OGH 6Ob233/20p

OGH6Ob233/20p17.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der G***** GmbH, FN *****, wegen § 10 Abs 2 FBG, über den Revisionsrekurs des Österreichischen Verbandes Gemeinnütziger Bauvereinigungen Revisionsverband, 1010 Wien, Bösendorferstraße 7, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 3. September 2020, GZ 6 R 158/20d‑6, womit der Rekurs gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 20. Juli 2020, GZ 72 Fr 3266/20f‑3, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00233.20P.1217.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

 

Begründung:

[1] Seit 20. 9. 2003 ist im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** die G***** GmbH (im Folgenden: „Gesellschaft“) eingetragen. Anfänglich hatte die Gesellschaft ein Stammkapital von 35.000 EUR. Ihre ersten Gesellschafter waren Dr. G***** R***** mit einer voll eingezahlten Stammeinlage von 22.400 EUR sowie die T***** GmbH mit einer voll eingezahlten Stammeinlage von 12.600 EUR. Infolge dreier Kapitalerhöhungen beträgt derzeit das Stammkapital 1.215.000 EUR. Seit dem Jahr 2009 fanden mehrere Gesellschafterwechsel statt. Derzeit sind als Gesellschafter Dr. F***** G***** mit einer voll eingezahlten Stammeinlage von 12.600 EUR und die C***** GmbH mit einer voll eingezahlten Stammeinlage von 1.202.400 EUR eingetragen.

[2] Nach Punkt III. des Gesellschaftsvertrags ist Unternehmensgegenstand der Gesellschaft das Halten von Beteiligungen im Sinne des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG), die Gründung von Tochter- und Beteiligungsgesellschaften im In- und Ausland, die Beteiligung an Unternehmen mit gleichem oder ähnlichem Unternehmenszweck sowie die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Erfüllung des Unternehmenszwecks.

[3] Die Gesellschaft ist nicht Mitglied des antragstellenden und rechtsmittelerhebenden Revisionsverbands.

[4] Zu FN ***** ist im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien die W***** GmbH (in der Folge „Bauvereinigung“) mit einem Stammkapital von 6.033.342,30 EUR eingetragen. Deren Gesellschafter sind die Gesellschaft mit einervoll eingezahlten Stammeinlage von 6.033.242,30 EUR und die L***** GMBH mit einer voll eingezahlten Stammeinlage von 100 EUR. Die Bauvereinigung ist Mitglied des antragstellenden und rechtsmittelerhebenden Revisionsverbands.

[5] Mit dem gegenüber der Bauvereinigung ergangenen Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 21. 9. 2018 wurde ausgesprochen, dass die Zustimmung gemäß § 10a Abs 1a WGG zur 2017 erfolgten zweimaligen Übertragung der Geschäftsanteile an der Gesellschaftvon früheren Gesellschaftern auf die erwähnte jetzt eingetragene Mehrheitsgesellschafterin nicht erteilt werde (Punkt 1.) und die Bauvereinigung beauftragt werde, binnen drei Monaten beim zuständigen Firmenbuch eine Veränderung im Gesellschafterstand bei der Gesellschaft dahingehend herbeizuführen, dass wiederum die im Firmenbuch vor dem 31. 12. 2008 eingetragen gewesenen (und somit die ursprünglichen) Gesellschafter ausgewiesen werden (Punkt 2.).

[6] Mit Urteil des Landesverwaltungsgerichts Wien vom 25. 6. 2019 wurde 1) die Beschwerde gegen den genannten Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung in seinem Punkt 1. als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid in diesem Umfang mit der Maßgabe bestätigt, dass nach der Wortfolge „gemäß § 10a Abs. 1a“ die Wortfolge „sowie gemäß § 10a Abs. 1 lit. a“ einzufügen sei und 2) der Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheids Folge gegeben und der angefochtene Bescheid in diesem Umfang ersatzlos behoben.

