OGH 5Ob62/11w

OGH5Ob62/11w27.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl R*****, vertreten durch Hämmerle & Hübner Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, gegen die beklagte Partei K***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Ullmann-Geiler und Partner (GbR), Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 160.187,57 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. Februar 2011, GZ 2 R 14/11t-20, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Zur außerordentlichen Revision des Klägers:

Grundsätzlich ist jedermann berechtigt, sich zur Durchsetzung eigener oder zur Abwehr fremder Ansprüche in einen Rechtsstreit einzulassen, weshalb eine über die Kostenersatzpflicht hinausgehende Verpflichtung zum Ersatz der durch die Prozessführung verursachten Schäden nur dann in Betracht zu ziehen ist, wenn der im Verfahren Unterlegene wusste oder wenigstens wissen musste, dass sein Rechtsstandpunkt entweder der tatsächlichen Voraussetzungen entbehrt oder schon an sich unhaltbar ist (RIS-Justiz RS0022777), sodass sein gegenteiliger Standpunkt bei zumutbarer Aufmerksamkeit als schlechthin aussichtslos erscheinen muss oder er den Prozess gar überhaupt wider besseres Wissen oder mutwillig geführt hat (vgl RIS-Justiz RS0022840; RS0022827). Zwar kann auch fahrlässiges Verhalten schadenersatzpflichtig machen, doch gilt dies für verfahrensrechtliche Handlungen im Gegensatz zu sonstigen Schädigungen mit der Einschränkung, dass eine Schadenersatzpflicht erst dann ausgelöst wird, wenn der eingenommene Prozessstandpunkt nicht nur für zweifelhaft, sondern sogar für aussichtslos gehalten werden muss (RIS-Justiz RS0022840 [T15]).

Die Beurteilung der Erkennbarkeit der Aussichtslosigkeit eines Prozessstandpunkts bzw einer Verfahrensführung ist hiebei derart eng mit den Umständen des jeweiligen Einzelfalls verknüpft, dass eine Revisibilität solcher Fragen nur bei krasser Fehlbeurteilung in Betracht kommt. Allein der Umstand, dass im vorliegenden Rechtsfall Prozesschancen in einem Streit zwischen dem Produzenten eines Werkstoffs, dem „Vertragsverleger“ desselben und dem Endkunden maßgeblich sind, begründet für sich noch keine erhebliche Rechtsfrage. Dass der Beklagte als Produzent dieses Werkstoffs aufgrund des Gutachtens eines renommierten Prüfinstituts wusste, dass die Langzeitbeständigkeit seines Abdichtungssystem „fraglich“ war, was jedoch nicht auch für das Material selbst galt, hat das Berufungsgericht als nicht ausreichend erachtet, um eine Aussichtslosigkeit seiner Prozessführung als beigetretener Nebenintervenient auf Seiten des „Vertragsverlegers“ zu bejahen, der sich einem Schadenersatzanspruch widersetzte. Darin liegt jedenfalls im besonderen Einzelfall keine Fehlbeurteilung, die vom Höchstgericht zu korrigieren wäre.

2.) Zur außerordentlichen Revision des Beklagten:

Auch die Frage, wann eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (und demnach zur Vermeidung der Verjährung auch erhoben werden muss), hängt ebenfalls von den Umständen des Einzelfalls ab und bildet daher - von einer auffallenden Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts abgesehen - grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage (10 Ob 111/07g; 2 Ob 158/09p; RIS-Justiz RS0034524 [T23]).

Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung wird die Verjährungsfrist erst dann in Gang gesetzt, wenn die Kenntnis des Geschädigten vom Schadenseintritt, der Person des Schädigers und dem Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und der schadensstiftenden Ursache einen solchen Grad erreicht, dass mit Aussicht auf Erfolg geklagt werden kann (vgl RIS-Justiz RS0034524; RS0034387; RS0034366).

Das Berufungsgericht hat die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens, das zwar als Hauptursache der aufgetretenen Mängel einen bestimmten Umstand feststellte, daneben jedoch weitere (Mit-)Ursachen nannte, im Wesentlichen deshalb nicht für den Verjährungsbeginn für ausreichend erachtet, weil sich dieses Gutachten zwar auf ein Vorgutachten berief, in welchem allerdings nebeneinander mehrere Schadensursachen festgestellt worden waren. Dem ist hinzuzufügen, dass es im zu beurteilenden Schadensfall nicht nur um das von der Beklagten erzeugte Verbundsystem, sondern auch um die Frage der Ordnungsgemäßheit der von einem Dritten vorgenommenen Ausführungsarbeiten ging. In Anbetracht dessen stellt die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger sei nicht schon durch die Gutachtenserstattung vom 17. 9./2. 10. 1997 in einem derartigen Grad über die Person des Schädigers und den Ursachenzusammenhang informiert gewesen, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen hätte können, jedenfalls keine Fehlbeurteilung dar, die im Sinn der Rechtssicherheit korrekturbedürftig wäre.

Beide Revisionen sind daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte