European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128122
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zurückverwiesen und diesem die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.
Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Parteien die mit 1.338,34 EUR (darin enthalten 91,97 EUR USt und 786,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Streitteile sind Miteigentümer einer Liegenschaft auf der Wohnungseigentum begründet ist. Mit den Miteigentumsanteilen der Kläger ist Wohnungseigentum an den Häusern 2 und 3 sowie an zwei KFZ‑Abstellplätzen verbunden. Diese Häuser sind im Gegensatz zum Wohnungseigentumsobjekt des Beklagten noch nicht errichtet. Der Beklagte und seine Ehefrau betreiben im Haus 1 je eine Ordination.
Die Kläger begehren den Beklagten schuldig zu erkennen, das Blockieren der Einfahrt zur Liegenschaft durch Abstellen des auf ihn zugelassenen Fahrzeugs oder ähnliche Handlungen zu unterlassen. Der Beklagte habe wiederholt die Einfahrt zur Liegenschaft mit seinem PKW blockiert; der außergerichtlichen Unterlassungsaufforderung sei er mit tatsachenwidriger Bestreitung der zur Last gelegten Handlungen und deren Wiederholung entgegengetreten.
Der Beklagte wendete ein, das Fahrzeug werde von seiner Ehefrau benutzt, die es auf der Straße abgestellt habe, um die Kinder ins Haus zu bringen. Den Klägern wäre es möglich gewesen, seine Ehefrau anzurufen oder in der Ordination anzuläuten, um sie zu ersuchen, den PKW wegzufahren.
Das Erstgericht gab dem Begehren der Kläger statt.
Aus Anlass der Berufung des Beklagten hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts einschließlich des durchgeführten Verfahrens (erkennbar ab Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes) als nichtig auf, verwies die Rechtssache nach § 838a ABGB in das außerstreitige Verfahren und hob die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens gegeneinander auf. Gegenstand der Klage sei das Begehren, das Blockieren der Einfahrt der gemeinsamen Liegenschaft zu unterlassen, das von Miteigentümern gegen einen anderen Miteigentümer derselben Liegenschaft erhoben werde. Die Kläger wollten dem Beklagten die Mitbenützung der für alle Miteigentümer dienenden Einfahrt untersagen. Dazu hätten die Kläger aber weder vorgebracht, dass sie oder in welcher konkreten Form sie die Liegenschaft tatsächlich benützten, noch dass eine Benützungsregelung vorliege, gegen die der Beklagte verstoße. Aus dem Umstand, dass die Kläger auch Wohnungseigentümer von zwei Stellplätzen seien, könne noch nicht geschlossen werden, dass es ausschließlich um die Zufahrt zu diesen beiden Stellplätzen gehe oder die Kläger die Zufahrt ausschließlich nutzen dürften. Ziel der Klage sei eine Mitbenützung der Einfahrt ohne Störung („Blockieren“) durch den Beklagten. Damit liege ein auf die Mitbenützung der gemeinsamen Sache gerichteter Anspruch vor, der nach § 838a ABGB in das Verfahren Außerstreitsachen verwiesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtete sich der – vom Beklagten nicht beantwortete – Rekurs der Kläger, der jedenfalls zulässig (RIS‑Justiz RS0043890; RS0116348) und auch berechtigt ist.
1.1 Bei der Beurteilung, ob eine Rechtssache im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu erledigen ist, kommt es nicht auf die Bezeichnung durch die Parteien, sondern ausschließlich auf den Inhalt des Begehrens und das Vorbringen der Partei an (§ 40a JN). Maßgebend für die Bestimmung der Art des Rechtswegs sind also der Wortlaut des Begehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen (RS0005896; RS0013639; RS0005861). Im Zweifel gehören alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Prozessweg (RS0012214).
1.2 An diesen Grundsätzen hat auch der mit dem Familien‑ und Erbrechts-Änderungsgesetz 2004 (FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58) eingeführte § 838a ABGB nichts geändert (8 Ob 111/11y; 1 Ob 39/13m ua).
1.3 Entscheidend für die Verweisung auf den außerstreitigen Rechtsweg nach § 838a ABGB ist, ob eine Streitigkeit zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten „den Kern des Begehrens“ bildet (5 Ob 106/14w; 5 Ob 200/14v). Weiterhin auf den streitigen Rechtsweg gehören jedoch Ansprüche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis gegründet sind, sondern auch auf weitere Rechtsgrundlagen wie die in den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 471 BlgNR 22. GP 33) beispielhaft genannten Besitzstörungs-, Schadenersatz- und Bereicherungs- oder auch nachbarrechtliche Unterlassungsklagen und Klagen nach § 523 ABGB (Sailer in KBB5 § 838a Rz 3).
