OGH 5Ob64/20b

OGH5Ob64/20b22.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Z*, vertreten durch Mag. Hans Sandrini, Mietervereinigung Österreichs, *, gegen die Antragsgegner 1. Verlassenschaft nach Dipl‑Ing. L*, 2. Mag. S*, 3. Mag. J*, vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 16 Abs 2 iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. September 2019, GZ 38 R 160/19i‑94, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128612

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG ist die Vereinbarung zwischen dem Vermieter und dem Mieter über die Höhe des Hauptmietzinses für einen in Hauptmiete gemieteten Mietgegenstand unter anderem dann ohne die Beschränkungen der Abs 2 bis 5 leg cit bis zu dem für den Mietgegenstand im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag zulässig, wenn der Mietgegenstand nicht zu Wohnzwecken dient; wird ein Mietgegenstand aber teils als Wohnung, teils als Geschäftsräumlichkeit verwendet, so darf nur der für Wohnungen zulässige Hauptmietzins angerechnet werden, es sei denn, dass die Verwendung zu Geschäftszwecken die Verwendung zu Wohnzwecken bedeutend überwiegt.

1.2 Mit Vertrag vom 8. 6. 2011 mietete die Antragstellerin für die Dauer von sieben Jahren das Objekt Top 16, das aus einem Vorzimmer, Bad, WC, Küche und zwei Zimmer besteht und eine Nutzfläche von 66 m² aufweist. Sie wollte die Wohnung als Musikagentin auch zu geschäftlichen Zwecken benutzen, weswegen in einem Nachtrag zum Mietvertrag festgehalten wurde, dass „die Wohnung Nr. 16 überwiegend zu Wohnzwecken zu verwenden ist, es wird jedoch gestattet, ca. 23 m² geschäftlich zu nutzen und zwar in einer Art und Weise, die mit dem Wohnzweck zu vereinbaren ist“. Zur Ausübung ihrer geschäftlichen Tätigkeit diente der Antragstellerin das Wohnzimmer gleichzeitig auch als Büro.

1.3 Unter Berufung auf diese Vertragsbestimmung meinen die Antragsgegner, es entspreche dem Parteiwillen, eine Aufspaltung des Mietzinses dergestalt vorzunehmen, dass für den als Geschäftsraum genutzten Teil der Wohnung der angemessene Mietzins und im Übrigen der Richtwertmietzins zum Tragen komme. Damit ignorieren sie aber nicht nur den der vertraglichen Vereinbarung zugrunde liegenden Parteiwillen (vgl dazu RIS-Justiz RS0070039 [T3]), der eine Widmung von Teilen des Objekts ausschließlich zur geschäftlichen Nutzung nicht erkennen lässt, sondern setzen sich auch über den klaren Wortlaut des Gesetzes hinweg und vermögen schon deshalb keine Fehlbeurteilung des Rekursgerichts aufzuzeigen. Dass bei einer Nutzung des 23m² großen Wohnzimmers auch zu Geschäftszwecken das vom Gesetz geforderte deutliche Überwiegen einer solchen Nutzung fehlt, stellen sie in ihrem Rechtsmittel zu Recht nicht mehr in Frage. Entgegen ihrer Ansicht greift damit auch die Rügeobliegenheit nach § 16 Abs 1 Z 1 letzter Halbsatz MRG nicht, sodass es insoweit auch keiner weiteren Feststellungen bedurfte.

2. Die Frage, ob und in welcher Höhe Zu- und Abschläge vom bzw zum Richtwert gerechtfertigt sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich deshalb grundsätzlich einer Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof (RS0116132 [T2]; RS0117881 [T1]). Die Auflistung und Bewertung einzelner Fakten kann dabei nur ein Kontrollinstrument sein, während die Justierung im Einzelfall nach richterlichem Ermessen zu erfolgen hat, weil es mit der in § 16 Abs 2 MRG geforderten Orientierung an der allgemeinen Verkehrsauffassung und Erfahrung des täglichen Lebens unvereinbar ist, alle Ausstattungsdetails gesondert zu bewerten und die so gewonnenen Zuschläge einfach zusammenzuzählen. Geboten ist daher immer eine Gesamtschau (RS0117881). Die Revisionsrekurswerber beschränken sich in ihrem Rechtsmittel auf die Wiedergabe allgemeiner Rechtsprechungsgrundsätze und zeigen damit keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht auf. Ein gravierender Fehler bei der Anwendung des richterlichen Ermessens wird von den Antragsgegnern auch nicht dadurch konkret angesprochen, dass sie pauschal und völlig undifferenziert auf das Ergebnis des Sachverständigengutachtens verweisen und offenbar davon ausgehen, dem Rekursgericht wäre die rechtliche Prüfung der in diesem als Zu- oder Abschläge aufgelisteten Umstände verwehrt gewesen. Warum ein Verstoß des Rekursgerichts gegen das Neuerungsverbot vorliegen soll, wenn dieses die Rechtsrüge der Antragstellerin inhaltlich erledigte, obwohl sie eine Erörterung des Gutachtens in erster Instanz nicht begehrt hatte, kann nicht nachvollzogen werden.

3.1 Verstöße gegen die im Mietrechtsgesetz normierten Mietzinsobergrenzen sind nach § 16 Abs 8 MRG mit Teilnichtigkeit bedroht, die die übrigen Vertragsbestimmungen grundsätzlich unberührt lässt. Der Wortlaut des § 37 Abs 1 Z 8 MRG gestattet dazu eine Vielzahl an Antragsmöglichkeiten (vgl Klicka in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 37 MRG Rz 35; Kulhanek in GeKo Wohnrecht I § 37 MRG Rz 58). Jedenfalls muss die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung geltend gemacht werden, um die Hemmungswirkung des § 27 Abs 3 MRG zu erreichen (RS0115309).

3.2 Die Revisionsrekurswerber bezweifeln nicht, dass die Antragstellerin die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung und damit deren Teilnichtigkeit geltend gemacht hat. Das Rekursgericht hat die Teilnichtigkeit der Vereinbarung und die Feststellung der zulässigen Mietzinshöhe auch gegenüber der Zweitantragsgegnerin, die nach dem Tod des Fruchtgenussberechtigten am 3. 5. 2017 in das bis 30. 6. 2018 laufende Vertragsverhältnis ex lege eingetreten war, ausgesprochen. Am Feststellungsinteresse der Antragstellerin im Verhältnis auch zur Zweitantragstellerin als Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs (RS0039123 [T17]) besteht in Anbetracht des fortdauernden Vertragsverhältnisses kein Zweifel. Gegenteiliges wird im Revisionsrekurs auch nicht behauptet. Die Feststellung der Beträge, durch deren Vorschreibung und Einhebung gegenüber der Antragstellerin das gesetzlich zulässige Zinsausmaß bis 31. 7. 2016 überschritten worden ist, erfolgte demgegenüber ohnedies nur im Verhältnis zur Verlassenschaft nach dem Fruchtgenussberechtigten und dem Drittantragsgegner als weiteren Mitvermieter. Mit den ausschließlich auf die Beurteilung der Kostenfrage abzielenden Ausführungen zur Passivlegitimation der Zweitantragsstellerin im Revisionsrekurs wird daher ebenfalls keine im Einzelfall aufzugreifende unrichtige Lösung einer Rechtsfrage durch das Rekursgericht angesprochen.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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