OGH 1Ob65/03w

OGH1Ob65/03w29.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Marion B*****, geboren am *****, sowie des mj Thomas B*****, geboren am *****, und der mj Ramona B*****, geboren am *****, infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Dietmar B*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 30. Dezember 2002, GZ 1 R 4/02z-157, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 14. November 2001, GZ 7 P 284/98p-141, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der in seinen Punkten 1. und 2.3. mangels Anfechtung unberührt bleibt und in seinem Punkt 2.2. bestätigt wird, wird im Übrigen aufgehoben. In diesem Umfang wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Das Gericht zweiter Instanz wies den Rekurs des Vaters, "soweit darin die Herabsetzung der monatlichen Unterhaltsbeiträge für Marion unter den Betrag von 319,76 EUR, nämlich auf monatlich 305,23 EUR begehrt" wurde, als "unzulässig" zurück, gab den Rekursen von Marion, Thomas und Dietmar sowie des Vaters teilweise Folge und verpflichtete diesen zur Zahlung folgender monatlicher Unterhaltsbeträge:

vom 1. 5. 2001 bis zum 31. 8. 2001:

für Marion 319,76 EUR,

für Thomas 280 EUR und

für Ramona 280 EUR;

ab 1. 9. 2001:

für Marion 348,83 EUR,

für Thomas 319,76 EUR und

für Ramona 319,76 EUR;

Im Übrigen erkannte es Ramona an restlichen Kosten einer Lernhilfe 534,15 EUR und an restlichen Kosten einer Brille 78,49 EUR als Sonderbedarf zu. Das Mehrbegehren der Kinder, dem Vater einen - gegenüber den zuvor genannten Beträge - höheren monatlichen Geldunterhalt sowie die "Zahlung eines weiteren Sonderbedarfs" Ramonas aufzuerlegen, und den väterlichen Antrag auf Unterhaltsherabsetzung wies es ab.

Das Rekursgericht, das im Anlassfall selbst einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt hatte, § 12a FLAG als verfassungswidrig aufzuheben (ON 148), berechnete den Geldunterhalt nach der im Erkenntnis des Verfassungsgerichshofs vom 19. 6. 2002 G 7/02 ua fortgeschriebenen Methode und der dieses Erkenntnis im Unterhaltsrecht umsetzenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Als Berechnungsgrundlage nahm es auch auf die im Rekurs der Kinder vorgetragene Neuerung Bedacht, die Ehegattin des Vaters sei ab 1. 9. 2001 wiederum berufstätig. Dazu stellte es aus einer mit der Rekursbeantwortung des Vaters vorgelegten Urkunde über die Bezugsabrechnung fest, dass dessen Ehegattin als Lehrerin - ohne Sonderzahlungen - ein monatliches Nettoeinkommen von 1.422,64 EUR erziele. Demnach sei der Vater, der Sorgepflichten für insgesamt sechs Kinder hat, für seine Ehegattin ab 1. 9. 2001 nicht mehr unterhaltspflichtig. Somit erhöhten sich die für die Ermittlung des Geldunterhalts der Antragsteller maßgebenden Prozentsätze deren Teilhabe an der "gleichbleibenden Unterhaltsbemessungsgrundlage". Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil bei der "Unterhaltsbemessung unter Berücksichtigung der steuerlichen Entlastung des Unterhatspflichtigen" eine grundsätzliche, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehende Frage zu lösen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig; er ist im Rahmen des ein Aufhebungsbegehren implizierenden Abänderungsantrags auch teilweise berechtigt.

1. Steuerentlastung

Der Oberste Gerichtshof sprach nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 19. 6. 2002 G 7/02 ua, mit dem die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" in § 12a FLAG aufgehoben wurde, schon in zahlreichen Entscheidungen aus, dass der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten - wie bisher - zu bemessende Geldunterhalt im Interesse der gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern - bei getrennter Haushaltsführung - in verfassungskonformer Auslegung des § 140 ABGB um jenen Teil des Kinderabsetzbetrags und der Familienbeihilfe zu kürzen sei, der die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bezweckt (RIS-Justiz RS0117023). Das Rekursgericht ermittelte den Geldunterhalt der Kinder unter Anwendung dieser Rechtsprechung. Der Vater wendet sich nicht gegen die der steuerlichen Entlastung von Geldunterhaltsschuldnern dienenden Berechnungsgrundsätze. Insofern genügt es daher, gemäß § 16 Abs 4 AußStrG auf die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses zu verweisen

2. Unterhaltsbemessungsgrundlage

2. 1. Nach Ansicht des Vaters hätten die Vorinstanzen den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Verkehrsabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag dem Nettoeinkommen als Bemessungsgrundlage nicht hinzurechnen dürfen. Dem entgegnete - auf dem Boden der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (siehe RIS-Justiz RS0047423) - zutreffend bereits das Rekursgericht, das Erstgericht habe nur das dem Vater nach Abzug der Einkommensteuer und der Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich verbleibende monatliche Nettoeinkommen als Bemessungsgrundlage herangezogen. Steuerbegünstigungen, denen "keine effektive Einkommensminderung oder effektive Ausgabe" gegenüberstünden, seien aus der Bemessungsgrundlage nicht auszuscheiden.

