OGH 5Ob60/16h

OGH5Ob60/16h25.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Schuchlenz, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die Antragsgegner 1. W***** GmbH, *****, 2. Dr. H***** H*****, 3. Dr. H***** P*****, 4. Dr. H***** F*****, 5. Dr. A***** F*****, 6. Mag. G***** G*****, 7. M***** M*****, 8. Dr. W***** N*****, 9. M***** Z*****, 10. Mag. H***** W*****, 11. Dr. H***** W*****, 12. H***** P*****, 13. M***** G*****, 14. I***** OG, *****, 14. Antragsgegnerin vertreten durch Mag. Astrid Roblyek, Rechtsanwältin in Klagenfurt am Wörthersee, wegen § 52 Abs 1 Z 4 WEG iVm § 24 Abs 6 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 21. Jänner 2016, GZ 3 R 186/15k‑15, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11. Februar 2015, GZ 3 R 186/15k‑16, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 16. Oktober 2015, GZ 6 Msch 2/15k‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00060.16H.0825.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin ist schuldig, der Vierzehntantragsgegnerin die mit 587,88 EUR (darin enthalten 97,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin ist Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 488 KG *****. Mit 30/10.000 Miteigentumsanteilen ist Wohnungseigentum an einer Tiefgarage verbunden. Mit weiteren 27/10.000 Anteilen ist Wohnungseigentum an einer Garage verbunden. Sie erwarb ihre Miteigentumsanteile mit Kaufvertrag vom 12. 1. 1978.

Die Erst‑ bis Dreizehntantragsgegner sind die übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 488; die Vierzehntantragsgegnerin ist deren Verwalterin.

Das Bauwerk Tiefgarage erstreckt sich sowohl über die Liegenschaften EZ 488 als auch die Nachbarliegenschaft EZ 762 und ist derart angelegt, dass 11 Abstellplätze auf dem zur Liegenschaft EZ 488 gehörenden Grundstück 947/137 und 12 Abstellplätze auf dem Grundstück 947/110, das zur Liegenschaft EZ 762 gehört, liegen. Die Zufahrt zur Tiefgarage erfolgt über das Grundstück 947/137 der EZ 488.

Ob der Liegenschaft EZ 762 KG ***** ist ebenfalls Wohnungseigentum begründet. Eine Familienprivatstiftung ist mit 448/10.000 Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 762 KG *****. Mit diesen Miteigentumsanteilen ist nach dem Grundbuch Wohnungseigentum an der sich über beide Liegenschaften erstreckenden Tiefgarage verbunden.

Die Tiefgarage befindet sich seit Jahren in einem desolaten und sanierungsbedürftigen Zustand; es dringt Wasser durch das Mauerwerk ein. Streitpunkt unter den Miteigentümern beider Liegenschaften ist, wer für die anstehende Sanierung der Tiefgarage zuständig sei, wobei seitens der Miteigentümer der Liegenschaft EZ 488 und auch jener der Liegenschaft EZ 762 mehrheitlich die Meinung vertreten wird, dass dies Angelegenheit der Antragstellerin bzw – in Bezug auf die EZ 762 – der Familienprivatstiftung sei.

Die Vierzehntantragsgegnerin verwaltet beide Liegenschaften. Über ihre Initiative fassten die Eigentümer der EZ 488 in der Versammlung vom 26. 3. 2015 mit einer Mehrheit der Miteigentümer von 68,34 % einen Beschluss mit dem Wortlaut: „Die anwesenden Eigentümer stimmen bis auf Weiteres dafür, dass die Hausverwaltung die Tiefgarage nicht sanieren soll und somit aus der Haftung ist.“

Mit ihrem verfahrenseinleitenden Schriftsatz begehrte die Antragstellerin gestützt auf § 24 Abs 6 WEG, die gerichtliche Feststellung der Rechtsunwirksamkeit dieses Beschlusses wegen Gesetzwidrigkeit, weil die Erhaltung von allgemeinen Teilen der Liegenschaft, sohin auch der allgemeinen Teile jenes Gebäudes, in dem sich ihr Wohnungseigentumsobjekt befinde, der Eigentümer‑gemeinschaft zufalle. Diese könne nicht beschließen, einen Teil des Objekts nicht mehr zu erhalten und damit zulasten der Antragstellerin dem Verfall preiszugeben. Die Verwaltung sei verpflichtet, gemäß § 20 Abs 1 WEG die gemeinschaftsbezogenen Interessen aller Wohnungseigentümer zu wahren.

Das Erstgericht verneinte mit dem Hinweis auf die der Antragstellerin zustehenden Minderheitsrechte gemäß § 30 WEG einen Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorschriften und wies den Antrag ab.

