OGH 5Ob211/18t

OGH5Ob211/18t13.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. D*, vertreten durch die Hornek Hubacek Lichtenstrasser Epler Rechtsanwälte OG, Wien, gegen die beklagte Partei Ö*, vertreten durch Mag. Hans Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Wien als Berufungsgericht vom 8. August 2018, GZ 39 R 37/18g‑111, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123822

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die durch § 33 Abs 1 MRG normierte Eventualmaxime für die gerichtliche Aufkündigung bedeutet, dass der geltend gemachte Auflösungsgrund bereits in der Kündigung individualisiert werden muss (RIS‑Justiz RS0106599 [T13]). Enthält ein Kündigungsgrund – wie der vom Kläger herangezogenen § 30 Abs 2 Z 3 MRG – mehrere Tatbestände, muss der geltend gemachte Tatbestand in der Aufkündigung konkretisiert werden (RIS‑Justiz RS0106599 [T1]). Für die Frage, was als Kündigungstatbestand geltend gemacht wurde, kommt es nur auf diese Tatsachenbehauptungen an (5 Ob 76/11d). Liegt ein ordentlich bezeichneter (ausreichend individualisierter) Kündigungsgrund vor, schadet es nach der Rechtsprechung nicht, wenn in der Aufkündigung nur einzelne Vorfälle demonstrativ angeführt werden und dann im Rahmen dieses Kündigungsgrundes noch weitere Umstände nachgetragen werden (1 Ob 58/15h; RIS‑Justiz RS0106599 [T11]). Dadurch darf aber kein Nachschieben eines nicht geltend gemachten Kündigungsgrundes (Kündigungstatbestands) ermöglicht werden (1 Ob 58/15h; 1 Ob 112/15z; THausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 33 MRG Rz 26).

2.1 Die Frage, ob der vom Kläger geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG durch eine bloß demonstrative Aufzählung einzelner Vorfälle individualisiert wurde, sodass eine Konkretisierung durch das Nachtragen weiterer Vorfälle ohne Verstoß gegen § 33 Abs 1 Satz 3 MRG möglich wäre, oder aber – wovon das Berufungsgericht erkennbar ausgegangen ist – er gerade einen bestimmten Vorfall zum Gegenstand seiner Klage gemacht hat, betrifft die Auslegung des Parteienvorbringens. Damit im Zusammenhang stehende Fragen begründen regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0042828; RS0106599 [T18]).

2.2 Bereits in der Aufkündigung hielt der Kläger fest, dass der Beklagte die beiden Wohnungen top 21 und top 22a zusammengelegt hat, ohne diesen Umstand und die damit verbundenen Baumaßnahmen grundsätzlich in Frage zu stellen. Der Vorwurf, den der Kläger erhob, richtete sich auch nicht gegen die Zusammenlegungsmaßnahmen im Allgemeinen, sondern beschränkte sich darauf, dass der Beklagte die ursprünglichen Wohnungseingangstüren im Zuge der Zusammenlegung entfernt und ohne seine Zustimmung durch eine einflügelige weiße Türe ersetzt bzw eine Türöffnung verschlossen hatte. Anhaltspunkte dafür, dass er diese Maßnahmen als bloß demonstrative Aufzählung zur Individualisierung des von ihm herangezogenen Kündigungsgrundes verstanden wissen wollte, finden sich in seinem Vorbringen nicht. Darauf beruft er sich auch in seinem außerordentlichen Rechtsmittel nicht. Er vermag damit auch nicht aufzuzeigen, inwieweit es eine im Einzellfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts begründen soll, wenn es ungeachtet der von ihm im Lauf des Verfahrens erhobenen weiteren Vorwürfe, der Beklagte habe eine Bassena am Gang vor seiner Wohnung entfernt und eine (noch während des Verfahrens erster Instanz wieder verschlossene) Fensteröffnung in den Lichthof angebracht, die Prüfung des geltend gemachten Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG auf die ursprünglichen Tatsachenbehauptungen beschränkte.

3.1 Auch sonst zeigt der Kläger in seiner außerordentlichen Revision keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

3.2 § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG soll die Möglichkeit für die Auflösung des Bestandverhältnisses bieten, weil das für sein Weiterbestehen erforderliche Vertrauen weggefallen ist. Grundlage für einen Auflösungsanspruch ist ein vertragswidriges Verhalten. Der Mieter muss sich also so verhalten haben, dass er nicht mehr vertrauenswürdig ist (vgl RIS‑Justiz RS0020867). Die Vornahme von baulichen Veränderungen durch den Mieter ohne Zustimmung des Bestandgebers rechtfertigt die Auflösung des Bestandvertrags gemäß § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG (§ 1118 erster Fall ABGB), wenn die vom Mieter vorgenommenen Veränderungen für die Bestandsache erheblich nachteilig sind. Auch bei der Beantwortung dieser Frage kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an (RIS‑Justiz RS0068103; RS0021018), sodass ihr – von Fällen einer krassen Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt.

3.3 Bauordnungswidrige Einrichtungen – wie der vom Beklagten vorgenomme Einbau einer nicht konsensfähigen Wohnungseingangstür – können eine erhebliche Verletzung der Interessen des Bestandgebers bewirken (7 Ob 174/08a; 7 Ob 99/17k). Für die Verwirklichung des Kündigungsgrundes des erheblich nachteiligen Gebrauchs ist es aber auch erforderlich, dass sich der Mieter der erheblichen Nachteiligkeit seines Gebrauchs bewusst oder ihm dieser erkennbar ist und er den Gebrauch dennoch fortsetzt (RIS‑Justiz RS0067957 [T7]). Warum dem Kläger ein solcher nachteiliger Gebrauch bewusst sein musste oder sogar bewusst war, wie der Kläger geltend macht, lässt sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen. Allein der Umstand, dass der Beklagte den Beruf eines Schlossers ausübt, rechtfertigt eine solche Schlussfolgerung entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht. Ausgehend von der festgestellten Uneinheitlichkeit in Farbe und Aussehen der Wohnungseingangstüren im Haus hat das Berufungsgericht die Erkennbarkeit eines nachteiligen Gebrauchs, insbesondere dass der Vermieter großen Wert auf ein einheitliches Erscheinungsbild im Inneren des Hauses legt, verneint. Dabei hat es entgegen der Ansicht des Revisionswerbers den an einen Durchschnittsmieter anzulegenden Maßstab herangezogen (dazu RIS‑Justiz RS0067957 [T5], RS0070433 [T1; T5]) und nicht auf die Erkennbarkeit des nachteiligen Gebrauchs für einen Mieter gerade des gegenständlichen Hauses abgestellt. Mit seinen darauf abzielenden Ausführungen vermag der Kläger daher eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts nicht zu begründen.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte