OGH 5Ob234/08k

OGH5Ob234/08k10.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. Christine P*****, und 2. Josef A*****, vertreten durch Dr. Helmut Trattnig, Rechtsanwalt in Ferlach, wegen Eintragungen in den EZ 309, 323, 452 je Grundbuch ***** und EZ 244 Grundbuch *****, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 8. August 2008, AZ 1 R 209/08t, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bleiburg vom 19. Juni 2008, TZ 534/2008, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsteller begehrten mit ihrem am 11. Juni 2008 eingebrachten Grundbuchsgesuch unter Vorlage einer Vermessungsurkunde (die die Bestätigung der Gemeinde G***** vom 30. April 2008 [gemäß § 4 Abs 1 lit b K-GTG 1985] trägt, der gegenständliche Teilungsplan stimme mit dem „rechtskräftigen Genehmigungsbescheid" vom 30. April 2008 überein), eines Tauschvertrags, von Zustimmungserklärungen, eines Bescheids des Vermessungsamts, von Unbedenklichkeitsbescheinigungen und eines Bescheids der Gemeinde G***** vom 30. April 2008 bezüglich der EZ 309 Grundbuch ***** (im Eigentum der Erstantragstellerin), EZ 323 Grundbuch ***** und EZ 244 Grundbuch ***** (je im Eigentum des Zweitantragstellers) sowie EZ 452 Grundbuch ***** (im Eigentum der Gemeinde G***** - öffentliches Gut, Straßen und Wege) die Vereinigung von Grundstücken, deren Teilung, die Abschreibung von Trennstücken und Eigentumsrechtseinverleibung durch Zuschreibung ua für die Gemeinde G***** - öffentliches Gut ob der EZ 452 Grundbuch *****. Der dazu ua vorgelegte Bescheid der Gemeinde G***** vom 30. April 2008, der keine Rechtskraftbestätigung aufweist, jedoch die Rechtmittelbelehrung enthält, dagegen könne binnen zwei Wochen Berufung eingebracht werden, lautet auszugsweise:

„Herrn Josef A***** und Frau Christine P*****, wird die Genehmigung zur Teilung der Grundstücke [...], wie im [vorgelegten] Teilungsplan [...] dargestellt, erteilt.

Die Antragsteller werden in Anwendung des § 3 Grundstückteilungsgesetz verpflichtet, gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung des oben angeführten Teilungsplanes, die Trennstücke 1 und 2 im Ausmaß von 115 m2 kosten- und lastenfrei in das öffentliche Gut der Gemeinde G***** zu übereignen."

Das Erstgericht wies das Grundbuchsgesuch ab. Für die Abtretung von öffentlichem Gut an Privatpersonen oder umgekehrt seien zwei Akte zu unterscheiden: Der reine Verwaltungsakt, in dem die Widmung zum Gemeingebrauch erfolge, sowie darüber hinaus der rein privatrechtliche Vertrag, der zur Durchführung der Verfügung hierüber geschlossen werde. Es müssten in einem solchen Fall Urkunden sowohl über den Verwaltungs- als auch den Privatrechtsakt vorgelegt werden. Dem Grundbuchsgesuch sei der Verwaltungsakt über die Widmung als öffentliches Gut ebensowenig beigeschlossen gewesen wie eine privatrechtliche Vereinbarung über die Abtretung zwischen den Antragstellern und der Gemeinde. Überdies seien Urkunden im Grundbuchsverfahren, die elektronisch eingebracht werden dürfen, von Rechtsanwälten und Notaren nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten im elektronischen Rechtsverkehr einzubringen. Der Antrag sei daher gemäß § 94 Abs 1 GBG abzuweisen gewesen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung: Urkunden hätten nur dann die Eigenschaft eines gerichtlich vollziehbaren Ausspruchs einer öffentlichen Behörde und könnten damit gemäß § 33 Abs 1 lit d GBG zur grundbücherlichen Einverleibung eines Rechtes führen, wenn sie eine darauf abzielende gerichtliche Exekution gestatten. Für einen auf den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gegründeten Anspruch bestehe diese Möglichkeit dann, wenn die Exekution durch gesetzliche Bestimmungen den Gerichten überwiesen sei, was aber auf die nach § 3 K-GTG ausgesprochene Verpflichtung nicht zutreffe. Der dem Eintragungsgesuch angeschlossene Bescheid erfülle somit nicht die Anforderungen, die § 33 Abs 1 lit d GBG an einverleibungsfähige Urkunden stelle.

