OGH 6Ob101/01y (6Ob172/01i)

OGH6Ob101/01y (6Ob172/01i)5.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der Josef G***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in *****, über die außerordentlichen Revisionsrekurse der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer Josef G*****, Herta G*****, und Josef G*****, und Anton G*****, alle vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht

a) vom 2. November 2000, GZ 4 R 179/00a-7, und b) vom 20. Februar 2001, GZ 4 R 26/01b-30, mit denen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Handelsgericht zu a) vom 11. August 2000, GZ 27 Fr 6799/00z-1, und zu b) vom 18. Jänner 2001, GZ 27 Fr 7852/99x-27, bestätigt und die Anträge der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer, ein Normprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten und den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art 234 EG-V anzurufen, zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Die Anträge der Revisionsrekurswerber auf

a) Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art 234 EG durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften,

b) Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof,

c) auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über ein Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichtes Wels

werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat in einer Reihe von Entscheidungen aus jüngster Zeit, so auch in seinem Beschluss vom 28. 6. 2000, 6 Ob 126/00y, in diesem Zwangsstrafenverfahren die handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen geprüft und ist zur Auffassung gelangt, dass die Durchsetzung verfassungskonform ist und dem Gemeinschaftsrecht entspricht (6 Ob 307/99m = RdW 2000/250, 283; 6 Ob 5/00d; 6 Ob 14/00b; 6 Ob 77/00t; 6 Ob 54/01m). Die Richtlinien sind auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als grundrechtskonform anzusehen. Unter Hinweis auf die erst nach der Erlassung der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG ergangenen Entscheidung EuGHSlg 1997 I-6843 - "Daihatsu" hat der Senat bereits die Auffassung vertreten, diese Entscheidung lasse keinen Zweifel darüber offen, dass der Europäische Gerichtshof die in den genannten Richtlinien normierten Offenlegungspflichten als vertrags- und grundrechtskonform ansehe (6 Ob 307/99m = RdW 2000/250, 283). Die Ausführungen des Revisionsrekurses vermögen keine Zweifel an dieser (auch in den Folgeentscheidungen 6 Ob 5/00d, 6 Ob 14/00b, 6 Ob 77/00t, 6 Ob 126/00y und 6 Ob 54/01m mehrmals vertretenen Ansicht) hervorzurufen. Es scheint undenkbar, dass der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung "Daihatsu" einem Mitgliedsstaat die Umsetzung von Richtlinien aufträgt, ohne ihre Übereinstimmung mit den Grundrechten der EMRK und den Grundwerten der Europäischen Gemeinschaft geprüft zu haben (6 Ob 54/01m; vgl in diesem Sinn Gruber, Neues zur Bilanzpublizität, WBl 2000, 251) und ohne eine allfällige Derogation durch nachfolgende Richtlinien zu berücksichtigen. In diesem Sinn wird auch in der deutschen Lehre (De Weerth, Europarechtliche Sanktionierung der unterlassenen Offenlegung des Jahresabschlusses? in BB 1998, 366 ff) die Auffassung vertreten, im Verfahren "Daihatsu" sei klar gewesen, dass die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundlagen den Erlass der Richtlinien decke und der Publizitätszwang nicht gegen gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundsätze verstoße. Davon gehe auch der EuGH in seiner bisherigen - dort näher zitierten - Rechtsprechung aus; er habe sogar die systematische Sammlung von Daten aus den zu veröffentlichenden Jahresabschlüssen als nicht gegen gemeinschaftsrechtliche Grundrechte verstoßend angesehen.

Angesichts der Verschiedenartigkeit der Materien vermag weder der Hinweis der Revisionsrekurse auf die Offenlegungspflichten für öffentliche Gehälter nach dem Bezügebegrenzungsgesetz und einem dazu vom Verfassungsgerichtshof eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren über die Vereinbarkeit des Gesetzes mit dem Datenschutz noch der Hinweis auf die einschränkend gestaltete Einsicht in die personenbezogene Abfrage von Grundstücksdaten an der Beurteilung des Senats etwas zu ändern. In seiner genannten Vorentscheidung 6 Ob 126/00y in diesem Zwangsstrafenverfahren wurde auch bereits ausgeführt, dass weder die Datenschutzrichtlinie noch die Telekommunikationsrichtlinie zu den Zielsetzungen der Bilanz- und der Publizitätsrichtlinie in Widerspruch stehen. Es wurde auch bereits eingehend dargelegt (6 Ob 77/00t), dass der Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten (wozu auch wirtschaftsbezogene Informationen gehören) in jedem Fall ein schutzwürdiges Interesse voraussetzt und Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruchs demgegenüber aus den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen (so auch zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, wie auch zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen) zulässig sind und dies gerade hier der Fall ist, weil die gesetzliche Regelung der Offenlegungspflicht ausschließlich dem Schutz der Rechte Dritter dient, um ihnen die in aller Regel sonst nicht zugängliche Information über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu ermöglichen. Dass der europäische Gesetzgeber wie auch der EuGH im Zusammenhang mit anderen Regelungsmaterien um die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen bemüht ist, vermag an der Zulässigkeit von Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruches durch die Offenlegungsvorschriften der ersten und vierten Richtlinie aus den diesen Richtlinien zu entnehmenden Erwägungen (Information Dritter, die die finanzielle Situation der Kapitalgesellschaft nicht hinreichend kennen oder kennen können) nichts zu ändern.

Das vom Landesgericht Wels an den EuGH gerichtete Vorabentscheidungsersuchen hindert nur die Sachentscheidung des anfragenden Gerichts (§ 90a GOG), bildet jedoch für das vorliegende Zwangsstrafenverfahren weder einen Unterbrechungsgrund noch einen Anlass, nunmehr entgegen der bisherigen Rechtsprechung von einer Vorlagepflicht im Sinn des Art 234 EG auszugehen (6 Ob 305/00x und 306/00v = RdW 2001/372, 338; 6 Ob 54/01m). Die von P. Burgstaller dazu geäußerten Bedenken (RdW 2001, 327) sind nicht überzeugend. Seine Auffassung führte dazu, schon der Anfrage eines nationalen Gerichts die Präjudiz- und Bindungswirkung zuzuerkennen, die erst der Entscheidung des EuGH zukommt (vgl auch Zehetner, ecolex 2001, 455).

Die Vorinstanzen haben die Anregungen der Rekurswerber auf Einleitung eines Normprüfungsverfahrens beim VfGH und eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH im Einklang mit der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Offenlegung der Kapitalgesellschaften zu Recht nicht aufgegriffen. Der Revisionsrekurs vermag keine Umstände darzutun, die eine Änderung dieser Rechtsprechung rechtfertigen könnten. Die neben dem Rekursantrag wiederholt gestellten Anregungen werden nicht aufgegriffen. Die insoweit im Revisionsrekurs gestellten formellen Anträge werden zurückgewiesen, weil dem Rekurswerber insoweit kein Antragsrecht zusteht (stRspr 6 Ob 126/00y, 6 Ob 54/01m).

Die Frage der Verhältnismäßigkeit der vom Erstgericht in seinem Beschluss vom 18. 1. 2001, GZ 27 Fr 7852/99x-27, verhängten Zwangsstrafen von je 50.000 S ist hier nicht zu erörtern, weil der Revisionsrekurs eine Unverhältnismäßigkeit der Erhöhung nicht mehr releviert, vielmehr zur Strafbemessung überhaupt keine Ausführungen enthält und daher auch insoweit eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG nicht aufzeigt.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 16 Abs 4 AußStrG).

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