2. 2. Insofern stellt sich der Vater die Ermittlung der Bemessungsgrundlage - entgegen der vom Rekursgericht zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs - offenkundig so vor, dass Steuerabsetzbeträge, derentwegen sich das Nettoeinkommen erhöht, bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage in schematischer Weise vom Nettoeinkommen abzuziehen seien. Das ist deshalb unzutreffend, weil der Geldunterhalt - nach den Erwägungen unter 1. - wie bisher zu bemessen ist und seine steuerliche Entlastung auf dem Weg über den Kinderabsetzbetrag und die Familienbeihilfe erst daran anknüpft.

3. Alleinverdienerabsetzbetrag

Der Vater führt ferner aus, die Steuerbehörde habe ihm 2001 wegen der Berufstätigkeit seiner Ehegattin als Lehrerin den Alleinverdienerabsetzbetrag nicht mehr gewährt. Deshalb sei von einem geringeren Nettoeinkommen als Bemessungsgrundlage auszugehen. Dieser Einwand ist berechtigt.

Gemäß § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 steht einem Alleinverdiener ein Alleinverdienerabsetzbetrag von 364 EUR jährlich zu, wenn der (Ehe-)Partner bei mindestens einem Kind Einkünfte von höchstens 4.400 EUR jährlich erzielt. Das Rekursgericht stützte die Berechnung des Geldunterhalts ab 1. 9. 2001 auf die im Rekurs der Kinder vorgetragene Neuerung über die Wiederaufnahme der Berufstätigkeit der Ehegattin des Vaters und die über deren Einkommen getroffene Feststellung. Danach erzielte dessen Ehegattin 2001 ein 4.400 EUR übersteigendes Jahreseinkommen. Dem Vater kann daher für 2001 ein Alleinverdienerabsetzbetrag nicht mehr zustehen. Somit muss sich 2001 auch das monatliche Nettoeinkommen des Vaters als Grundlage für die Unterhaltsbemessung insofern verringert haben. Die zweite Instanz durfte die im Rekurs der Kinder vorgetragene Neuerung nicht nur zu Lasten des Vaters verwerten, sondern hätte auch die sich aus der ergänzenden Feststellung über das Nettoeinkommen dessen Ehegattin zwingend ergebende Rechtsfolge berücksichtigen müssen, dass dem Vater für 2001 ein Alleinverdienerabsetzbetrag nicht mehr zustand und sich das in einer Verringerung seines Nettoeinkommens als Unterhaltsbemessungsgrundlage 2001 auswirken musste.

4. Angestrebte Tatsachenfeststellungen

Der Vater bringt vor, er habe im Rekursverfahren noch keine Beweismittel für die als Neuerung vorgebrachte Behauptung vorlegen können, er habe seine Berufstätigkeit eingeschränkt, um seine Ehegattin bei der Kinderbetreuung und im Haushalt zu unterstützen und ihr dadurch die Wiederaufnahme ihrer Berufstätigkeit als Lehrerin zu ermöglichen. Nunmehr lägen ihm "'in letzter Minute' die nötigen Unterlagen für das tatsächliche Jahreseinkommen 2002 vor", die er "nachreichen" könne. Bei Erledigung des Revisionsrekurses möge daher von seinem "tatsächlichen Einkommen" ausgegangen werden. Dazu genügt ein Hinweis, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist und daher die angestrebten Feststellungen nicht treffen kann. Daher muss nicht erörtert werden, ob auf die Neuerung Bedacht zu nehmen gewesen wäre, wenn sie der Vater schon im Rekursverfahren urkundlich belegt hätte. Im Übrigen sei angemerkt, dass der Vater am 3. 3. 2003 ohnehin einen Antrag auf Unterhaltsherabsetzung ab 1. 1. 2002 beim Erstgericht einbrachte, weil er wegen der erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachten Gründe seit 1. 9. 2001 nur mehr dreißig Stunden wöchentlich unselbständig erwerbstätig sei.

5. Sonderbedarf

Der nach Ansicht der zweiten Instanz vom Vater zu tragende Rest des Sonderbedarfs Ramonas entstand 2000. Damals war dessen Ehegattin noch nicht berufstätig. Somit sind die Erwägungen unter 3., die die Unterhaltsbemessungsgrundlage 2001 betreffen, für den erörterten Sonderbedarf nicht von Bedeutung. Der Vater führt gegen seine Belastung mit diesem Sonderbedarf nur die unter 2. 2. referierten Gründe ins Treffen; diese sind jedoch durch die Erwägungen unter 1. und 2. 1. widerlegt. Somit ist der angefochtene Beschluss insofern zu bestätigen.

6. Ergebnis

Nach § 16 Abs 4 AußStrG gilt der § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO auch für das Verfahren über einen Revisionsrekurs im Außerstreitverfahren. Zur Ermittlung des Geldunterhalts für drei Kinder sind - auf Grundlage der voranstehenden Erwägungen - eingehende (neue) Berechnungen im Sinne des § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO erforderlich. Zur Durchführung dieser Berechnungen ist der angefochtene Beschluss im spruchgemäßen Umfang aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückzuverweisen (1 Ob 182/02z). Sollte das Rekursgericht eine Ergänzung des Verfahrens für erforderlich halten, um die Unterhaltsbemessungsgrundlage klären und den Geldunterhalt der Kinder vor dem Hintergrund der Ausführungen unter 3. und der zu 1. erörterten steuerlichen Entlastung des Vaters berechnen zu können, so bleibt ihm deren Anordnung oder Durchführung vorbehalten.

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