Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 665,66 EUR (darin 110,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin bewohnte im September 1999 mit ihrem Ehemann und drei minderjährigen Kindern eine Mietwohnung im 20. Wiener Gemeindebezirk. Die Beklagte hatte zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines mit der Hausverwaltung (namens der Hauseigentümer) geschlossenen Werkvertrags die Reinigung des Stiegenhauses übernommen. Am 28. 9. 1999 verließ die Klägerin die im 3. Stock gelegene Wohnung und kam im Bereich der Stiege im Erdgeschoß - das Stiegenhaus war unmittelbar zuvor von einem Mitarbeiter der Beklagten aufgewaschen worden - zu Sturz; sie verletzte sich schwer.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Schmerzengeld (18.168,21 EUR) und Ersatz der Kosten einer Haushaltshilfe (insgesamt 3.860 EUR). Sie sei im Stiegenhaus auf dem durch Nässe und Putzmittelrückstände rutschigen Boden zu Sturz gekommen. Das Alleinverschulden am Unfallsgeschehen treffe den damaligen Mitarbeiter der Beklagten, der es nach Durchführung der Reinigungsarbeiten unterlassen habe, das Stiegenhaus aufzutrocknen. Mit einer unsachgemäßen Reinigung habe sie nicht rechnen müssen. Der Klageanspruch werde auch auf die Verletzung des Reinigungsvertrages gestützt. Dieser entfalte Schutzwirkung zugunsten Dritter, nämlich der Klägerin als Mieterin einer Wohnung dieses Hauses. Das begehrte Schmerzengeld sei angesichts ihrer Verletzungen angemessen, die Haushaltshilfe sei für die Versorgung der drei minderjährigen Kinder erforderlich geworden.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Mangels eines Vertragsverhältnisses zur Klägerin komme nur Gehilfenhaftung nach § 1315 ABGB in Frage. Sie habe ihren für die Reinigung des Hauses zuständigen Mitarbeiter entsprechend ausgebildet und instruiert und durch einen Gebietsleiter auch kontrolliert. Er habe die Reinigung stets ordnungsgemäß vorgenommen und sei weder untüchtig noch wissentlich gefährlich. Er habe das Stiegenhaus weder in nassem Zustand verlassen, noch Putzmittel verwendet, die eine rutschige, seifenähnliche Schicht hinterlassen könnten. Jedenfalls treffe die Klägerin aber ein erhebliches Mitverschulden. Es hätte ihr bekannt sein müssen, dass die Reinigung seit fast sechs Monaten immer am Montag vorgenommen werde. Sie hätte daher - sollten tatsächlich noch feuchte Spuren vorhanden gewesen sein - besondere Vorsicht walten lassen müssen. Zur Vertragshaftung führte die Beklagte aus, es obliege dem Vermieter aufgrund seiner vertraglichen Stellung zum Mieter, das Bestandobjekt in bedungenem Zustand gebrauchsfähig zu halten und den üblichen Gebrauch zu gewährleisten. Zu diesen Pflichten gehöre auch die Reinhaltung des Gangbereichs. Der Vermieter habe sich bei Erfüllung dieser Pflicht der Beklagten als Erfüllungsgehilfen bedient und hafte für deren Verschulden nach § 1313a ABGB. Die Beklagte als seine Erfüllungsgehilfin hafte demgegenüber dem Mieter nur nach Deliktsrecht. Die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Vertrags erfordere ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers, das dann fehle, wenn ein deckungsgleicher Anspruch auf Schadenersatz aufgrund eigener rechtlicher Sonderverbindung mit dem Vertragspartner bestehe, der den späteren Schädiger vertraglich als Erfüllungsgehilfen beigezogen habe. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin einen eigenen vertraglichen Anspruch gegenüber dem Vermieter, der die Geltendmachung der Vertragshaftung gegen die Beklagte aus dem Reinigungsvertrag hindere. Besondere Gründe für die Einbeziehung der Klägerin in den Schutzbereich des Reinigungsvertrags lägen hier nicht vor.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 17.076 EUR (davon 12.400 EUR Schmerzengeld und 2.576 EUR Heimhilfe). Den Restbetrag wies es ab. Es stellte noch fest, Hauptmieter der von der Klägerin bewohnten Wohnung sei ihr Ehemann. Kurz bevor die Klägerin am 28. 9. 1999 die Wohnung verlassen habe, habe der Mitarbeiter der Beklagten das gesamte Stiegenhaus aufgewaschen, wobei Wasserrückstände am Boden zurückgeblieben seien. Die Klägerin habe diese Arbeiten bereits im dritten Stock bemerkt, weil der Boden noch feucht gewesen sei. Sie habe sich beim Hinuntergehen am Handlauf festgehalten, sei jedoch am Ende der Stufen im Erdgeschoß - dort befinde sich kein Handlauf mehr - beim Betreten des durch das Aufwaschen noch nassen Hausflurs ausgerutscht. Sie habe sich schwer verletzt. Das Erstgericht stellte die Verletzungen und die damit verbundenen Schmerzen und Schmerzperioden ebenso wie den Einsatz einer Haushaltshilfe im Einzelnen fest und erachtete ein Schmerzengeld von 12.400 EUR und den Ersatz der Kosten für die Haushaltshilfe von 2.576 EUR als angemessen. Rechtlich führte es aus, der Hauseigentümer sei primär verpflichtet, Gänge und Treppen