European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129647
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:
Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, dass die nunmehrige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs seit der Entscheidung 4 Ob 150/19s (EvBl 2020/8 [Gruber/Spitzer, 140] = RZ 2020/1 [Spenling] = iFamZ 2020/6 [Neuhauser] = Zak 2020/9 [Kolmasch] = EF‑Z 2020/28 [Gitschthaler, 52; Gruber/Spitzer, 56; Tews, 67; Schindl, 153]) bei einem höheren Einkommen des Unterhaltspflichtigen und einem entsprechend hohen Prozentunterhalt zu einer nennenswerten Mehrbelastung des Unterhaltspflichtigen gegenüber der bisherigen Minderung seiner Zahlungspflicht durch die anteilige Familienbeihilfenanrechnung führe und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu dieser Fragestellung nicht vorliege.
1. Der erkennende Senat hat erst jüngst (6 Ob 83/20d) in einem Fall, der denselben geldunterhaltspflichtigen Elternteil wie im vorliegenden Fall betraf und in dem dieser Elternteil einen insoweit praktisch wortgleichen Revisionsrekurs erhoben hatte, ausgeführt:
Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung handelt es sich beim Familienbonus Plus – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag. Der Gesetzgeber hat den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die erwähnten steuergesetzlichen Maßnahmen herbeizuführen. Dadurch findet eine Entkoppelung von Unterhalts‑ und Steuerrecht statt. Die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen erfolgt nunmehr durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag. Der Familienbonus Plus ist nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen; eine Anrechnung von Transferleistungen findet nicht mehr statt. Der Familienbonus Plus und der Unterhaltsabsetzbetrag bleiben damit unterhaltsrechtlich neutral (RS0132928).
Dieser zunächst in der Entscheidung 4 Ob 150/19s vertretenen Rechtsansicht haben sich in der Zwischenzeit eine Vielzahl weiterer Entscheidungen angeschlossen. Von dieser gefestigten Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlass. Dass es Fallkonstellationen geben kann, bei denen die Judikatur zum Familienbonus Plus zu einer höheren Unterhaltspflicht als nach der bisherigen Berechnung führt, liegt im Wesen der vom Gesetzgeber vorgenommenen generalisierenden (Pauschal‑)Regelung.
Damit stellt sich im vorliegenden Fall keine erhebliche Rechtsfrage, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.
2. In der Entscheidung 3 Ob 100/15z (ErwG 2.) schloss sich der Oberste Gerichtshof der Auffassung des (dort) Rekursgerichts an, das die von der (dort) Geldunterhaltspflichtigen gewünschte unterhaltsmindernde Berücksichtigung von Spenden, Steuerberatungskosten und Kirchenbeitrag durch Abzug der Steuerersparnis von der Unterhaltsbemessungsgrundlage mit der Begründung abgelehnt hatte, dass der Unterhaltsberechtigte an dieser Steuerersparnis nur im Umfang seines Prozentunterhaltsanspruchs partizipiere. Die dadurch bewirkte, ohnedies nur marginale Erhöhung des Unterhaltsbetrags habe der Unterhaltspflichtige nicht deshalb zu tragen, weil er gespendet oder den Kirchenbeitrag gezahlt habe, sondern weil er diese Ausgaben steuerlich geltend gemacht und deshalb weniger Einkommensteuer gezahlt habe. Dadurch habe sich sein Nettoeinkommen erhöht.
Somit ist die vom unterhaltspflichtigen Vater in seinem Revisionsrekurs als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, „ob die Steuerersparnisse aus Gewerkschaftsbeiträgen und der Zukunftssicherung aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage herauszurechnen“ seien, bereits beantwortet.
3.1. Aktenwidrig sind die Ausführungen des Vaters, ein Abzug von 25 % vom ermittelten Geldunterhalt seien in Anbetracht seiner tatsächlichen Betreuung des Minderjährigen „grundsätzlich akzeptiert“ worden; der Vertreter des Minderjährigen führte in seinen Schriftsätzen vom 19. 11. 2019 und vom 27. 1. 2020 ausdrücklich aus, der Vater betreue den Minderjährigen an 130 Tagen im Jahr in seinem Haushalt, was einem zusätzlichen Tag pro Woche entspreche und einen Abzug im Ausmaß von „zumindest 10 %“ erlaube.
3.2. Das Erstgericht nahm einen Abzug von 15 % mit der Begründung vor, 130 Betreuungstage durch den an sich geldunterhaltspflichtigen Vater bedeuteten, dass er den Minderjährigen 1,5 Tage über das übliche Ausmaß von einem Betreuungstag pro Woche hinaus betreue (130 Tage/52 Wochen = 2,5 Tage abzüglich 1 Tag/Woche). Unter Berücksichtigung dieses Abzugs setzten die Vorinstanzen einen laufenden monatlichen Unterhalt in Höhe von 550 EUR fest; der Vater strebt eine Reduzierung auf monatlich 420 EUR an. Dem ist nicht zu folgen:
3.2.1. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist dann, wenn die Eltern die Betreuung in einem Ausmaß teilen, das über den Rahmen der üblichen persönlichen Kontakte des Elternteils hinausgeht, bei dem sich das Kind nicht hauptsächlich aufhält, der zu leistende Geldunterhalt zu reduzieren, wenn der Geldunterhaltspflichtige – über ein übliches Kontaktrecht hinaus – Betreuungsleistungen erbringt. Unter Heranziehung des bei Unterhaltsentscheidungen grundsätzlich anzuwendenden Ermessens erfolgt die Berücksichtigung übermäßiger Betreuungsleistungen durch den geldunterhaltspflichtigen Elternteil allgemein in Form von prozentmäßigen Abschlägen (Prozentabzugsmethode; siehe bloß 1 Ob 151/16m EF‑Z 2017/57 [Gitschthaler]). Nach der sogenannten 10 %‑Rechtsprechung wird der Geldunterhaltsanspruch um 10 % pro wöchentlichem Betreuungstag reduziert, der über das übliche Ausmaß hinausgeht (aus jüngerer Zeit 1 Ob 207/15w EF‑Z 2016/40 [Gitschthaler]; 7 Ob 172/16v EF‑Z 2017/35 [Gitschthaler]).