2. Das Begehren der Kläger ist nach den vorgebrachten anspruchsbegründenden Tatsachen und dem verfolgten Rechtsschutzziel (Unterlassung der Blockade der Einfahrt zur gemeinsamen Liegenschaft) als Eigentumsfreiheitsklage iSd § 523 ABGB anzusehen.
2.1 Nach § 354 ABGB umfasst das Eigentum die Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen. § 362 ABGB ergänzt, dass der Eigentümer in der Regel seine Sache nach Willkür benützen oder unbenützt lassen kann. Das Eigentum umfasst daher auch das Recht, die Sache zu nutzen. Zur Nutzung einer Liegenschaft, die – wie hier – an das öffentliche Straßennetz angrenzt, gehört auch die Möglichkeit mit zweispurigen Kraftfahrzeugen, von diesem auf das Grundstück und von dort auf die Straße zu gelangen. Diese Möglichkeit ist aber dann nicht mehr gegeben, wenn die unmittelbare Grundstückseinfahrt verstellt ist. Jeder Eigentümer kann sich dagegen zur Wehr setzen, dass die Nutzung seines Grundstücks durch Handlungen beeinträchtigt wird, die außerhalb der ihm gehörigen Liegenschaft begangen werden, wie etwa durch das Blockieren einer Zufahrt (2 Ob 29/19g mwN; Kietaibl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 [2011] § 354 ABGB Rz 14).
2.2 Jeder Mit- und Wohnungseigentümer ist berechtigt, eigenmächtige Eingriffe auch eines anderen Mit- oder Wohnungseigentümers in das gemeinsame Eigentum mit der Eigentumsfreiheitsklage abzuwehren (RS0012137; RS0012112). Solche Klagen gehören nach der Rechtsprechung ungeachtet des § 838a ABGB auf den streitigen Rechtsweg (5 Ob 98/19a mwN; RS0013199 [T2]).
2.3 Die Kläger berufen sich auf ihr Recht, als Miteigentümer einer Liegenschaft eine Unterlassungsklage zur Abwehr eigenmächtiger Eingriffe in ihr Miteigentum zu erheben. Den eigenmächtigen Eingriff sehen sie darin, dass der Beklagte oder eine ihm zurechenbare Person das auf ihn zugelassene Fahrzeug vor der Einfahrt abstellt und damit die Zufahrt zur gemeinschaftlichen Liegenschaft blockiert, wodurch sie an der Nutzung der im gemeinsamen Eigentum stehenden Liegenschaft gehindert werden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts geht es daher weder um eine (neue) Regelung der Benützung von Allgemeinflächen, noch um einen Verstoß des Beklagten gegen eine solche Regelung, zumal selbst nach dessen Vorbringen das inkriminierte Abstellen des Fahrzeugs auf einer öffentlichen Verkehrsfläche erfolgte. Die Kläger begehren auch nicht die Festellung ihres ausschließlichen Nutzungsrechts an der Einfahrt zur gemeinsamen Liegenschaft, wie das Berufungsgericht offenbar meint, wenn es ihnen unterstellt, sie wollten den Beklagten von der Mitbenützung ausschließen. Dass der Beklagte als Störer auch Miteigentümer der Liegenschaft ist, tritt ausgehend von den Behauptungen der Kläger völlig in den Hintergrund. Damit kann auch keine Rede davon sein, der geltend gemachte Anspruch gründe auf keiner weiteren Rechtsgrundlage als dem Miteigentumsverhältnis selbst (vgl dazu 8 Ob 111/11y; 1 Ob 39/13m ua).
3. Das Berufungsgericht hat somit zu Unrecht die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs und die Nichtigkeit des erstgerichtlichen Urteils und des durchgeführten Verfahrens angenommen. Es wird im fortgesetzten Verfahren inhaltlich über die Berufung des Beklagten zu entscheiden haben.
4. Das Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof betrifft ausschließlich den Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rechtswegs, der nunmehr abschließend erledigt ist. Der in diesem Zwischenstreit unterlegene Beklagte hat den Klägern die Kosten des Rekurses nach den §§ 41 und 50 ZPO zu ersetzen (vgl 5 Ob 98/19a).
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