[7] Am 3. 3. 2020 beantragte der Österreichische Verband Gemeinnütziger Bauvereinigungen – Revisionsverband (in der Folge „Revisionsverband“) im Firmenbuch des Erstgerichts bei der Gesellschaft die Löschung der derzeit eingetragenen Gesellschafter und die Wiedereintragung der ursprünglichen Gesellschafter Dr. G***** R***** mit einer voll eingezahlten Stammeinlage von 22.400 EUR und T***** GmbH mit einer voll eingezahlten Stammeinlage von 12.600 EUR. Hilfsweise regte er an, die begehrte Löschung und Richtigstellung des Firmenbuchstands amtswegig vorzunehmen.

[8] Der Revisionsverband brachte vor, er sei der für gemeinnützige Bauvereinigungen zuständige Revisionsverband. Die Gesellschaft halte 99,99 % der Anteile an der Bauvereinigung; diese sei eine gemeinnützige Bauvereinigung in der Rechtsform einer GmbH. Gemeinnützige Bauvereinigungen, egal in welcher Rechtsform sie betrieben würden (Genossenschaft, GmbH, AG), unterlägen ebenso der Prüfung durch den Revisionsverband. Eine Unterscheidung zwischen der Rechtsform der Genossenschaft und jener der GmbH oder AG wäre hinsichtlich § 14 Abs 3 FBG sachlich nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe vergessen, hier eine ergänzende klarstellende Regelung zu treffen. Diese Gesetzeslücke sei durch eine analoge Anwendung des § 14 Abs 3 FBG auf gemeinnützige Bauvereinigungen in sämtlichen möglichen Rechtsformen (also auch in der Rechtsform einer GmbH oder AG) anzuwenden. Dem Revisionsverband komme daher bei allen von ihm geprüften gemeinnützigen Bauvereinigungen die Amtsparteienstellung gemäß § 14 Abs 3 FBG zu. Die Prüfungkompetenz des Revisionsverbands umfasse auch Fragen einer mittelbaren Anteilsverschiebung auf Gesellschafterebene. Gemäß § 28 Abs 4 WGG habe sich die Prüfung, die sich gemäß § 28 Abs 1 WGG grundsätzlich nach dem Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997 richte, auch auf die Einhaltung der §§ 3 bis 27 WGG zu erstrecken; sie umfasse daher auch § 10a WGG. Durch Einführung des § 10a Abs 1a WGG mit BGBl I 2018/26 habe der Gesetzgeber rückwirkend klargestellt, dass schon bislang mittelbare Anteilsübertragungen bei Bauvereinigungen der Zustimmung der Landesregierung im Sinne von § 10a Abs 1 lit a WGG bedurft hätten. Aufgrund des Bescheids des Amtes der Wiener Landesregierung und des Urteils des Landesverwaltungsgerichts Wien stehe fest, dass die davon betroffenen Anteilsübertragungen unwirksam seien. Dem entsprechend sei der Firmenbuchstand bei den Gesellschaftern der Gesellschaft unrichtig, die eingetragenen Gesellschafter seien zu löschen und die ursprünglichen Gesellschafter wieder einzutragen.

[9] Das Erstgericht wies das Eintragungsbegehren ab und sprach aus, ein Verfahren vom Amts wegen werde nicht eröffnet. Es begründete dies damit, die Vorfrage der Genehmigungspflicht der Anteilsabtretungen und damit die offenbare Unrichtigkeit der Abtretungen im Sinne des § 10 Abs 2 FBG sei Gegenstand eines früheren Firmenbuchverfahrens des Erstgerichts gewesen. Dieses sei mit Beschluss vom 3. 11. 2017 rechtskräftig dahingehend erledigt worden, dass die Genehmigungsbedürftigkeit der Anteilsabtretungen verneint und die Richtigkeit des Firmenbuchstands bejaht worden sei.