3.2.2. Der üblichen Dauer eines Kontaktrechts entspricht ein Wochenendkontakt in 14‑tägigem Abstand zuzüglich eines Ferienbesuchsrechts von vier Wochen (stRsp, aus jüngerer Zeit 1 Ob 158/15i iFamZ 2015/201 [Neuhauser]; 8 Ob 69/15b EF‑Z 2016/39 [Gitschthaler]; 7 Ob 172/16v EF‑Z 2017/35 [Gitschthaler]), also eine Betreuung in einem jährlichen Ausmaß von rund 80 Tagen (10 Ob 17/15w; 1 Ob 158/15i; 8 Ob 69/15b; 7 Ob 172/16v). In der Literatur wird hiezu vertreten, dass der Bereich zwischen 52 und 80 Tagen dabei einen fließenden Übergang zur Prozentabzugsmethode bei Betreuung in unüblichem Ausmaß darstelle. Das Modell springe also nicht schon bei 52 Tagen, das heißt einem Tag pro Woche, sondern erst um, wenn der geldunterhaltspflichtige Elternteil das Kind mehr als 80 Tage pro Jahr betreut. Ist dies der Fall, seien im Rahmen der Prozentabzugsmethode allerdings nicht 80 Betreuungstage als übliches Kontaktausmaß zugrunde zu legen und bloß die diese Zahl übersteigenden Betreuungstage des anderen Elternteils zu dessen Gunsten in Anschlag zu bringen, sondern bloß ein Tag pro Woche, also 52 Tage, während die darüber hinausgehenden Tage zugunsten des anderen Elternteils zu berücksichtigen seien (Gitschthaler, Kinderbetreuung und Kindesunterhalt – ein Überblick, EF‑Z 2018/3; dem folgend offenbar auch Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 [2019] 122 FN 110). Dieser Auffassung hat sich zwischenzeitig bereits zweitinstanzliche Rechtsprechung ausdrücklich (vgl etwa LG Salzburg EFSlg 156.701 [2018], 159.791, 159.792 [2019]; LG Linz EFSlg 156.702 [2018], 159.793 [2019]) und die Entscheidung 9 Ob 57/17y offensichtlich angeschlossen.
3.2.3. Eine Betreuungszeit von 130 Tagen durch den an sich geldunterhaltspflichtigen Elternteil – wie im vorliegenden Fall – lag sowohl den Ausführungen von Gitschthaler (EF‑Z 2018/3) als auch der Entscheidung des Landesgerichts Salzburg (EFSlg 159.792) zugrunde. Betreue der geldunterhaltspflichtige Elternteil das Kind im Jahresschnitt 130 Tage, so seien zunächst einmal 52 Tage (nicht 80 Tage) als „übliches Kontaktrecht“ in Abzug zu bringen; der Rest von 78 Tagen sei durch 52 (Anzahl der Wochen pro Jahr) zu dividieren: Der geldunterhaltspflichtige Elternteil betreue demnach das Kind 1,5 Tage pro Woche in unüblichem Ausmaß, was zu einer Reduktion seiner Geldunterhaltsverpflichtung um 15 % führe.
Die von den Vorinstanzen vorgenommene Reduktion der sich nach der Prozentwertmethode an sich ergebenden Geldunterhaltsverpflichtung des Vaters um 15 % ist somit nicht zu beanstanden.
4. Richtig ist, dass die Entscheidung 5 Ob 127/19s erst jüngst klarstellte, dass der Unterhaltsabsetzbetrag – anders als nach den Entscheidungen 1 Ob 65/03w und 3 Ob 248/09f – nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen ist; der Unterhaltsabsetzbetrag sei nach der gesetzlichen Regelung an die Zahlung des Unterhalts (und deren Nachweis) geknüpft und stehe daher zweckgebunden nur deshalb als Steuerabsetzbetrag zu, weil (und nicht: damit) der Geldunterhaltspflichtige Unterhaltsbeiträge zahlt. Allerdings würde sich eine Herausnahme des Unterhaltsabsetzbetrags aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage im vorliegenden Fall auf den festzusetzenden Unterhaltsbeitrag lediglich in einem Ausmaß auswirken, der im Rundungsbereich läge.
5. Eine tatsächliche Bezahlung von monatlich 30 EUR an „Fußballbeitrag“ für den Minderjährigen konnte der insoweit beweispflichtige Vater nicht nachweisen.
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