Das Rekursgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu einer gemäß § 3 K-GTG erteilten Verpflichtung zur kosten- und lastenfreien Abtretung ins öffentliche Gut und zur Frage vorliege, ob § 3 K-GTG Grundlage für die Übertragung von Eigentum an die Gemeinde sei.

Die Rekursentscheidung bekämpfen die Antragsteller in ihrem Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass dem Grundbuchsgesuch vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wird die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt:

1. Es ist die Rechtsfrage zu beantworten, ob der von den Antragstellern vorgelegte Bescheid der Gemeinde G***** vom 30. April 2008 eine taugliche Grundlage für die Einverleibung des Eigentums der Gemeinde G***** an zwei Trennstücken durch Ab- und Zuschreibung zur EZ 452 Grundbuch ***** bildet.

2. Öffentliche Urkunden, aufgrund deren nach § 33 Abs 1 lit d GBG Einverleibungen stattfinden können, sind solche, die die Eigenschaft eines gerichtlich vollziehbaren Ausspruches einer öffentlichen Behörde haben. Dahin gehören „insbesondere" - also im Sinn einer Generalklausel (5 Ob 39/91 = SZ 64/74; Feil/Marent/Preisl, Grundbuchsrecht § 33 GBG Rz 12) - rechtskräftige Erkenntnisse, Beschlüsse über bücherliche Einverleibungen und Löschungen zur Ausführung des Verteilungsbeschlusses (§ 237 EO), aber auch zB Amtsbestätigungen.

Es entspricht der herrschenden höchstgerichtlichen Judikatur (7 Ob 28/71 = SZ 44/15; 5 Ob 166/72 = RPflSlgG 1419; 5 Ob 66/01v = immolex 2001/188 = NZ 2002/525; RIS-Justiz RS0004550) und der aktuellen Lehre (Weigand in Kodek, Grundbuchsrecht § 33 GBG Rz 10 und 24; Feil/Marent/Preisl, Grundbuchsrecht § 33 GBG Rz 12; Hoyer in seiner Glosse zu NZ 2002/525), dass Urkunden nur dann die Eigenschaft eines gerichtlich vollziehbaren Ausspruchs einer öffentlichen Behörde haben und damit gemäß § 33 Abs 1 lit d GBG zur grundbücherlichen Einverleibung eines Rechts führen können, wenn sie eine darauf abzielende gerichtliche Exekution - konkret eine Exekutionsführung nach § 350 EO - gestatten. Nach § 1 Z 10 EO kommen als Exekutionstitel auch Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche, welche von Verwaltungsbehörden oder anderen hiezu berufenen öffentlichen Organen gefällt wurden und einem die Exekution hemmenden Rechtszug nicht mehr unterworfen sind, in Frage, sofern die Exekution durch gesetzliche Bestimmungen den Gerichten überwiesen ist. Für einen auf den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gegründeten Anspruch besteht diese Möglichkeit daher nur dann, wenn die Exekution durch gesetzliche Bestimmungen den Gerichten übertragen ist (5 Ob 66/01v).

Bei einem behördlichen Bescheid ist daher zu prüfen, ob er überhaupt eine Leistung anordnet; wenn ja, ob die Leistung unmittelbar erzwingbar ist oder die Durchsetzbarkeit von weiteren nicht nur verfahrensrechtlichen Voraussetzungen abhängig ist, und schließlich, ob den Gerichten die Vollzugspflicht oder wenigstens -möglichkeit zukommt (Hoyer in seiner Glosse zu NZ 2002/525). Ob es einer Exekution, das heißt einer zwangsweisen Durchsetzung der angeordneten Leistung tatsächlich bedarf, ist nicht wesentlich.

