Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die außerordentliche Revision wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit 14.190,37 EUR (darin 2.365,06 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
Der klagende Masseverwalter begehrt vom Beklagten Schadenersatz, weil dieser als Aufsichtsratsmitglied der R*****bank die Konkursreife der Bank und die unrichtig dargestellten Bilanzpositionen erkennen hätte können bzw positiv gekannt hat.
Im wiederaufgenommenen Verfahren wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Nach den wesentlichen Entscheidungsfeststellungen des Erstgerichts konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beklagten bekannt war, dass die Bilanz des Jahres 1993 unrichtig war und die Bilanz keinen Bestätigungsvermerk erhalten hätte dürfen.
Das Berufungsgericht änderte über Berufung der klagenden Partei dieses Urteil dahingehend ab, dass es mit Zwischenurteil aussprach, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht besteht. Nach Durchführung einer Beweiswiederholung ging es davon aus, dass der Beklagte zunächst von dritter Seite einen Tipp erhalten hatte, dass die R*****bank AG Spekulationsverluste erlitten hatte, die in den Bilanzen nicht ausgewiesen waren. Darauf angesprochen gestand W***** R***** im Herbst 1994, dass die Bank bei Devisenspekulationsgeschäften Verluste in einem solchen Ausmaß erlitten habe, dass die Bank gefährdet sei und die Bilanzen falsch seien.
Ausgehend von dieser Sachlage ging das Berufungsgericht rechtlich davon aus, dass der Beklagte als Aufsichtsratsmitglied verpflichtet gewesen wäre, seine Aufsichtsratskollegen und die Bankenaufsicht zu informieren und Strafanzeige zu erstatten. Der Jahresabschluss zum 31. 12. 1994 hätte vom Aufsichtsrat nicht genehmigt werden dürfen.
Dadurch, dass der Beklagte ab Herbst 1994 die Unrichtigkeit der Bilanzen gedeckt habe, sei der R*****bank AG jedenfalls ein Schaden entstanden. Es seien in den Bilanzen weiterhin Gewinne ausgewiesen und ausgeschüttet worden, die in Wahrheit nicht vorhanden gewesen seien. Weiters habe W***** R***** die Devisenspekulationsgeschäfte ungehindert fortsetzen können, wodurch die Verluste der Bank bis zur Konkurseröffnung immer größer geworden seien. Diese der R*****bank AG entstandenen Nachteile seien von dem vom Kläger geltend gemachten Klagegrund umfasst.
Mit Schriftsatz vom 16. 1. 2012 erstattete der Beklagte daraufhin einen Ablehnungsantrag gegen den gesamten Berufungssenat. Der Berufungssenat hätte das im Strafverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. Thomas K*****, das im Berufungsverfahren nicht verlesen worden sei, bei der Beweiswürdigung nicht verwerten dürfen. Überdies habe der abgelehnte Senat seine Feststellungen willkürlich mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen W***** R***** begründet.
Die abgelehnten Richter erklärten in ihren Stellungnahmen (§ 20 JN), nicht befangen zu sein.
Der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Wien wies den Ablehnungsantrag zurück. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung sei vom Ablehnungssenat nicht zu prüfen. Dass die Richter des abgelehnten Senats das Gutachten Dres. K***** gelesen und in Vergleichsgesprächen erwähnt hätten, sei bereits im ersten Ablehnungsantrag behandelt worden. Darauf sei nicht neuerlich einzugehen.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
I. Zum Ablehnungsantrag
1.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Geltendmachung der Befangenheit auch noch nach Erlassung der erstgerichtlichen Entscheidung zulässig. Vor Entscheidung über das Rechtsmittel ist in diesem Fall der ersten Instanz die Entscheidung über den Ablehnungsantrag aufzutragen, weil im Falle ihrer Stattgebung diese Instanz ihre vorangegangene Entscheidung nach § 23 JN aufzuheben hätte (RIS-Justiz RS0042028). Dies gilt auch für die Geltendmachung der Befangenheit des Gerichts zweiter Instanz. Auch diese kann nach Erlassung der Entscheidung geltend gemacht werden, sofern die betreffende Entscheidung noch anfechtbar ist (RIS-Justiz RS0041933 [T17]).
Der Rekurs ist daher zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1.2. Ein Richter ist dann als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (RIS-Justiz RS0046024 [T2]). Für die Annahme des Vorliegens von Befangenheit genügt, dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein entstehen könnte, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten (RIS-Justiz RS0046024 [T7]).
1.3. Nach ständiger Rechtsprechung vermögen Verfahrensmängel als solche (RIS-Justiz RS0046090) oder eine unrichtige Beweiswürdigung (2 Ob 149/99x) in der Regel eine Befangenheit nicht begründen. Anderes würde lediglich dann gelten, wenn diese Mängel so schwerwiegend wären, dass sie die mangelnde Objektivität des Richters erkennen ließen (RIS-Justiz RS0046090 [T1]).