Das Rekursgericht billigte die vom Erstgericht vertretene Rechtsauffassung und gab dem Rechtsmittel der Antragstellerin nicht Folge. Die behauptete Gesetzwidrigkeit liege schon deshalb nicht vor, weil nach den festgestellten Tatsachen derzeit keine Gefahr in Verzug, also keine Gefahr für Leib und Leben gegeben sei. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG vorliege.

Dagegen richtete sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Begehren, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass ihrem Antrag stattgegeben werde; in eventu stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Vierzehntantragsgegnerin begehrt, dass dem Rechtsmittel der Antragstellerin nicht Folge gegeben werde.

Die übrigen Antragsgegner beteiligten sich nicht am Verfahren.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, weil die Vorinstanzen zwingende Grundsätze der Wohnungseigentumsbegründung nicht beachtet haben. Er ist im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Der Verwalter ist nach § 20 Abs 1 Satz 1 WEG verpflichtet, die gemeinschaftsbezogenen Interessen aller Wohnungseigentümer (vgl RIS‑Justiz RS0117890) zu wahren. Er hat Weisungen der Mehrheit der Wohnungseigentümer zu befolgen, soweit diese nicht gesetzwidrig sind (§ 20 Abs 1 Satz 1 WEG; RIS‑Justiz RS0083550).

1.2 Die Erteilung der Weisung setzt einen entsprechenden Beschluss voraus, der von der Mehrheit der Miteigentümer in einer Eigentümerversammlung oder im Umlaufweg (§ 24 Abs 1 WEG) gefasst wird (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 20 WEG Rz 17 mwN; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht24 § 20 WEG Rz 6).

1.3 Gemäß § 24 Abs 6 WEG kann jeder Wohnungseigentümer innerhalb eines Monats ab Anschlag eines Beschlusses der Miteigentümer mit einem gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richtenden Antrag verlangen, dass die Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses wegen formeller Mängel, Gesetzwidrigkeit oder Fehlens der erforderlichen Mehrheit gerichtlich festgestellt wird.

1.4 In ihrem verfahrenseinleitenden Schriftsatz macht die Antragstellerin unter Berufung auf § 24 Abs 6 WEG die Gesetzwidrigkeit der mit Beschluss vom 26. 3. 2015 der Vierzehntantragsgegnerin erteilten Weisung geltend. Der Verfahrensgegenstand betrifft damit unmittelbar deren Verhalten als Verwalterin. In einem solchen Fall kommt auch dem Verwalter Parteistellung zu (§ 52 Abs 2 Z 1 WEG).

2. In einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 4 iVm § 24 Abs 6 WEG ist über die Rechtswirksamkeit von Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft zu erkennen. Diese wird von den Wohnungseigentümern einer bestimmten Liegenschaft zum Zwecke der Verwaltung gebildet (§ 2 Abs 5 WEG). Die Zuständigkeit des Außerstreitgerichts nach § 52 Abs 1 Z 4 WEG liegt daher nur vor, wenn ein Beschluss als Ausdruck der Willensbildung der Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft zu beurteilen ist.

3. Die Wohnungseigentumsbegründung erfolgte nach der Aktenlage im Jahr 1978 und damit im zeitlichen Geltungsbereich des WEG 1975. Die Antragstellerin hat ihre Miteigentumsanteile mit Kaufvertrag vom 12. 1. 1978 erworben.

3.1 Nach dem WEG 1975 konnte an Abstellplätzen für Kraftfahrzeuge – abgesehen von jenen in Parkhäusern – Wohnungseigentum (nur) insoweit begründet werden, als es sich entweder um „selbstständige in sich geschlossene Räume zur Einstellung von Kraftfahrzeugen“ (§ 1 Abs 1 Satz 2 WEG 1975) oder um „mit selbstständigen Wohnungen oder sonstigen selbstständigen Räumlichkeiten“ als Zubehör verbundene „Abstellplätze für höchstens zwei Kraftfahrzeuge je selbstständige Wohnung oder sonstige selbstständige Räumlichkeit der Liegenschaft“ handelt (§ 1 Abs 2 WEG 1975; vgl RIS-Justiz RS0082853).

3.2 War vor dem 1. 7. 2002 selbstständiges Wohnungseigentum entgegen der Bestimmung des § 1 Abs 2 WEG 1975 an einem Abstellplatz für Kraftfahrzeuge begründet worden, so gilt dieses nach dem 30. Juni 2002 gemäß § 56 Abs 2 WEG 2002 als wirksam begründet, sofern die Wohnungseigentumsbegründung nach der Rechtslage nach dem WEG 2002 gültig wäre.

4. Eine nach diesen Bestimmungen wirksame Wohnungseigentumsbegründung liegt hier nicht vor:

4.1 Bereits das WEG 1975 hat das Wohnungseigentum als das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen, definiert (§ 1 Abs 1 WEG 1975). Das mit 1. 7. 2002 in Kraft getretene WEG 2002 hat diese Definition beibehalten (§ 2 Abs 1 WEG 2002).