3. Der hier in Rede stehende Bescheid der Gemeinde G***** stützt sich auf § 3 des Kärntner Grundstückteilungsgesetzes (K-GTG), der im Abs 1 vorsieht, dass die Genehmigung der Teilung eines Grundstücks unter der Auflage erteilt werden darf, dass der Grundstückseigentümer Grundflächen nach Maßgabe der Abs 2 bis 8 an die Gemeinde übereignet; die Übereignung hat unentgeltlich und insoweit lastenfrei zu erfolgen, als dies möglich ist und die Belastung dem Übereignungszweck (Abs 2) entgegensteht. Eine Überweisung der Exekution der in einem Teilungsbescheid ausgesprochenen Verpflichtung der Antragsteller zur Übereignung von Grundflächen an die Gerichte findet sich im K-GTG aber nicht. Schon deshalb ist mit dem Rekursgericht die an § 33 Abs 1 lit d GBG zu prüfende Eignung dieses Bescheids als Eintragungsgrundlage für die begehrte Eigentumsübertragung zu verneinen.

4. In der jüngeren Judikatur des Obersten Gerichtshofs findet sich dazu noch die Aussage, dass es sich bei den öffentlichen Urkunden nach § 33 Abs 1 lit d GBG auch um amtliche Bestätigungen über die Ergebnisse eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens handeln kann (5 Ob 39/91 = SZ 64/74). Dem hier zu beurteilenden Bescheid kommt allerdings nicht die Eigenschaft einer solchen Bestätigung zu, weil er die Verpflichtung zur Übereignung von Grundflächen ausspricht, also eine Leistung anordnet. Um eine öffentliche Urkunde iSd § 33 Abs 1 lit d GBG zu sein, müsste demnach der Bescheid die Qualität eines Exekutionstitel im Sinn von § 1 Z 10 EO aufweisen, die ihm - wie bereits dargestellt - fehlt.

5. Allerdings hat der Verfassungsgerichtshof Grundabtretungen, wie sie im § 3 K-GTG vorgesehen sind, als Enteignungsmaßnahme anerkannt (vgl dessen Judikatur zu ähnlichen landesgesetzlichen Bestimmungen: VfSlg 3475/1958, 3666/1959, 8990/1980, 8981/1980, 9781/1983, 12891/1991; dazu auch Hauer/Pallitsch, Kärntner Baurecht4, § 3 K-GTG Anm 1f).

Das (Eigentums-)Recht des Enteigners wird nicht vom Enteigneten abgeleitet, sondern entsteht originär (RIS-Justiz RS0010847 [T2], RS0010841 [T7]; Klicka in Schwimann³, § 365 ABGB Rz 7; Eccher in KBB² § 365 ABGB Rz 5). Voraussetzung ist jedenfalls die Rechtskraft des Enteignungsbescheids (RIS-Justiz RS0010847 [T2]; vgl RIS-Justiz RS0010841, RS0053777). Der rechtskräftige Enteignungsbescheid bildet den Rechtsgrund und - nach moderner Auffassung - der tatsächliche, freiwillige oder zwangsweise Vollzug (= Besitzerwerb), nicht etwa die Leistung/Hinterlegung/Sicherstellung der Entschädigungssumme, den Modus des Rechtserwerbs (5 Ob 254/99k = RIS-Justiz RS0010841 [T3, T6]; Klicka in Schwimann³ § 365 ABGB Rz 7; Eccher in KBB² § 365 ABGB Rz 5; aA 3 Ob 532-538/83 = SZ 57/23). Indem sich § 35 Abs 2 EisbEG nicht mit der Rechtsgestaltung begnügt, sondern einen Vollzug der Enteignung vorsieht und diesen an den Nachweis der Leistung (Sicherstellung) der Entschädigung knüpft, vollzieht sich der Eigentumswechsel erst, allerdings auch schon mit diesem Vollzug (Spielbüchler in Rummel³ § 365 ABGB Rz 5). Die Leistung/Hinterlegung/Sicherstellung der Entschädigungssumme nach Rechtskraft des Enteignungsbescheids kann im Übrigen Bedeutung nur dann erlangen, wenn eine Enteignungsentschädigung überhaupt vorgesehen ist (4 Ob 522/89 = RIS-Justiz RS0010841 [T2]), was hier nicht zutrifft.