in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu erhalten. Er habe diese Pflicht vertraglich an die Beklagte als Generalunternehmerin übertragen. Der Vertrag mit der Beklagten entfalte eine Leistungspflicht gegenüber dem Vertragspartner, gleichzeitig aber auch Schutz- und Sorgfaltspflichten Dritten gegenüber, deren Kontakt mit der Hauptleistung bei Vertragsabschluss voraussehbar gewesen sei und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigt habe oder denen er selbst rechtlich zur Fürsorge verpflichtet sei. Von diesen Schutzpflichten seien auch die Mieter des Auftraggebers erfasst; als Ehefrau des Hautmieters einer Wohnung sei auch die Klägerin erkennbar Begünstigte aus der Hauptleistung Reinigung. Die Beklagte hafte daher der Klägerin auch vertraglich für das Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen. Ein Mitverschulden der Klägerin verneinte das Erstgericht. Das Berufungsgericht gab der gegen die Abweisung eines Teilbetrags gerichteten Berufung der Klägerin nicht Folge. Der Berufung der Beklagten gab es teilweise Folge und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 8.134,47 EUR. Das Begehren auf Zahlung weiterer 13.893,68 EUR wies es ab. Von den Feststellungen des Erstgerichts ausgehend bejahte auch das Berufungsgericht einen Schadenersatzanspruch der Klägerin aus der Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten, die die Beklagte aus dem mit der Hausverwaltung abgeschlossenen Werkvertrag Dritten gegenüber zu wahren habe. Der Grundsatz der Rechtsprechung, wonach eine Haftung aus dem Titel der Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber Dritten mangels eines schutzwürdigen Interesses des Dritten dann nicht in Frage komme, wenn der Dritte kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung gegenüber dem anderen Vertragspartner einen deckungsgleichen vertraglichen Schadenersatzanspruch geltend machen könne (so etwa aus dem Mietvertrag), sei im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Der Klägerin stehe nämlich kein unmittelbarer vertraglicher Anspruch gegenüber dem Vermieter zu. Sie sei nicht Vertragspartnerin des Hauseigentümers und werde von der Rechtsprechung lediglich in den Schutzbereich des Mietvertrags einbezogen. Könne sie aber ihre Ansprüche in jedem Fall nur auf Basis eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte geltend machen, so komme das Argument, ihr eigener vertraglicher Anspruch stehe einer Ausdehnung des Schutzbereichs des von der Beklagten mit dem Hauseigentümer geschlossenen Vertrags entgegen, nicht zum Tragen. Nach den Feststellungen habe der Erfüllungsgehilfe der Beklagten die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen; er habe das Stiegenhaus nicht auftrocknen lassen, sodass der Boden in nassem und glitschigem Zustand verblieben sei; er habe auch Warntafeln nicht aufgestellt. Die Beklagte habe für ihren Mitarbeiter nach § 1313a ABGB zu haften. Allerdings habe die Klägerin Mitverschulden zu verantworten. Sie habe schon im dritten Stock bemerkt, dass der Boden aufgewaschen und noch feucht gewesen sei. Es hätte ihr daher bewusst sein müssen, dass das Betreten des noch nassen Hausflurs gerade in jenem Bereich, in dem das Geländer fehlte, gefährlich sein werde. Es wäre daher an ihr gelegen gewesen, sich an der Wand anzuhalten oder sonst den Boden mit besonderer Sorgfalt zu betreten. Ihr falle ein gleichteiliges Mitverschulden zur Last.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein schutzwürdiges Interesse eines Gläubigers auf Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrages auch dann zu verneinen ist, wenn der Gläubiger sich gegenüber demjenigen, der den späteren Schädiger als Erfüllungsgehilfen beizog, nicht auf einen eigenen Vertrag sondern nur auf die Schutzwirkungen eines Vertrags zugunsten Dritter stützen kann.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt. Der Oberste Gerichtshof wendet die von Franz Bydlinski (Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter, JBl 1960, 359) in Österreich eingeleitete Lehre vom Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter in nunmehr ständiger Rechtsprechung an (6 Ob 250/01k; RIS-Justiz RS0020884; RS0022814; RS0023168; RS0021681). Die vertragliche Schadenersatzhaftung wird auf Dritte erstreckt, die der vertraglichen Hauptleistung nahestehen, weil sie ein Vertragspartner erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigt oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er zur Fürsorge verpflichtet ist (SZ 64/76 mwN, 6 Ob 250/01k uva; Harrer in Schwimann ABGB2 § 1295 Rz 94; Reischauer in Rummel ABGB2 § 1295 Rz 30 ff mwN). Dem Geschädigten wird das Recht zuerkannt, den eigenen Schaden aus fremdem Vertrag geltend zu machen (RIS-Justiz RS0037785). Hauptursache für die Anerkennung der Schutzwirkung von Verträgen auf dritte Nichtvertragsparteien war die