[10] Das Rekursgericht wies den vom Revisionsverband dagegen erhobenen Rekurs zurück und ließ den Revisionsrekurs zu. Es führte aus, im Amtslöschungsverfahren nach § 10 Abs 2 FBG komme demjenigen, der die amtswegige Löschung einer Eintragung anrege, keine Beteiligtenstellung und keine Rechtsmittelbefugnis zu. Nur ein im Rahmen des in § 14 Abs 3 FBG umschriebenen Aufgabenkreises einer gesetzlichen Interessenvertretung oder eines Revisionsverbands gestelltes Verlangen um firmenbuchgerichtliches Vorgehen nach § 10 Abs 2 FBG wäre nicht bloß als Anregung aufzufassen, sondern verliehe Beteiligtenstellung mit Anfechtungsbefugnis im Sinne des § 45 AußStrG. Gemäß § 5 Abs 1 WGG müsse eine gemeinnützige Bauvereinigung ohne Rücksicht auf die Rechtsform, in der sie errichtet wurde, einem nach dem Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz 1997 zulässigen Revisionsverband angehören. Der in § 14 Abs 3 FBG genannte „gesetzlich zuständige Revisionsverband“ sei jener behördlich anerkannte Revisionsverband (§§ 19 ff GenRevG), dem die konkrete Genossenschaft angehöre. Ob die Parteistellung eines Revisionsverbands nach § 14 Abs 3 FBG über die dort genannten Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossenschaften hinaus auch auf gemeinnützige Bauvereinigungen in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung auszudehnen sei, könne dahingestellt bleiben, weil die Gesellschaft, bei der die Eintragungen begehrt würden, keine gemeinnützige Bauvereinigung sei und folgerichtig dem Revisionsverband auch nicht angehöre. Auch wenn die Prüfpflichten des Revisionsverbands gemäß § 28 Abs 4 WGG die Genehmigungspflicht durch die Landesregierung beim Erwerb von Anteilen an Unternehmungen mit dem überwiegenden Geschäftszweck des (un‑)mittelbaren Erwerbs/Haltens/Verwaltens von Anteilen an Bauvereinigungen nach § 10a WGG erfassten, sei nicht anzunehmen, der Gesetzgeber habe in § 14 Abs 3 FBG die Möglichkeit, gemeinnützige Bauvereinigungen auch in der Rechtsform der GmbH oder der AG zu betreiben, vergessen. Vielmehr sei anzunehmen, dass er die besondere Parteistellung der Revisionsverbände nach § 14 Abs 3 FBG auf Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften beschränkt habe lassen wollen, während diese Unterstützungsfunktion hinsichtlich der übrigen Unternehmensformen den gesetzlichen Interessenvertretungen zukommen sollte. Eine planwidrige Gesetzeslücke liege somit nicht vor. Der Rekurs sei daher mangels Rekurslegitimation des Revisionsverbands zurückzuweisen.

[11] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Parteistellung (im Sinne des § 14 Abs 3 FBG) eines Revisionsverbands im Verfahren nach § 10 Abs 2 FBG betreffend eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die selbst keine gemeinnützige Bauvereinigung sei, vorliege.

[12] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Revisionsverbands mit dem (erkennbaren) Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass die beantragten Eintragungen bewilligt werden; hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht die (meritorische) Entscheidung über den Rekurs aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