Im gegenständlichen Fall lässt sich den vorgelegten Urkunden nicht entnehmen, ob es bereits zu einem Vollzug der Enteignung gekommen ist. Werden Liegenschaften enteignet, wirkt die Eintragung des Begünstigten im Grundbuch nach einem außerbücherlichen Vollzug nur mehr deklarativ, wird die Einverleibung aber vor einem Vollzug erzwungen, konstitutiv (Eccher in KBB² § 365 ABGB Rz 5; Spielbüchler in Rummel³ § 365 ABGB Rz 5; vgl GlU 14326). Nichts anderes kann gelten, wenn es vor dem Vollzug der Enteignung zu einer freiwilligen Einverleibung des Eigentumsrechts des Enteigners im Einvernehmen mit dem Enteigneten (hier sogar: auf dessen Antrag) kommt. Auch in diesem Fall wirkt daher die Einverleibung des Eigentumsrechts des Enteigners konstitutiv, sodass es eines Nachweises des Vollzugs der Enteignung nicht mehr bedarf.

Damit erweist sich aber der vorliegende, als Enteignungsbescheid zu qualifizierende Rechtsakt der Gemeinde G***** als eine grundsätzlich taugliche Grundlage für die Einverleibung des Eigentumsrechts der Gemeinde G***** an den an sie abzutretenden Grundflächen. Schon mangels Festsetzung einer Enteignungsentschädigung bedarf es keines Nachweises über deren Erlag oder Sicherstellung. Ebensowenig ist der urkundliche Beleg des Vollzugs der Enteignung erforderlich, weil die Antragstellung zur grundbücherlichen Durchführung durch die Enteigneten selbst erfolgte. Fragen nach einem besonderen Nachweis der Widmung der abzutretenden Grundstücke zum Gemeingebrauch stellen sich bei einem solchen Enteignungsfall nicht.

6. Wie bereits erwähnt, ist aber Voraussetzung für den Eigentumserwerb des Enteigners (jedenfalls) die Rechtskraft des Enteignungsbescheids. Die notwendige (RIS-Justiz RS0099943; Weigand in Kodek, Grundbuchsrecht § 33 GBG Rz 28) Beurkundung dieses Kriteriums findet sich am vorgelegten Bescheid der Gemeinde G***** nicht, sodass ein entsprechender Nachweis fehlt und ein Eintragungshindernis vorliegt. Die beiläufige Erwähnung der am 30. April 2008 ausgestellten Bestätigung der Gemeinde auf dem Teilungsplan, dieser stimme mit dem „rechtskräftigen Genehmigungsbescheid" vom 30. April 2008 überein, erfüllt die Anforderungen einer Rechtskraftbestätigung nicht. Da die dingliche Wirkung des Enteignungsbescheids (5 Ob 14/04a mwN) dessen Rechtskraft voraussetzt, vermag deren urkundliche Bestätigung gegenüber dem Grundbuchsgericht nicht durch die Antragstellung beider Enteigneten ersetzt werden. Aus diesem Grund erweist sich die Antragsabweisung durch die Vorinstanzen als im Ergebnis zutreffend.

7. Die Abweisung des Grundbuchsgesuchs durch das Erstgericht auch wegen fehlender Vorlage von Originalurkunden entbehrt aber einer gesetzlichen Grundlage, wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 5 Ob 227/08v klargestellt hat: Nach § 89c Abs 5 GOG in Verbindung mit § 11 Abs 1a ERV 2006 besteht neben der generellen Verpflichtung für Rechtsanwälte und Notare, sich des elektronischen Rechtsverkehrs zu bedienen, bis zur Erlassung einer neuen Verordnung die Möglichkeit, die im Grundbuchsverfahren im Original vorzulegenden Beilagen wie bisher in Papierform vorzulegen, wenn im Einzelfall glaubhaft gemacht wird, dass die konkreten technischen Möglichkeiten für den elektronischen Rechtsverkehr noch nicht bestehen. Bei dem im Zeitpunkt der Einbringung des Grundbuchsgesuchs gegebenen Verordnungsstand ist daher davon auszugehen, dass noch die Möglichkeit zur Einbringung von Urkunden in der bisherigen Form bestand. In einem solchen Fall ist die den Rechtsanwälten und Notaren auferlegte Verpflichtung, im Einzelfall glaubhaft zu machen, dass für den Einschreiter die konkreten technischen Möglichkeiten noch nicht bestehen, eine reine Ordnungsvorschrift, der - ohne dass damit ein Verstoß gegen § 122 Abs 2 GBG gesetzt würde - jederzeit entsprochen werden kann.

8. Letztlich erweist sich der Revisionsrekurs aber aus dem zu Punkt 6. angeführten Grund als unberechtigt, weshalb die Entscheidung des Rekursgerichts zu bestätigen war.

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