European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00068.22M.0923.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger ist Rechtsanwalt und vertrat als solcher J* (Autor) in einem Strafverfahren wegen mehrfachen Mords. Der Autor übertrug dem Kläger Werknutzungsrechte an seinen literarischen Werken und Rechte zur Bildnisverwertung, wobei der Kläger die Geldmittel aus den Verwertungen zur Abdeckung seiner Kosten verwenden und darüberhinausgehende Beträge dem Autor zukommen lassen sollte. Der Autor erklärte dem Kläger gegenüber in der Folge nicht, dass er das Werknutzungsrecht einschränke oder zurücknehme. Allerdings erklärte er in einer späteren „Vollmacht“ an die beklagte Rechtsanwältin die Zession von Rechten an seinen Werken und Bildern an den Kläger als nichtig und sprach aus, dass alle Rechte an die Beklagte übergingen. Der Kläger konnte sein Honorar vom Autor, der vor rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens starb, nicht einbringlich machen.
[2] Die Beklagte veröffentlichte ein Buch über ihre Beziehung mit dem Autor, das auch Tagebuchaufzeichnungen desselben enthielt. Weiters veröffentlichte sie das „Prozesstagebuch“ des Autors, gab zahlreiche Interviews und veranstaltete Präsentationen ihrer Bücher.
[3] Das Erstgericht erkannte mit Teilurteil die Beklagte für schuldig, es zu unterlassen, sämtliche vom Autor vor bzw während seiner Haft verfassten Aufzeichnungen und Bücher zu veröffentlichen und/oder zur Verfügung zu stellen, sowie Rechnung darüber zu legen, wem sie Verwertungsrechte übertragen und wie viele Bücher von ihren beiden Werken sowie von anderen Werken, die Aufzeichnungen des Autors enthalten, verkauft wurden und welchen Gewinn sie daraus erzielt hat, weiters sämtliche beanstandeten Werke zu vernichten und darüber Nachweis zu liefern, sowie das Unterlassungsbegehren in der Tageszeitung „Kronen‑Zeitung“ zu veröffentlichen. Das darüberhinausgehende Veröffentlichungsbegehren wurde abgewiesen und die Entscheidung über die Begehren auf angemessenes Entgelt, Schadenersatz und Gewinnherausgabe blieben der Endentscheidung vorbehalten.
[4] Das Berufungsgericht änderte das Teilurteil dahin ab, dass das Veröffentlichungsbegehren zur Gänze abgewiesen wurde. Den Wert des Entscheidungsgegenstands bemaß es mit 30.000 EUR übersteigend und die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die Beklagte zeigt mit ihrer außerordentlichen Revision keine erheblichen Rechtsfragen auf.
[6] 1.1. Durch die Einräumung eines Werknutzungsrechts wird ein vom Verwertungsrecht des Urhebers verschiedenes absolutes Recht begründet. Seine Bestellung ist keine Rechteübertragung, sondern eine konstitutive Rechtebegründung im Sinne einer Belastung des Urheberrechts (RS0077657). Der Urheber hat sich, soweit das Werknutzungsrecht reicht, so wie ein Dritter der Benutzung des Werks zu enthalten (RS0077713). Wie weit ein im konkreten Fall eingeräumtes Werknutzungsrecht inhaltlich, zeitlich und räumlich reicht, ist eine Rechtsfrage, der aufgrund der Einzelfallbezogenheit in der Regel – krasse Fehlbeurteilung ausgenommen – keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0124003 [T1]).
[7] 1.2. Der Autor übertrug dem Kläger ein zeitlich unbeschränktes Werknutzungsrecht. Die Vereinbarung sollte so lange gelten, bis der Kläger die Kosten für die Vertretung des Autors zur Gänze hereingebracht hat. Nach den Tatsachenfeststellungen konnte der Kläger sein Honorar nicht einbringlich machen. Auch hat der Autor dem Kläger gegenüber niemals erklärt, dass er das Werknutzungsrecht einschränke oder vorzeitig zurücknehme (§ 29 UrhG). Die Vorinstanzen sind daher vertretbar vom nach wie vor gegebenen aufrechten Bestand des Werknutzungsrechts des Klägers ausgegangen. Ebenso vertretbar ist die Verneinung der Verjährung der Honorarforderung des Klägers; dies schon mangels Dartuung konkreter und nachvollziehbarer verjährungsbegründender Tatsachen durch die Beklagte (vgl RS0034198). Im Hinblick auf den aufrechten Bestand der Honorarforderung gehen auch die Revisionsausführungen zum angeblichen Sicherungscharakter des Geschäfts und dessen „Akzessorietät“ ins Leere.
[8] 2.1. Soweit die Beklagte die Honorarvereinbarung als sittenwidrig erachtet, weil es der Willkür des Klägers obliege, ob er das Werknutzungsrecht ausübe oder nicht, hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass das UrhG keine Ausübungspflicht des Nutzungsberechtigten kennt und eine solche auch nicht vereinbart wurde. Im Übrigen wäre es dem Autor gemäß § 29 Abs 1 UrhG möglich gewesen, den Vertrag über die Werknutzungsrechte wegen unzureichender Ausübung vorzeitig aufzulösen.