[13] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[14] Der Rechtsmittelwerber bringt vor, beim antragstellenden Revisionsverband handle es sich um die einzig zuständige gesetzliche Interessenvertretung aller gemeinnützigen Bauvereinigungen unabhängig von deren Rechtsform. Dem Revisionsverband komme somit schon als solchem die Antrags- und Rechtsmittelbefugnis nach § 14 Abs 3 FBG zu. Eine Unterscheidung dahingehend, dass § 14 Abs 3 FBG dem Revisionsverband Parteistellung nur bei gemeinnützigen Bauvereinigungen in der Rechtsform einer Genossenschaft, nicht aber auch einer GmbH oder AG zuerkenne, wäre sachlich nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe eine diesbezügliche Klarstellung in § 14 Abs 3 FBG vergessen. Die Bestimmung sei daher analog auch aufgemeinnützige Bauvereinigungen in der Rechtsform der GmbH oder AG anzuwenden. Da gemäß § 10a Abs 1a WGG auch der mittelbare Anteilserwerb an Bauvereinigungen der Zustimmung der Landesregierung unterliege und von der Prüfpflicht des Revisionsverbands umfasst sei, müsse diesem auch insoweit Parteistellung nach § 14 Abs 3 FBG zukommen.

[15] Hierzu wurde erwogen:

[16] 1. Einseitigkeit des Revisionsrekursverfahrens

[17] Das Revisionsrekursverfahren gegen die Zurückweisung eines Rekurses ist einseitig (RS0120614; zum Firmenbuchverfahren vgl 6 Ob 13/06i; 6 Ob 195/10k; 6 Ob 137/18t). Die Einholung einer Revisionsrekursbeantwortung der von den begehrten Firmenbucheintragungen ebenso betroffenen Gesellschaft (oder der Gesellschafter) ist daher nicht erforderlich.

[18] 2. Normen

[19] 2.1. FBG

„§ 14 (3) Die zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen, bei Eintragungen von Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossenschaften die hiefür gesetzlich zuständigen Revisionsverbände, haben das Gericht bei der Vermeidung unrichtiger Eintragungen, bei der Berichtigung und Vervollständigung des Firmenbuchs sowie beim Einschreiten wegen unzulässigen Firmengebrauchs zu unterstützen; sie können zu diesem Zweck Anträge stellen und Rechtsmittel erheben.“

 

[20] 2.2. WGG

„§ 1 (1) Bauvereinigungen in den Rechtsformen einer Genossenschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und einer Aktiengesellschaft, die ihren Sitz im Inland haben, sind von der Landesregierung als gemeinnützig anzuerkennen, wenn sie die in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorgesehenen Bedingungen erfüllen.

[...]

§ 5 (1) Die Bauvereinigung hat ohne Rücksicht auf die Rechtsform, in der sie errichtet wurde, einem nach dem Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 127, zulässigen Revisionsverband anzugehören, dessen Tätigkeitsbereich sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt und dessen Satzung vorsieht, dass die Aufnahme einer als gemeinnützig anerkannten Bauvereinigung nicht abgelehnt werden kann und die Prüfung auch die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes einschließt. […]

[...]

§ 10a (1) Bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit bedürfen der Zustimmung der Landesregierung Vereinbarungen über:

a) den Erwerb von Anteilen an einer Bauvereinigung in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaft,

[…]

(1a) Bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit bedürfen der Zustimmung der Landesregierung Vereinbarungen über den Erwerb von Anteilen an Unternehmungen, deren überwiegender Geschäftszweck der mittelbare oder unmittelbare Erwerb sowie das mittelbare oder unmittelbare Halten und Verwalten von Anteilen an Bauvereinigungen ist.

[…]

§ 28 (1) Für die Durchführung der Prüfung (§ 5) von Genossenschaften gilt das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 127, Art. I, mit den in den nachstehenden Absätzen sowie in den §§ 23 und 29 angeführten Ergänzungen und Abweichungen. Auch bei Bauvereinigungen in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder der Aktiengesellschaft hat die Prüfung diesen Vorschriften zu entsprechen.

[…]

(4) Die Prüfung hat sich unter Bedachtnahme auf Artikel V § 2 Abs. 2 des Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetzes 1997 auch auf die Einhaltung des § 1 Abs. 2 und der §§ 3 bis 27 zu erstrecken.

[…]

§ 33 (2) […] In Verfahren gemäß den §§ 10a, 29 Abs. 3, 30, 34 bis 36 und 36b ist der Revisionsverband Partei. Er hat das Recht verfahrensleitende Anträge zu stellen sowie Rechtsmittel zu ergreifen, einschließlich der Erhebung von Beschwerden an das Verwaltungsgericht sowie Revisionen, Fristsetzungsanträge oder Beschwerden an Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts. Der Revisionsverband ist zur Durchführung seiner Interessenvertretungsaufgabe insbesondere berufen, Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen und Gesetzesvorhaben zu erstatten.

[…]

§ 37 (2) Die Gerichte haben den Landesregierungen und dem

Revisionsverband die Eintragungen in das Firmenbuch mitzuteilen, die eine Änderung des Vorstandes (der Geschäftsführung), des Genossenschaftsvertrages, des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung, die Auflösung oder die Löschung einer als gemeinnützig anerkannten Bauvereinigung betreffen.

[…]“

 

[21] 3. Folgerungen

[22] 3.1. Der Revisionsverband ist nicht die gesetzliche Interessenvertretung der gemeinnützigen Bauvereinigungen. Denn im Gegensatz zu den gesetzlichen Interessenvertretungen (den Kammern) ist die Aufgabe eines Revisionsverbands nicht die Vertretung der Interessen der ihm angehörenden Genossenschaften (oder deren Genossenschafter), sondern deren Prüfung und Kontrolle nach den Grundsätzen des GenRevG. Auch der Gesetzeswortlaut von § 14 Abs 3, § 21 Abs 1 und insbesondere von § 42 Abs 2 FBG verbietet eine Subsumtion des Revisionsverbands unter die gesetzlichen Interessenvertretungen, weil sonst die gesonderte Erwähnung des Revisionsverbands neben den gesetzlichen Interessenvertretungen in diesen Bestimmungen nicht erforderlich wäre.

[23] 3.2. Nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung ist den gesetzlichen Interessenvertretungen und dem Revisionsverband als Parteien kraft Belehnung (durch § 14 Abs 3 FBG) keine allgemeine, sondern nur eine zweckbeschränkte Antrags- und Rechtsmittelbefugnis eingeräumt (6 Ob 15/92; 6 Ob 189/05w; RS0059144). Als solche Zwecke nennt § 14 Abs 3 FBG die Vermeidung unrichtiger Eintragungen, die Berichtigung und Vervollständigung des Firmenbuchs sowie die Verhinderung unzulässigen Firmengebrauchs (vgl auch 6 Ob 15/92).

[24] 3.3. Im vorliegenden Fall behauptet der Revisionsverband, dass mehrere Anteilsübertragungen an der Gesellschaft unwirksam gewesen seien, woraus folge, dass die derzeit im Firmenbuch als Gesellschafter eingetragenen Rechtsträger gar nicht Gesellschafter seien, sondern nach wie vor die Gründungsgesellschafter. Damit werden materiell unrichtige Firmenbucheintragungen behauptet. Die gegenständliche Antragstellung ist somit vom Zweck des § 14 Abs 3 FBG gedeckt.

[25] 3.4. § 14 Abs 3 FBG ist von seinem Zweck her weiter so auszulegen, dass für einen im Firmenbuch eingetragenen Rechtsträger jeweils diejenige Interessenvertretung bzw derjenige Revisionsverband Parteistellung nach dieser Gesetzesstelle hat, der für den jeweiligen Rechtsträger „zuständig“ ist. Wenn nun kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift gemeinnützige Bauvereinigungen auch in den Rechtsformen einer GmbH oder AG erlaubt sind (§ 1 Abs 1 WGG) und gleichzeitig auch für diese die Pflicht statuiert wird, einem Revisionsverband anzugehören (§ 5 Abs 1 WGG), so ist auch für eine in der Rechtsform einer GmbH oder AG bestehende Bauvereinigung der Revisionsverband als „zuständig“ im Sinn von § 14 Abs 3 FBG und demgemäß insoweit als Amtspartei anzusehen.

