European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123491
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Antragsgegner (jeweils Wohnungseigentümer einer Wohnung) vermieteten die einheitlich genutzten, in einem Schloßgebäude gelegenen Wohnungen an beide Antragsteller. Der Mietvertrag verpflichtete die Mieter zur Nachzahlung von Energiekosten (Gas und Strom) als Differenz zwischen dem vereinbarten Pauschalbetrag und dem tatsächlichen Verbrauch entsprechend den Abrechnungen der Hausverwaltung und des Energieversorgungsunternehmens (EVU). In dritter Instanz dieses mietrechtlichen Außerstreitverfahrens ist strittig, ob die (Präklusions‑)Bestimmungen des § 21 Abs 4 MRG sowie des § 21 Abs 6 HeizKG analog auf die nachverrechneten Energiekosten anzuwenden sind.
Das Rekursgericht schloss eine Analogie aus und bejahte – sowie das Erstgericht – die Verpflichtung der Antragsteller, die tatsächlich angefallenen, den Vermietern vom EVU verrechneten Energiekosten zu zahlen. Es ließ den Revisionsrekurs zur Klärung der Frage zu, ob die Bestimmungen des § 21 MRG über die Abrechnung und Präklusion von Betriebskosten analog auf Entgelte für Strom- und Gaslieferungen des Vermieters als sonstige Leistungen anzuwenden seien.
Rechtliche Beurteilung
Der – nicht beantwortete – Revisionsrekurs der Antragsteller ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
1. Auf den – nach der Art des Gebäudes auch nicht vorliegenden – Teilausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 3 MRG haben sich die Vermieter nicht berufen. Die Mietverträge fallen in den Vollanwendungsbereich des MRG.
2.1 Werden mangels Pauschalverrechnung Betriebskosten und Abgaben nicht innerhalb der einjährigen Präklusivfrist (RIS‑Justiz RS0070174 [T1]) des § 21 Abs 4 letzter Satz MRG unter Vorlage der Rechnungen fällig gestellt, so können sie später nicht mehr geltend gemacht werden. Die Frist läuft ab Fälligkeit gegenüber dem Vermieter. Wurden diese Kosten innerhalb der Präklusionsfrist durch Vorlage der Rechnungen geltend gemacht, dann können sie – als Teil des gesetzlichen Mietzinses – innerhalb der Verjährungsfrist des § 1486 Z 4 ABGB – gegenüber dem Mieter geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0107090).
2.2 Die Aufzählung der Betriebskosten § 21 Abs 1 MRG ist taxativ (RIS‑Justiz RS0069690; RS0067039; RS0067249). Kosten für die Versorgung des Mietobjekts mit Gas und Strom sind im Katalog des § 21 Abs 1 MRG nicht enthalten. Eine taxaktive Aufzählung der Betriebskosten schließt eine analoge Anwendung der für diese Bewirtschaftungskosten geltenden Bestimmungen nicht aus. Eine Analogie setzt aber eine Gesetzeslücke im Sinn einer „planwidrigen Unvollständigkeit“ voraus (RIS‑Justiz RS0098756; RS0008757). Eine solche liegt dann vor, wenn Wertungen und Zweck einer konkreten gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach den selben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (RIS‑Justiz RS0008866 [T27]). Diese Voraussetzungen zeigt der Revisionsrekurs der Antragsteller nicht auf.
2.3 Die Fallfrist des § 21 Abs 4 MRG geht auf § 12 Abs 2 Mietengesetz (MG) 1929 zurück (vgl ErläutRV 425 BlgNR 25. GP 41). Nach dem Wohnungsausschussbericht (Nachweis bei Sternberg, Das Mietengesetz4 215) sollte die Bestimmung verhindern, dass die Vermieter Betriebskosten durch längere Zeit zusammenkommen lassen und dann auf einmal unverhältnismäßig hohe Beträge von den Mietern verlangen. Der Vermieter handelte also bei einer Nachlässigkeit mit diesem Ausmaß auf eigene Gefahr. Seine Untätigkeit wird als Verzicht eingeschätzt (Swoboda, Kommentar zum MG² 154). Diese Intention liegt auch der Präklusion des § 21 Abs 4 letzter Satz MRG zugrunde. Der Mieter soll nicht nach Jahren mit Betriebskostenforderungen „überrascht“ werden (vgl 5 Ob 6/08f).
2.4 Ein Überraschungseffekt, mit dem die Antragsteller im Revisionrekurs auch argumentieren, tritt zweifellos ein, wenn der Vermieter seine Forderung auf Bezahlung von Energiekosten für das Bestandobjekt nicht innerhalb einer einjährigen Präklusivfrist, sondern erst gegen Ende der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 4 ABGB geltend macht und die Höhe der Forderung die Vorstellungen des Mieters übersteigt. Die Problematik stellt sich aber generell bei jeder, der allgemeinen kurzen Verjährungsfrist des § 1486 ABGB unterliegenden Forderung, deren Höhe sich erst ab Vorliegen einer entsprechenden Abrechnung für vergangene Zeiträume ziffernmäßig bestimmen lässt. Die Überraschung rechtfertigt für sich alleine noch keine, besonders im Bereich des Mietrechts als problematisch angesehene (RIS‑Justiz RS0106113 [T1]) Analogie, die eine einjährige, zum Verlust des Anspruchs führende Präklusivfrist für die Geltendmachung von Betriebskosten auf andere Forderungen des Vermieters anwendet.
2.5 Eine Nachforderung an Heiz‑ und Warmwasserkosten ist gemäß § 21 Abs 6 HeizKG binnen einer Ausschlussfrist von einem Jahr nach Ablauf der Abrechnungsperiode geltend zu machen. Eine Begründung für diese Präklusion enthalten die Materialien nicht (ErläutRV 716 BlgNR 18. GP , 19). Die Antragsteller sind als Mieter einer Eigentumswohnung keine Wärmeabnehmer im Sinn des § 2 Z 4 HeizKG und können sich nicht auf die Bestimmungen dieses Gesetzes stützen (5 Ob 224/02f; RIS‑Justiz RS0117385). Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich des HeizKG in den §§ 2, 3 und 5 klar definiert und eingeschränkt (vgl Shah in Illedits/Reich‑Rohrwig, Wohnrecht³ § 3 HeizKG Rz 1). Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber spezielle Regelungen, wie die Präklusivfrist zur Geltendmachung einer Nachforderung gegenüber dem Wärmeabnehmer auf Personen, die nach der Legaldefinition des HeizKG keine Wärmeabnehmer sind, angewendet wissen wollte und eine entsprechende Ausweitung auf einen anderen Personenkreis einfach vergessen haben sollte.
2.6 Das – mit Ausnahme des Überraschungseffekts – einzige Argument der Revisionsrekurswerber für eine analoge Anwendung der einjährigen Präklusivfristen des § 21 Abs 4 MRG und § 21 Abs 6 HeizKG, der Mieter müsse den Gas‑Vorrat unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch finanzieren, überzeugt nicht: Es gibt keinen Anhaltspunkt für die von den Antragstellern befürchtete „Vorratsspekulation“.
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