Unzulänglichkeit der Deliktshaftung, insbesondere der ungenügende Schutz des § 1315 ABGB (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12, 135; 6 Ob 250/01k). Der erweiterte Schutzbereich wird mit einer objektiven ergänzenden Vertragsauslegung nach einem zu unterstellenden Vertragswillen der Parteien begründet (JBl 1997, 315), andererseits aber auch auf den jeweiligen Schutzbereich des im Gesetz geregelten Schuldverhältnisses gestützt (Koziol/Welser aaO 137 mwN; RIS-Justiz RS0020884; RS0023168; RS0037785). Der begünstige Personenkreis wird bei objektiver Auslegung des Vertrages bestimmt (4 Ob 203/00g, 6 Ob 250/01k). Der Oberste Gerichtshof hat bereits in einer Reihe von Fällen ausgesprochen, dass Werkverträge von Bauunternehmen Schutzwirkungen gegenüber Familienangehörigen und Mietern des Auftraggebers auslösen (SZ 64/76; 6 Ob 276/98a; 6 Ob 250/01k). Dass auch Familienangehörige des Mieters der vertraglichen Hauptleistung (Instandhaltung und Reinigung der Zugangsbereiche zum Mietobjekt) nahestehen und in den Schutzbereich des vom Hauseigentümer mit der Reinigungsfirma geschlossenen Werkvertrags fallen, ist nicht zweifelhaft. Um eine uferlose Ausweitung der Vertragshaftung hintanzuhalten begrenzt die Rechtsprechung jedoch den Kreis der geschützten Personen, denen statt deliktsrechtlicher auch vertragsrechtliche Schadenersatzansprüche zustehen. Voraussetzung für die Einbeziehung des (geschädigten) Gläubigers in den Schutzbereich eines Vertrags ist ein schutzwürdiges Interesse. Ein solches wird dann verneint, wenn der Gläubiger kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schädiger vertraglich als Erfüllungsgehilfen beizog, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat (JBl 1994, 331 [Karollus]; JBl 1997, 315; 4 Ob 325/98t; 1 Ob 93/00h). Dieser Auffassung ist der Senat auch in seiner Entscheidung 6 Ob 250/01k mit ausführlicher Begründung gefolgt und hat den auf vertragliche Schutzwirkungen gestützten Anspruch eines Mieters wegen eigener vertraglicher Ansprüche gegen den Hauseigentümer als Vertragspartner des damals Beklagten verneint. Steht daher dem Geschädigten ein Anspruch aus eigener vertraglicher Beziehung zum Geschäftsherrn zu, hindert dies die Geltendmachung der Vertragshaftung des Gehilfen. Der Geschädigte hat in einem solchen Fall kein schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung der Vertragshaftung des Gehilfen aus dem Institut des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte. Er muss seinen unmittelbaren Vertragspartner in Anspruch nehmen.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keinen vertraglichen Direktanspruch gegen den Geschäftsherrn des Reinigungsvertrags. Sie ist lediglich Familienangehörige seines Mieters, sodass sie eine vertragsrechtliche Haftung des Vermieters wieder nur mit der Begründung in Anspruch nehmen könnte, der mit ihrem Ehemann abgeschlossene Vertrag, wonach der Vermieter auch für einen ungefährdeten Zugang zum Mietobjekt Sorge zu tragen habe, entfalte Schutzwirkungen auch zu ihren Gunsten (zum Schutzbereich des Mietvertrags - RIS-Justiz RS020884).
Sinn der Einschränkung der Haftung des Gehilfen aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte in den geschilderten Fällen war es, den Kreis jener Personen eng zu halten, denen neben deliktsrechtlichen auch vertragsrechtliche Schadenersatzansprüche aus eigenem Vertrag zugebilligt werden. Dieses Ziel wird dann nicht erreicht, wenn dem Geschädigten - wie hier - eine vertragsrechtliche Haftung jedenfalls nur unter Inanspruchnahme des Instituts eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte zur Verfügung steht, weil er über keinen vertragsrechtlichen Direktanspruch verfügt. Das schutzwürdige Interesse des Geschädigten an der Geltendmachung vertragsrechtlicher Schadenersatzansprüche aus dem Titel eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte wird daher nur durch einen direkten vertraglichen Anspruch des Geschädigten zu einem der Vertragspartner beseitigt, nicht aber dadurch, dass der Geschädigte auch aus einem anderen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte vorgehen könnte.
Die Vorinstanzen haben daher den Schadenersatzanspruch der Klägerin zutreffend bejaht. Ob der Mieter schlechter gestellt wäre, ist hier nicht zu untersuchen, weil sein Anspruch im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen ist. Zur Pflichtverletzung selbst und zum angenommenen Mitverschuldensanteil der Klägerin von 50 % wird auf die zutreffende Begründung des berufungsgerichtlichen Urteils verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Für die Annahme eines überwiegenden Verschuldens der Klägerin besteht nach den Feststellungen kein Anlass. Der Revision der Beklagten wird nicht Folge gegeben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
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