[26] § 14 Abs 3 FBG hat nach Aussage der Materialien zum FBG (AB 23 BlgNR 18. GP  14) den bisherigen § 126 FGG zum Vorbild und wurde – infolge Eingliederung der Genossenschaften in das Firmenbuch (nachdem sie vorher nicht im Handelsregister, sondern im Genossenschaftsregister eingetragen waren) – um die Einbeziehung der Revisionsverbände für die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ergänzt. Weitere Erwägungen des Gesetzgebers ergeben sich aus den Materialien nicht. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass sowohl der Gesetzgeber des FBG als auch der mehrfache (Novellen‑)Gesetzgeber des WGG die Zuständigkeit des Revisionsverbands für Bauvereinigungen in der Rechtsform einer GmbH oder AG übersehen hat. Es liegt nach Ansicht des Senats daher insoweit eine durch Analogie zu füllende Gesetzeslücke dahingehend vor, dass der für eine gemeinnützige Bauvereinigung zuständige Revisionsverband auch dann Amtspartei im Sinne des § 14 Abs 3 FBG ist, wenn die Bauvereinigung nicht in der Rechtsform einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft, sondern einer GmbH oder AG besteht (in diesem Sinn auch Schwetz/Gahler, Wohnungsgemeinnützigkeit und Firmenbuch – Wechselwirkung und Spannungsbogen? immo aktuell 2020, 198 [201]). Diese Wertung wird durch einen Blick in § 33 Abs 2 WGG gestützt: Wenn der Revisionsverband in den dort angeführten Materien (wozu auch der hier relevante § 10a WGG gehört) Partei mit den dort umfassend umschriebenen Rechten und Möglichkeiten ist, muss er im öffentlichen Interesse auch das Recht haben, die aus einem solchen Verfahren resultierenden notwendigen Firmenbucheintragungen zu beantragen.

[27] 3.5. Nach der auf dem Ausschussbericht zum FBG (AB 23 BlgNR 18. GP  14) aufbauenden ständigen Rechtsprechung ist der antragsberechtigte und rekursberechtigte „zuständige gesetzliche Interessenvertreter“ jeweils nur ein solcher, dem der eingetragene Rechtsträger angehört oder angehören wird (6 Ob 3/95; 6 Ob 189/05w; RS0059133).

[28] Auch gestützt auf diese Rechtsprechung hat das Rekursgericht die Rekurslegitimation des Revisionsverbands verneint.

[29] 3.6. Diese Rechtsprechung, an der grundsätzlich festzuhalten ist, kann jedoch nicht völlig schematisch auch in Fällen, in denen sie gemessen am Normzweck des § 14 Abs 3 FBG nicht passt, angewendet werden. Zutreffend weist etwa Pilgerstorfer (in Artmann, UGB3 § 14 FBG Rz 5) darauf hin, dass bei manchen freien Berufen die Mitgliedschaft in der jeweiligen Kammer nur natürlichen Personen zustehe, dennoch könne nach den Materiengesetzen die Berufsausübung in der Rechtsform von Gesellschaften erfolgen, wobei aber in der Regel Gesellschafter natürliche Personen mit „Berufsbefugnis“ sein müssten, wie Ärzte, Notare oder Rechtsanwälte. Es könnten also „Befugnisträger“ (Kammermitglied) und Unternehmensträger (Gesellschaft) unter Umständen auseinanderfallen. In solchen Fällen könne es daher nicht darauf ankommen, dass der im Firmenbuch eingetragene bzw einzutragende Rechtsträger (Gesellschaft) der jeweiligen Kammer angehöre (dies sei ja gar nicht möglich), sondern es sei auf die dahinter stehenden Befugnisträger abzustellen, von denen der Rechtsträger (Unternehmensträger) die Berechtigung zur Berufsausübung in der Rechtsform einer Gesellschaft ableiten könne.