4.2 Als dingliches Recht stellt das Wohnungseigentum auf das Miteigentum an einer einzelnen Liegenschaft ab. Unter Liegenschaft ist stets ein gesamter, einheitlicher Grundbuchskörper (vgl § 3 GBG) zu verstehen (RIS-Justiz RS0082865; zum WEG 1975: Faistenberger/Barta/Call, Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz 1975 § 1 Rz 11; zum WEG 2002: T. Hausmann aaO § 2 WEG Rz 5; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 2 WEG Rz 4). Das Wohnungseigentumsobjekt muss sich daher zur Gänze auf ein und der selben Liegenschaft befinden. Ein „grenzüberschreitendes Wohnungseigentum“ war nach dem WEG 1975 und ist auch unter dem Regime des WEG 2002 nicht möglich (5 Ob 41/94; 5 Ob 52/14d; RIS‑Justiz RS0060192; T. Hausmann aaO § 2 WEG Rz 5; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 2 WEG Rz 4). Eine Garage, soll sie ein wohnungseigentumstaugliches Objekt darstellen, muss daher innerhalb der Grundstücksgrenzen baulich abgetrennt sein. Auch die seit dem WEG 2002 (§ 13 WEG 2002) mögliche Begründung von Wohnungseigentum für die Eigentümerpartnerschaft setzt voraus, dass diese Eigentümer je eines halben Miteigentumsanteils sind und damit Miteigentum am selben Grundbuchskörper haben.

4.3 Nach den auf dem Grundbuchsstand basierenden Feststellungen der Vorinstanzen erstreckt sich die Tiefgarage über zwei selbstständige Grundbuchskörper, ohne dass eine bauliche Abtrennung innerhalb der Grundstücksgrenzen vorhanden wäre, und präsentiert sich damit als einheitliches Bauwerk, das über eine gemeinsame Zufahrt zu erreichen ist. Sowohl mit Miteigentumsanteilen der Antragstellerin an der Liegenschaft EZ 488 als auch mit den Miteigentumsanteilen der Familienprivatstiftung an der Liegenschaft EZ 762 ist nach dem Grundbuchsstand jeweils Wohnungseigentum am Objekt „Tiefgarage“ verbunden.

4.4 Bei dem als „Tiefgarage“ bezeichneten Objekt handelt es sich daher um eine grenzüberschreitende Anlage, an der sowohl nach den Grundsätzen des WEG 1975 als auch nach der nunmehr geltenden Rechtslage nicht wirksam Wohnungseigentum begründet werden konnte. § 56 Abs 2 WEG 2002 kommt nicht zum Tragen, weil kein selbstständiges Wohnungseigentum an einem Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug, sondern (unwirksam) Wohnungseigentum an einer aus mehreren Abstellplätzen bestehenden, nicht innerhalb der Grundstücksgrenzen baulich abgetrennten Tiefgarage begründet worden war. Es liegt daher auch kein nach geltender Rechtslage taugliches Wohnungseigentums‑objekt vor, was aber Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 56 Abs 2 WEG 2002 wäre.

5.1 In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde die Begründung von Wohnungseigentum an zwingend allgemeinen Teilen des Hauses bereits mehrfach als rechtlich unmöglich und eine entgegenstehende Vereinbarung als rechtsunwirksam qualifiziert; aufgrund solcher Vereinbarungen durchgeführte Grundbuchseintragungen seien nichtig (5 Ob 1/91 wobl 1992/20 [kritisch Call]; 5 Ob 226/07g je mwN; RIS‑Justiz RS0082983; RS0082927). Bis zu einer „Rückabwicklung“ sind die „Wohnungseigentümer“ nach dieser Rechtsprechung mangels eines dem Gesetz entsprechenden Mindestanteils entgegen dem Grundbuchsstand rechtlich nicht Wohnungseigentümer, sondern nur schlichte Miteigentümer (5 Ob 18/14d).

5.2 Auch die Wohnungseigentumsbegründung an der hier gegenständlichen Tiefgarage ist rechtlich unmöglich, sodass keine wirksame Wohnungseigentumsbegründung vorliegt. Entgegen dem Grundbuchsstand ist daher nicht Wohnungseigentum, sondern schlichtes Miteigentum gegeben. Als schlichte Miteigentümerin kann sich die Antragstellerin aber nicht auf die Bestimmungen des WEG berufen, sodass ihr ein Recht zur Beschlussanfechtung gemäß § 24 Abs 6 iVm § 52 Abs 1 Z 4 WEG nicht zukommt. Das führt zur Abweisung des darauf gestützten Begehrens der Antragstellerin (vgl 5 Ob 129/07t).

6. Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin ist daher im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Zu berücksichtigen war, dass die Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Z 3 lit bb RATG 2.500 EUR beträgt.

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