären, nach Meinung des Verfassungsgerichtshofs (G 60/99 ua) sogar ausschließlichen, Beugezweck der Zwangsstrafen ist das Prinzip des gelindesten Mittels abzuleiten (6 Ob 177/00y; 6 Ob 275/00h). In vielen Fällen wird schon die Androhung der Zwangsstrafe genügen, um die Kapitalgesellschaft zur Offenlegung zu veranlassen. Bei ihrer Säumigkeit hat das Firmenbuchgericht eine Strafe innerhalb des gesetzlichen Rahmens so zu bemessen, dass einerseits die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer (Vorstandsmitglieder) nicht über Gebühr belastet werden, die Zwangsstrafe aber andererseits doch so hoch bemessen wird, dass die Erzwingung der Offenlegung wahrscheinlich erscheint. Für die Verhängung der Höchststrafe schon bei der Erstverhängung müssen daher besondere Gründe für die Einschätzung vorliegen, dass nur die sofortige Ausschöpfung des Strafrahmens und die Androhung der Wiederholung der Höchststrafe den Druck ausüben könnten, den die stufenweise zu verhängenden Beugemittel erzeugen sollen, damit der gesetzlichen Offenlegungspflicht entsprochen wird. Derartige Gründe sind derzeit aber nicht aktenkundig. Die Strafen sind daher zu reduzieren.
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