[30] Im Sinne dieser Ausführungen ist etwa nicht daran zu zweifeln, dass der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer die Parteistellung nach § 14 Abs 3 FBG für eine Rechtsanwalts-GmbH zukommt, obwohl diese nicht Kammermitglied ist.

[31] 3.7. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass es hier nicht um Firmenbucheintragungen bei einer gemeinnützigen Bauvereinigung, sondern um solche bei deren mehrheitlicher Muttergesellschaft geht. Für diesen Fall können die Erwägungen in Punkt 3.6. fruchtbar gemacht werden.

[32] Die hier gegenständlichen Anteilserwerbungen an der Gesellschaft wurden mit § 10a Abs 1a WGG zustimmungspflichtig. Diese Bestimmung wurde mit BGBl I 2018/26 eingeführt. Nach den einschlägigen Materialien (Bericht und Antrag des Budgetausschusses: 90 BlgNR 26. GP  2) sollte klargestellt werden, „dass zur Vermeidung von Umgehungsgeschäften und zur Sicherung der gemeinnützigen Vermögensbindung grundsätzlich auch der mittelbare (indirekte) Erwerb von Anteilen an GVB [gemeinnützigen Bauvereinigungen] beispielsweise im Weg über den Handel von Anteilen an ′Beteiligungsgesellschaften′, die ihrerseits Anteile an GVB halten – bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit – der Zustimmung durch die Aufsichtsbehörde bedarf“.

[33] Es geht also um die gemeinnützige Vermögensbindung bei einer gemeinnützigen Bauvereinigung. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist diese gemeinnützige Vermögensbindung nicht nur bei Anteilsabtretungen an der Bauvereinigung selbst potenziell gefährdet, sondern auch bei solchen an Rechtsträgern, die unmittelbar oder mittelbar an der Bauvereinigung beteiligt sind. Der Zweck des § 10a Abs 1a WGG zielt somit nicht (primär) auf den Schutz des an der Bauvereinigung unmittelbar oder mittelbar beteiligten Rechtsträgers, sondern auf den Schutz der Bauvereinigung selbst. Für diese ist aber der Revisionsverband zuständig. Der auf den Schutz der Bauvereinigung abstellende Zweck des § 10a Abs 1a WGG gebietet es daher, dem Revisionsverband die Rechtsstellung nach § 14 Abs 3 FBG für von § 10a Abs 1a WGG erfasste Anteilsabtretungen auch dann zuzubilligen, wenn der betroffene Rechtsträger selbst keine gemeinnützige Bauvereinigung ist.

[34] 3.8. Die hier gegenständlichen Abtretungen von Geschäftsanteilen der Gesellschaft fanden in den Jahren 2009 bis 2017 statt. § 10a Abs 1a WGG wurde jedoch erst mit BGBl I 2018/26 eingeführt. Zum Inkrafttreten normiert Art 2 Z 3 leg cit (Art IV Abs 1s WGG): „§ 10a tritt mit xx.xx.xxxx in Kraft, wobei sich der zeitliche Anwendungsbereich gemäß § 8 ABGB bestimmt.

[35] § 8 ABGB regelt die authentische Auslegung durch den Gesetzgeber. Darin liegt die Anordnung einer Rückwirkung (RS0008905). Wenngleich es dem Gesetzgeber im Allgemeinen zusteht, Gesetze auch rückwirkend in Kraft zu setzen, kann im Einzelfall eine Rückwirkung als gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art 2 StGG, Art 7 B‑VG) verstoßend verfassungswidrig sein, wenn dadurch gegen den Vertrauensgrundsatz verstoßen und/oder die Rechtsstellung der von der Rückwirkung Betroffenen maßgeblich verschlechtert wird (vgl VfGH G 228/89; G 309/91; G 88/92; G 291/96; G 334/02).

