OGH 10Ob111/07g

OGH10Ob111/07g18.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Grogger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** B***** mbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen restlich EUR 24.295,85 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12. September 2007, GZ 13 R 121/07w-61, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Zeitpunkt des Verjährungsbeginnes dann gegeben, wenn der Sachverhalt dem Geschädigten soweit bekannt ist, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg angestrengt werden kann. Die Kenntnisnahme muss den ganzen, den Anspruch begründenden Sachverhalt umfassen. Es darf mit der Klagserhebung allerdings nicht solange zugewartet werden, bis Gewissheit über den Prozessgewinn besteht. Zweifel an der Erweisbarkeit des bekannten anspruchsbegründenden Sachverhaltes schieben daher den Verjährungsbeginn nicht hinaus. Besteht allerdings Ungewissheit darüber, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist und ist über diese Frage ein Rechtsstreit anhängig, kommt es auf die Rechtskraft der Gerichtsentscheidung bzw den Ausgang eines Verwaltungsverfahrens an, weil erst dann ausreichend sichere Informationen für eine Schadenersatzklage verfügbar sind; eine ausreichende Kenntnis vom Schaden kann allerdings im Einzelfall auch gegeben sein, wenn bereits vorher gesicherte Verfahrensergebnisse vorliegen oder der Geschädigte erdrückende Beweise ignoriert. Das Wissen um die Schadenshöhe ist grundsätzlich nicht erforderlich, weil der Verjährung durch Feststellungsklage begegnet werden kann (Mader/Janisch in Schwimann, ABGB3 § 1489 Rz 9; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1489 Rz 3 jeweils mwN). Die Beantwortung der Frage, wann eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und entfaltet daher in der Regel keine darüber hinausgehende Bedeutung (10 Ob 189/02w, 2 Ob 188/00m mwN ua). Nach ständiger Rechtsprechung ist in einem solchen Fall nur dann eine erhebliche Rechtsfrage zu bejahen, wenn eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die zu einem unvertretbaren Ergebnis führt (10 Ob 189/02w mwN).

Der Kläger hat sein Schadenersatzbegehren im Wesentlichen damit begründet, die beklagte Baugesellschaft habe unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt die Einfriedung für das Nachbargrundstück zum Teil auf seiner Liegenschaft errichtet und dadurch sein Eigentumsrecht verletzt. Er sei deshalb zu einer Umplanung einer von ihm auf seiner Liegenschaft projektierten Tiefgarage gezwungen gewesen, wofür zusätzliche Kosten für die Beiziehung eines Architekturbüros von EUR 1.308 und eines Rechtsanwaltes von EUR 3.987,95 entstanden seien. Weiters sei durch die Vorgangsweise der beklagten Baugesellschaft ein zur Vermietung bestimmter Autoabstellplatz verloren gegangen, wodurch ihm ein weiterer Schaden von EUR 22.000 entstanden sei.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen aufgrund des eigenen Prozessvorbringens des Klägers im gegenständlichen Verfahren sowie in einem von den Liegenschaftsnachbarn gegen ihn als Beklagten vor dem Bezirksgericht Döbling geführten Rechtsstreit und der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nachvollziehbar begründet, dass der Kläger bereits im Jahr 1999, spätestens aber im Zeitpunkt seines Prozessvorbringens in diesem vor dem Bezirksgericht Döbling geführten Rechtsstreit am 1. 9. 2000, ausreichende Kenntnis vom Eintritt des Schadens und von der beklagten Partei als Ersatzpflichtige gehabt habe. So habe der Kläger bereits Ende Juni 1999 im Zuge der Aushubarbeiten für die geplante Garage Kenntnis davon erhalten, dass die Einfriedungsmauer zum Teil auf seiner Liegenschaft stehe. Am 23. 6. 1999 habe er sich in dieser Angelegenheit an seinen Rechtsanwalt gewandt. Am 5. 7. 1999 habe er das Ergebnis einer von ihm veranlassten Überprüfung des tatsächlichen Grenzverlaufes durch ein Vermessungsbüro erhalten, woraus sich in Übereinstimmung mit bereits in den Jahren 1977, 1994 und 1997 durchgeführten Vermessungen ergeben habe, dass die beklagte Partei die Einfriedungsmauer zum Teil auf der Liegenschaft des Klägers errichtet habe. Dieses Ergebnis sei in der Folge auch durch die fotogrammetrische Auswertung von im Luftbildarchiv des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen aufgefundenen Luftbildern bestätigt worden. Alle diese Umstände habe der Kläger am 1. 9. 2000 in einem zwischen ihm und den Eigentümern der Nachbarliegenschaft vor dem Bezirksgericht Döbling anhängig gewesenen Rechtsstreit selbst vorgebracht. Der Kläger habe somit zu diesem Zeitpunkt ausreichend Kenntnis über die - auch hier behauptete - Grenzverletzung gehabt, um sie zum Gegenstand einer Prozessbehauptung in einem gerichtlichen Verfahren zu machen. Ihm sei mit dieser Feststellung der Grenzverletzung durch den Bau der Einfriedungsmauer auf seiner Liegenschaft aber auch der Eintritt eines Schadens dem Grunde nach bekannt gewesen, zumal er bereits in einem Schreiben vom 29. 6. 1999 mit den nunmehr geltend gemachten Schäden (Kosten für die Umplanung, Verlust eines Garagenplatzes) gerechnet habe und ihm die ebenfalls entstandenen Kosten für die Beratung durch seinen Rechtsanwalt im August 1999 sogar auch der Höhe nach bereits bekannt gewesen seien. Die vom Kläger mit seiner am 26. 9. 2003 beim Erstgericht eingelangten Klage geltend gemachte Schadenersatzforderung sei daher verjährt.

Dem Einwand des Klägers, er habe erst durch das im Verfahren vor dem Bezirksgericht Döbling eingeholte und seinem Rechtsvertreter am 11. 3. 2002 zugestellte Gutachten des DI Hans P***** „Klarheit" über die Grenzverletzung durch die Errichtung der Einfriedungsmauer erlangt, hielt das Berufungsgericht entgegen, dass eine endgültige Sicherheit über den Erfolg einer allfälligen Schadenersatzklage des Klägers gegen die beklagte Baugesellschaft durch die Vorlage dieses gerichtlichen Sachverständigengutachtens für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist nicht erforderlich gewesen sei. Der Kläger macht in seiner Zulassungsbeschwerde nunmehr geltend, seine Liegenschaftsnachbarn hätten in dem vor dem Bezirksgericht Döbling anhängig gewesenen Rechtsstreit unter anderem einen Eigentumserwerb an den streitgegenständlichen Grundflächen durch Ersitzung behauptet. Da sein Eigentumsrecht an diesen Grundflächen Voraussetzung für seine Schadenersatzforderung sei, habe er erst durch die rechtskräftige Entscheidung in diesem Rechtsstreit über ausreichend sichere Informationen für seine Schadenersatzklage verfügt. Es sei dem Geschädigten daher in einem solchen Fall zuzubilligen, den Ausgang eines Verfahrens abzuwarten, um die Ungewissheit darüber zu beseitigen, ob überhaupt ein ersatzfähiger Schaden entstanden sei.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass nach der bereits zitierten Rechtsprechung der Geschädigte mit seiner Schadenersatzklage nicht solange zuwarten darf, bis er sich seines Prozesserfolges gewiss ist oder glaubt, es zu sein. Nur wenn Ungewissheit darüber besteht, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist und hierüber ein Rechtsstreit anhängig ist, wird dem Geschädigten in der Regel zugebilligt, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, weil er erst dann über ausreichend sichere Informationen für seine Schadenersatzklage verfügt. Im vorliegenden Fall war die Frage des Eintrittes eines Schadens beim Kläger durch die Bauführung der beklagten Partei jedoch nicht strittig und es war diese Frage auch nicht Gegenstand des beim Bezirksgericht Döbling geführten Rechtsstreites. In der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die in diesem Verfahren vor dem Bezirksgericht Döbling behandelte Frage des Grenzverlaufes sei für den Kläger aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen und Erkenntnisse bereits im Jahr 1999, spätestens aber im Hinblick auf sein eigenes Prozessvorbringen im Verfahren vor dem Bezirksgericht Döbling am 1. 9. 2000, soweit geklärt gewesen, dass er in der Lage gewesen sei, seine Schadenersatzforderung gegen die beklagte Partei mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich geltend zu machen, kann keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden. Die wegen Verjährung erfolgte Abweisung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht ist daher - auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Verjährungsfrage - durchaus vertretbar. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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