European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00101.15M.0519.000
Spruch:
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Der Antragsteller begehrt aufgrund des zwischen ihm als Käufer und der A***** GmbH als Verkäuferin geschlossenen Kaufvertrags vom 22. 12. 2014 die Einverleibung des Eigentumsrechts an den im Eigentum der Verkäuferin stehenden und mit Wohnungseigentum an dem Kfz‑Abstellplatz EP 74 verbundenen 10/2690‑Anteilen (B‑LNR 36) an der Liegenschaft EZ ***** KG *****.
Das Erstgericht wies das Eintragungsgesuch mit der Begründung ab, dass Wohnungseigentum an einem Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug bis zum Ablauf von drei Jahren nach Begründung von Wohnungseigentum an der Liegenschaft nur von einer Person oder Eigentümerpartnerschaft erworben werden könne, der Wohnungseigentum an einer Wohnung oder einem selbständigen Geschäftsraum der Liegenschaft (Bedarfsobjekt) zukomme. Seit der Begründung des Wohnungseigentums seien noch nicht drei Jahre vergangen und der Antragsteller als Käufer des Tiefgaragenplatzes EP 74 sei nicht Eigentümer eines Bedarfsobjekts.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers und der bücherlichen Eigentümerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR nicht übersteigend und erklärte den Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung für nicht zulässig. Aus dem Umstand, dass die bücherliche Eigentümerin ihr Eigentum an dem Kfz‑Abstellplatz als hauptverantwortliche Wohnungseigentumsorganisatorin“ im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 5 Abs 2 letzter Satz WEG erworben habe, sei keinesfalls abzuleiten, dass weitere Veräußerungen nicht mehr der Beschränkung des § 5 Abs 2 Satz 1 und 2 WEG unterliegen würden. Der Bewertungsausspruch beruhe auf § 126 Abs 1 GBG iVm § 59 AußStrG. Laut Kaufvertrag vom 22. 12. 2014 betrage der Kaufpreis für das Kaufobjekt 18.000 EUR.
Gegen diese Entscheidung richtet sich das als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel der Rekurswerber. Das Erstgericht legte dieses unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem Gesetz.
1. Im Grundbuchsverfahrenkann der Beschluss des Rekursgerichts (nur) nach Maßgabe der §§ 62, 63 und 66 AußStrG angefochten werden (§ 126 Abs 2 GBG). Der Entscheidungsgegenstand in Grundbuchsachen ist dabei grundsätzlich vermögensrechtlicher Natur (RIS‑Justiz RS0123020; RS0117829 [T2]). Der Revisionsrekurs ist daher jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59Abs 1Z 2AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62Abs 3AußStrG). Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR nicht, steht dem Rechtsmittelwerber nur die Möglichkeit der Zulassungsvorstellung nach § 63 Abs 1 AußStrG offen.
2. Besteht ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder nicht. Dieser Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist ‑ auch im Verfahren außer Streitsachen ‑ unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, wenn zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, eine offenkundige Unterbewertung oder Überbewertung nicht vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen (RIS‑Justiz RS0042450 [T8]; RS0109332 [T1]; RS0042410 [T28]).
3. Nach § 59 Abs 3 AußStrG ist bei der Bewertung eines Entscheidungsgegenstands (ua) § 60 Abs 2 JN sinngemäß anzuwenden. Der Verfassungsgerichtshof hob die Wortfolge „und 60 Abs 2“ in § 59 Abs 3 AußStrG zwar mit Erkenntnis vom 4. Dezember 2014, G 135/2014, als verfassungswidrig auf. Die Aufhebung tritt aber erst mit Ablauf des 31. Juli 2015 in Kraft, sodass diese Bewertungsvorschrift hier (noch) anzuwenden ist (Art 140 Abs 7 B‑VG).
§ 60 Abs 2 JN ist dann anzuwenden, wenn der Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ‑ wie hier ‑ ausschließlich vom Wert der Liegenschaft bestimmt wird (RIS‑Justiz RS0053191; RS0046509 [T2, T11]). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs war der in § 60 Abs 2 JN erwähnte „Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung“ an § 6 Abs 1 lit b GrEStG 1987 anzuknüpfen, der idF BGBl I 2000/142 festlegte, dass als Wert des Grundstücks das Dreifache des Einheitswerts anzusetzen ist (RIS‑Justiz RS0046526 [T6, T8]). Das GrEStG 1987 in der aktuellen Fassung BGBl I Nr 36/2014 enthält infolge Neuordnung der Bemessungsgrundlage keine vergleichbare, die Ermittlung des Werts eines Grundstücks regelnde Bestimmung mehr. Der in den nicht begünstigten Erwerbsfällen und in Ermangelung einer (feststellbaren) Gegenleistung als Bemessungsgrundlage heranzuziehende gemeine Wert ist nunmehr in geeigneter Form zumindest glaubhaft zu machen (
vgl
Das Rekursgericht hat seinen Überlegungen zur Bewertung nicht den aliquoten Anteil an dem dreifachen Einheitswert der Liegenschaft, sondern den für die Miteigentumsanteile laut Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis zu Grunde gelegt. Ein offenbarer Fehler ist darin im Hinblick auf die sich aus § 4 GrEStG 1987 idF BGBl I 2014/36 ergebenden Bewertungsgrundsätze nicht zu erkennen. Selbst wenn nach wie vor von dem (nur mehr für begünstigte Erwerbsvorgänge relevanten) Dreifachen des Einheitssatzes auszugehen wäre, hätte das Rekursgericht den Entscheidungsgegenstand im Ergebnis richtig mit 30.000 EUR nicht übersteigend bewertet. Die Tatsache, dass der im Kaufpreis zum Ausdruck kommende Verkehrswert den aliquoten Anteil am dreifachen Einheitswert der Liegenschaft um ein Vielfaches übersteigt, ist als notorisch anzusehen (vgl VfGH G 135/2014) und findet auch im Ergebnis entsprechender Erhebungen beim Finanzamt B***** Bestätigung.
4. Der Entscheidungsgegenstand übersteigt demnach 30.000 EUR nicht. Das Rekursgericht hat den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt, sodass der Revisionsrekurs ohne Abänderung dieses Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG jedenfalls unzulässig ist. Erhebt eine Partei dennoch ein Rechtsmittel, ist dieses, auch wenn es als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist, dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Der Oberste Gerichtshof darf nämlich darüber nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz nach § 63 Abs 3 AußStrG ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS‑Justiz RS0109623). Solange das Rekursgericht nicht auf eine Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs entschieden hat, ist der Oberste Gerichtshof funktionell unzuständig (RIS‑Justiz RS0109623 [T20]).
5. Das Erstgericht wird das Rechtsmittel daher dem Rekursgericht vorzulegen haben. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Rechtsmittelwerber hier keinen Antrag auf Abänderung des Ausspruchs nach § 63 Abs 1 AußStrG gestellt hat, weil dieser Mangel nach § 10 Abs 4 AußStrG grundsätzlich verbesserungsfähig ist (RIS‑Justiz RS0109623). Ob der Schriftsatz der Rechtsmittelwerber den Erfordernissen an eine solche Zulassungsvorstellung entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS‑Justiz RS0109623 [T5, T8, T14]).
Aus diesen Erwägungen ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.
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