[36] Im Fall des § 10a Abs 1a WGG wird rückwirkend die Wirksamkeit von Anteilsabtretungen von der Zustimmung der Landesregierung abhängig gemacht. Man könnte daher Bedenken hegen, die Rückwirkung der Norm sei verfassungswidrig, weil das Vertrauen der an einer einschlägigen Anteilsabtretung Beteiligten auf die Gültigkeit dieser Abtretung nachträglich erschüttert wurde.

[37] Der erkennende Senat hat jedoch keine dahingehenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn es ist der Auffassung von Schopper/Walch (Gesellschaftsrechtliche Fragen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, ZRB 2017, 90 [105 ff]), auf welche Autoren sich der Novellengesetzgeber des BGBl I 2018/26 in den Materialien (Bericht und Antrag des Budgetausschusses: 90 BlgNR 26. GP  2) ausdrücklich bezieht, zuzustimmen: Die schon vorher bestehende Zustimmungspflicht der Landesregierung für Anteilsabtretungen an einer Bauvereinigung in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft nach § 10a Abs 1 lit a WGG kann durch Zwischenschaltung einer GmbH umgangen werden. Nach allgemeinen Regeln sind aber auf Umgehungsgeschäfte die Normen, zu deren Umgehung das Geschäft abgeschlossen wurde, anzuwenden (RS0018153; RS0113579 [T2]). Auf eine spezielle Umgehungsabsicht der Parteien kommt es nicht an (RS0016780). Somit war auch ohne die Einführung des § 10a Abs 1a WGG durch BGBl I 2018/26 die Zustimmungsnotwendigkeit der Landesregierung auf Anteilsabtretungen nach § 10a Abs 1 lit a WGG auch auf mittelbare Beteiligungen an gemeinnützigen Bauvereinigungen analog anzuwenden.

[38] 3.9. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass im vorliegenden Firmenbuchverfahren dem Revisionsverband die Parteistellung und somit auch die Rekurslegitimation nach § 14 Abs 3 FBG zukommt. Die Zurückweisung des Rekurses durch das Rekursgericht aus dem Grund der mangelnden Parteistellung und Rekurslegitimation erfolgte daher zu Unrecht. Es ist somit dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

[39] 4. Die Ergebnisse dieser Entscheidung werden wie folgt zusammengefasst:

[40] 4.1. Dem für gemeinnützige Bauvereinigungen zuständigen Revisionsverband kommt im Firmenbuchverfahren, das eine gemeinnützige Bauvereinigung betrifft, die Parteistellung nach § 14 Abs 3 FBG auch dann zu, wenn die gemeinnützige Bauvereinigung die Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Aktiengesellschaft hat.

[41] 4.2. Dem für gemeinnützige Bauvereinigungen zuständigen Revisionsverband kommt überdies im Firmenbuchverfahren von Gesellschaften Parteistellung nach § 14 Abs 3 FBG soweit zu, als es Firmenbucheintragungen von Gesellschaftern dieser Gesellschaften betrifft, wenn der wirksame Erwerb der Gesellschafterstellung von der Zustimmung der Landesregierung nach § 10a Abs 1a WGG abhängig ist.

[42] 5. Ohne der Beurteilung durch die Vorinstanzen vorzugreifen, wird nur darauf hingewiesen, dass eine Bewilligung des konkret vorliegenden Firmenbuchgesuchs nicht möglich und nicht zulässig ist. Bei Bewilligung der begehrten Eintragungwiche nämlich die Summe der Stammeinlagen sämtlicher Gesellschafter (35.000 EUR) vom eingetragenen Stammkapital (1.215.000 EUR) ab, was § 6 Abs 1 Satz 2 GmbHG widerspräche. Ob dieser Mangel der Anmeldung einer Verbesserung nach § 17 FBG zugänglich ist oder im Rahmen der amtswegigen Löschungsbefugnis nach § 10 Abs 2 FBG eine zulässige (und mögliche) Eintragung bewirkt werden kann, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen überlassen.

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