Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - zur Zahlung von 233.378,31 EUR Zug-um-Zug gegen Rücknahme von 4.200 S*****-Wertpapieren. Obwohl die Klägerin entschlossen gewesen sei, das bestehende Darlehen unter Realisierung nahezu sämtlicher Vermögenswerte weitestgehend zurückzuführen und den Restbetrag konservativ auszufinanzieren, sei ihr von der Beklagten angeraten worden, die vorhandenen Tilgungsträger nicht zur Darlehensrückführung, sondern zur Investition in Wertpapiere zu verwenden. Ein solches Produkt habe weder den persönlichen Vorstellungen der Klägerin noch ihren wirtschaftlichen Verhältnissen entsprochen. Darüber hinaus sei sie von der Risikolosigkeit des Finanzprodukts überzeugt worden, obwohl dabei nicht nur eine Vermögenseinbuße, sondern sogar ein Totalverlust möglich gewesen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge, bestätigte mit Teilurteil die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von 233.378,31 EUR Zug-um-Zug gegen die Rücknahme der genannten Wertpapiere (wobei es mit gemäß § 545 Abs 3 Geo mehrgliedrigem Urteil die Klagsforderung als mit diesem Betrag zu Recht und eine beklagtenseits [mit 28.935,62 EUR] eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannte), wies ein Zahlungsmehrbegehren und ein Feststellungsbegehren der Klägerin ab und hob das Ersturteil im Umfang eines Zuspruchs von frustrierten Zinsen in der Höhe von 20.445,61 EUR sA auf. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision hinsichtlich des Teilurteils nicht zulässig sei, weil zur Schadensberechnung im Fall einer fehlerhaften Anlageberatung eine einheitliche oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, von der es nicht abgewichen sei.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die jedoch keine Rechtsfragen von erheblicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung aufzeigt.
1. Auch in Fällen unrichtiger Anlageberatung kann ein Mitverschulden des Kunden in Betracht kommen, das die Schadenersatzpflicht des Anlageberaters mindert (RIS-Justiz RS0102779). Ohne entsprechende Einwendung in erster Instanz darf auf das Mitverschulden des Geschädigten aber nicht Bedacht genommen werden (Pimmer in Fasching/Konecny² § 482 ZPO Rz 20; RIS-Justiz RS0026915; RS0111235). Daher kann sich der Schädiger auf ein allfälliges Mitverschulden des Geschädigten wegen des im Rechtsmittelverfahren geltenden Neuerungsverbots (§ 482 ZPO) nur insoweit berufen, als er im Verfahren erster Instanz entweder einen entsprechenden Mitverschuldenseinwand erhoben oder zumindest ausreichend deutlich Tatsachen vorgebracht hat, aus denen sich die Behauptung einer Sorglosigkeit des Geschädigten in eigenen Angelegenheiten iSd § 1304 ABGB ableiten lässt (RIS-Justiz RS0027103; RS0022807 [T4]; RS0027129 [T7]).
2. Ob im Hinblick auf den Inhalt einer Prozessbehauptung eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, stellt eine Frage des Einzelfalls dar. Auch die Frage, ob ein bestimmtes in erster Instanz erstattetes Sachvorbringen ausreicht, um den (ausdrücklich) erstmals im Berufungsverfahren erhobenen Verschuldensvorwurf begründen zu können, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0042828, insb [T5]). Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass sie im Verfahren erster Instanz ein Mitverschulden der Klägerin geltend gemacht hat und beruft sich in ihrem Zulassungsantrag nur auf ihr Vorbringen, dass die Klägerin das Anlegerprofil (ungelesen) unterfertigte. Damit begründet es keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, dass das Berufungsgericht unter Berufung auf das Neuerungsverbot auf den Mitverschuldenseinwand nicht eingegangen ist.
3. Die Vorteilsanrechnung muss dem Zweck des Schadenersatzes entsprechen und soll nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen (Karner in KBB3 § 1295 Rz 16; Reischauer in Rummel ABGB3 § 1312 Rz 3b; RIS-Justiz RS0023600). Eine Vorteilsausgleichung hat nicht von Amts wegen zu erfolgen, sondern nur über Einwendung des Schädigers, den für deren Voraussetzungen die Behauptungs- und Beweislast trifft (Reischauer aaO Rz 8; RIS-Justiz RS0036710).
4. Die Beklagte hat den Kursgewinn der Klägerin aus dem Verkauf der S*****-Wertpapiere von 28.935,62 EUR zum Gegenstand einer Gegenforderung gemacht, weil dieser bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen sei. Die Gegenforderung wurde von der Beklagten unbekämpft als nicht zu Recht bestehend erkannt. Ein weitergehendes Vorbringen zu den Voraussetzungen einer Vorteilsanrechnung hat die Beklagte nicht erstattet.
5. Die Beklagte bezweifelt nicht mehr, dass die Klägerin verlangen kann, so gestellt zu werden, wie sie stünde, wenn sie richtig aufgeklärt worden wäre (RIS-Justiz RS0108267). Bei richtiger Beratung hätte die Klägerin die Wertpapiere nicht gekauft, sodass sie im Rahmen der Naturalrestitution (§ 1323 ABGB) Zug-um-Zug gegen Übertragung der Zertifikate Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises hat (RIS-Justiz RS0108267 [T5]; RS0120784 [T3]; jüngst auch 5 Ob 246/10b mwN). Da die Klägerin den Gewinn aus der Veräußerung der S*****-Zertifikate in die von der Beklagten empfohlenen (nicht wertstabilen) Wertpapiere investierte, erhält die Beklagte mit Erfüllung des Zug-um-Zug-Begehrens ohnedies auch die aus dem Kursgewinn angeschafften Wertpapiere rückübertragen. Damit kann die Beklagte auch unter diesem Gesichtspunkt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzeigen.
6. Die von der Beklagten erhobene Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dies nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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