European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00226.21K.0518.000
Spruch:
1) Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
2) Der Schriftsatz der beklagten Partei vom 15. Dezember 2021 samt beiliegendem Rechtsgutachten wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Beklagte bietet von ihrem Sitz in Malta aus über die von ihr betriebene Website Dienstleistungen im Bereich des Glücksspiels an. Sie verfügt jedoch über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht. Der Kläger nahm an von der Beklagten veranstalteten Online‑Glücksspielen teil und erlitt im Zeitraum August 2018 bis Juli 2020 Verluste in Höhe des Klagsbetrags.
[2] Die Vorinstanzen gaben seiner auf die Unwirksamkeit der Glücksspielverträge gestützten Klage auf Rückzahlung dieser Verluste statt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
[4] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[5] 2. Der Entscheidung 7 Ob 213/21f lag eine Revision der auch hier beklagten Partei zugrunde, die sich inhaltlich (und nahezu zur Gänze auch wortwörtlich) mit dem gegenständlichen Rechtsmittel deckt. Der siebente Senat setzte sich dabei – bei vergleichbarem Sachverhalt – mit der von der Beklagten auch im gegenständlichen Verfahren thematisierten Ausrichtung der Tätigkeit der Beklagten auf Österreich iSd Art 6 Abs 1 Rom I‑VO auseinander und bejahte diese. Auch im vorliegenden Fall hält sich die Auffassung der Vorinstanzen, aufgrund des Umstands, dass die Beklagte auf ihrer Homepage, auf der die Inhalte in deutscher Sprache verfügbar sind, Online‑Glücksspiele anbietet, eine direkte Weiterleitung von der Website mit der Adresse www.bet‑at‑home.at auf die Website mit der Adresse www.bet‑at‑home.com erfolgt und auch in Österreich für ihre Produkte wirbt, liege eine Ausrichtung der Tätigkeit auf Österreich vor, im Rahmen der Judikatur des EuGH und des Obersten Gerichtshofs (vgl 7 Ob 213/21f; 4 Ob 223/21d). Ebenso liegen die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands des Art 6 Abs 4 lit a Rom I‑VO betreffend „ausschließlich“ außerhalb des Mitgliedsstaats, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, erbrachter Dienstleistungen (EUGH C‑272/18 , VKI/TVP Treuhand‑ und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co KG, Rn 52) hier nicht vor (vgl 7 Ob 213/21f).
[6] 3. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (6 Ob 8/22b; 4 Ob 223/21d; 7 Ob 213/21f; 3 Ob 200/21i; 5 Ob 30/21d; 9 Ob 20/21p; RS0130636 [T7]).
[7] Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung. Die Revision zeigt keine Argumente auf, die noch nicht in die erörterte Judikatur Eingang gefunden hätten.
[8] 4. Eine Verpflichtung zur Notifizierung der Bestimmung des § 14 GSpG idF des BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, nach Maßgabe der Richtlinie 98/34/EG idF der Richtlinien 98/48/EG und 2006/96/EG hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach verneint (4 Ob 223/21d; 7 Ob 213/21f; 3 Ob 200/21i; 6 Ob 203/21b). Diese vom Obersten Gerichtshof bereits geklärte Rechtsfrage kann damit die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen.
[9] 5. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Gewinnspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d und die jüngsten Entscheidungen des EuGH C‑920/19 , Fluctus und C‑231/20 , MT). Der erkennende Senat sieht daher keinen Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (vgl 4 Ob 223/21d).
[10] 6. Die Ansicht der Vorinstanzen, dass die Spieleinsätze aus einem verbotenen Glücksspiel zurückgefordert werden können, entspricht ebenso der ständigen Rechtsprechung (RS0025607 [T1]) wie die Anwendung österreichischen Rechts zur Prüfung des Rückforderungsanspruchs eines in Österreich wohnhaften Verbrauchers, wenn sich – wie hier – ein ausländischer Dienstleister im Bereich des Glücksspiels über das Internet auf den österreichischen Markt ausrichtet (vgl 4 Ob 223/21d; 7 Ob 213/21f; 3 Ob 200/21i).
[11] 7. Für einen von der Beklagten argumentierten Rechtsmissbrauch des Klägers ergeben sich aus den Feststellungen keine Anhaltspunkte. Vorbringen zum Abzug von Aufwendungen der Beklagten – insbesondere der 40%igen Glücksspielabgabe – hat die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren nicht erstattet. Auch ein Eingehen auf die Frage, ob eine „analoge Heranziehung der Haftungsbeschränkung nach § 25 Abs 3 GSpG“ auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung überhaupt denkbar wäre, erübrigt sich schon deshalb, weil die Beklagte sich im erstgerichtlichen Verfahren auf eine solche weder berufen hat, noch Tatsachenvorbringen zu den von ihr nunmehr behaupteten, eine „beschränkte Haftung“ begründenden Voraussetzungen erstattet hat (vgl 7 Ob 213/21f).
[12] 8. Mangels zu beurteilender Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.
[13] 9. Der Schriftsatz der Beklagen vom 15. 12. 2021 verstößt gegen die Einmaligkeit des Rechtsmittels.
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