1.4. Es ist nicht Aufgabe des zur Beurteilung eines aus der Entscheidung eines Richters abgeleiteten Ablehnungsantrags berufenen Senats, die Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (RIS-Justiz RS0046047). Ebenso wenig ist die Richtigkeit der Beweiswürdigung Gegenstand des Ablehnungsverfahrens (1 Ob 90/97k).
1.5. Die Ausführungen des Beklagten stellen in Wahrheit den unzulässigen und damit unbeachtlichen Versuch dar, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbare Beweiswürdigung über den Umweg des Ablehnungsverfahrens doch an den Obersten Gerichtshof heranzutragen. Die diesbezüglichen Ausführungen des Rekurswerbers zeigen aber eine mangelnde Objektivität des Berufungsgerichts nicht auf. Das Berufungsgericht hat seine Feststellungen auf S 47 bis 75 der Urteilsausfertigung ausführlich begründet. Im Übrigen war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, auf jedes einzelne Beweisergebnis im Detail einzugehen (RIS-Justiz RS0040180, RS0040165).
1.6. Von einem angeblichen „Zynismus“ des Berufungsgerichts kann bei verständiger Würdigung der Entscheidung des Berufungsgerichts in ihrem Gesamtzusammenhang keine Rede sein. Im Übrigen könnte eine vereinzelte zynische Passage einer Urteilsbegründung noch nicht zwingend den Vorwurf der Befangenheit rechtfertigen.
1.7. Die Kenntnis der Mitglieder des Berufungssenats vom im Strafverfahren erstatteten Gutachten war bereits Gegenstand eines früheren Ablehnungsantrags des 7. Nebenintervenienten. Dieser Ablehnungsantrag wurde bereits durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (8 Ob 57/10f) rechtskräftig erledigt. Demnach kann der Umstand, dass der abgelehnte Senat das Gutachten gelesen hat, die Annahme einer vorgefassten Meinung der abgelehnten Richter, von der diese nicht mehr abzuweichen bereit seien, von vornherein nicht rechtfertigen.
1.8. Damit erweist sich aber der angefochtene Beschluss als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.
II. Zur außerordentlichen Revision
2.1. In der Revision macht der Beklagte Nichtigkeit des Urteils des Berufungsgerichts geltend, weil das angefochtene Urteil von Richtern gefällt worden sei, die er zu Recht abgelehnt habe.
2.2. Damit wird der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 1 ZPO jedoch nicht schlüssig dargetan. Der Nichtigkeitsgrund liegt lediglich dann vor, wenn ein Richter trotz Vorliegens einer Entscheidung, die seine Befangenheit ausspricht, entscheidet. Der Umstand, dass eine Partei den erkennenden Richter nachträglich ablehnt, kann niemals den Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO, sondern lediglich eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Ablehnungsverfahren nach § 23 Abs 2 JN begründen.
Die diesbezüglichen Revisionsausführungen gehen daher ins Leere.
2.3. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt der Revisionswerber darin, dass die Beweiswürdigung keine nachvollziehbaren Überlegungen enthalte. Auf dieses Vorbringen ist im Revisionsverfahren nicht weiter einzugehen. Der Oberste Gerichtshof wird ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig. Dies gilt auch für den Fall, dass ein Gericht zweiter Instanz bei Behandlung einer Beweisrüge nach Beweiswiederholung von den Feststellungen des Erstgerichts abgeht und so eine neue Tatsachengrundlage schafft (RIS-Justiz RS0123663). Auch für diesen Fall sieht § 503 ZPO keine Ausnahmebestimmung vor, welche dem Obersten Gerichtshof ausnahmsweise Aufgaben einer Tatsacheninstanz übertragen würde. Die Beweiswürdigung kann auch nicht über den Umweg einer Mängelrüge an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (vgl RIS-Justiz RS0043371).
2.4. Die Rechtsrüge wendet sich einerseits unter Behauptung eines Verstoßes gegen die Gesetze der Logik und Erfahrung neuerlich gegen die Richtigkeit der Feststellungen des Berufungsgerichts. Darauf ist aus dem genannten Grund im Revisionsverfahren nicht weiter einzugehen.
2.5. Die Frage, ob die Wiederaufnahmsklage ausreichendes Vorbringen enthält, stellt eine Frage des Einzelfalls dar, kann die Auslegung des entsprechenden Prozessvorbringens doch stets nur einzelfallbezogen geprüft werden. Inwieweit sich das Zwischenurteil „mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofs in Widerspruch gesetzt“ habe, ist der Revision nicht zu entnehmen.
2.6. Zusammenfassend bringt der Revisionswerber daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.
2.7. Die Entscheidung über die Kosten des Ablehnungsverfahrens gründet sich auf § 41 ZPO. Das Ablehnungsverfahren bildet nach neuerer Rechtsprechung einen Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (4 Ob 143/10y; 2 Ob 43/11d).
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