[9] 2.2. Zu der von der Beklagten angezogenen Bestimmung des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ist auszuführen, dass für die Annahme eines Wuchergeschäfts bei dem durch das Geschäft Benachteiligten gewisse Verhältnisse oder Eigenschaften vorhanden sein müssen, die ihn hindern, sein Interesse gehörig zu wahren (vgl RS0016864). Das Vorliegen derartiger Voraussetzungen wurde im vorliegenden Einzelfall (vgl RS0016864 [T6]; vgl RS0016861 [T1]) nicht dargetan.
[10] 2.3. Gemäß § 31 UrhG kann auch über erst zu schaffende Werke im voraus gültig verfügt werden. Diese Bestimmung sieht darüber hinaus ein besonderes Kündigungsrecht nach fünf Jahren vor, für das kein unvorhergesehener wichtiger Grund vorliegen muss und das auf Verfügungen über alle nicht näher oder nur der Gattung nach bestimmten künftigen Werke, die ein Urheber Zeit seines Lebens oder binnen einer fünf Jahre übersteigenden Frist schaffen wird, anwendbar ist (Salomonowitz in Kucsko/Handig, urheber.recht² § 31 UrhG Rz 1). Auch aus dem Umstand der Erstreckung des Werknutzungsrechts auf künftige Werke ist somit angesichts der im Gesetz explizit vorgesehenen Möglichkeit der Verfügung über erst zu schaffende Werke und angesichts der möglichen vorzeitigen Auflösung ebenfalls keine Sittenwidrigkeit abzuleiten.
[11] 3.1. Die Beklagte moniert weiters, dass das Berufungsgericht von den gesetzlichen Auslegungsregeln des § 915 ABGB und den Ausführungen des Senats im Provisorialverfahren zu 4 Ob 191/19w abweiche, sofern es die Vereinbarung auf künftige Werke beziehe.
[12] 3.2. Aus dem Umstand, dass in einem Sicherungsverfahren zum selben Tatsachenkomplex zwischen denselben Parteien aufgrund eines anderen als bescheinigt angenommenen Sachverhalts andere rechtliche Schlüsse gezogen werden könnten, lässt sich entgegen der Ansicht der Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage mit Bedeutung für die Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung ableiten (vgl 4 Ob 189/19a).
[13] 3.3. Die Auslegung von Willenserklärungen hat stets nach den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen, sodass sich dabei eine erhebliche Rechtsfrage in der Regel nicht stellt (RS0042555; RS0042936), sofern – wie hier – keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (vgl RS0112106 [T1]).
[14] 3.4. Wie schon vom Berufungsgericht dargelegt, bleibt für die Anwendung dieser Zweifelsregel bei einer (wie hier – ausreichend) konkreten Vereinbarung zwischen den Streitteilen kein Raum.
[15] 3.5. (Erst) Im Hauptverfahren war der Wille der vertragschließenden Parteien feststellbar, wonach die Vereinbarungen alle geschaffenen und künftig zu schaffenden Werke beinhalten. Die Rechteübertragung sollte dazu dienen, die Honorarforderungen des Klägers einbringlich zu machen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Autor ein ausschließliches Werknutzungsrecht über alle geschaffenen und künftig zu schaffenden Werke enthält, ist daher vertretbar und nicht korrekturbedürftig.
[16] 4.1. Die Beklagte beanstandet letztlich, dass das Unterlassungsbegehren zu unbestimmt und zu weit gefasst worden sei. Die Formulierung, wonach die Beklagte „sämtliche vo[m] [Autor] verfassten Aufzeichnungen“ nicht mehr veröffentlichen dürfe, verstoße gegen das in §§ 42 ff UrhG normierte Zitatrecht.
[17] 4.2. Beim Erfordernis der Bestimmtheit des Klagebegehrens als Voraussetzung für einen tauglichen Exekutionstitel handelt es sich um eine prozessuale Klagsvoraussetzung, deren Vorhandensein von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelverfahren zu prüfen ist (RS0037469).
[18] 4.3. Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist die Tauglichkeit des Unterlassungsbegehrens für ein mögliches Exekutionsverfahren (§ 355 EO) zu beurteilen (vgl RS0000878), zumal der Titel die Richtschnur für zukünftiges Verhalten bilden soll (vgl RS0119807). Das erfordert auch mit Blick auf § 7 Abs 1 EO (vgl RS0001019) die Bestimmtheit der zu unterlassenden Handlung (RS0002023).
[19] 4.4. An die Bestimmtheit von Unterlassungsbegehren sind aber nicht allzu strenge Maßstäbe anzulegen (Klicka in Angst/Oberhammer, EO3 § 355 Rz 8/2), da in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass dem Unterlassungsbegehren – wie hier – eine allgemeinere Fassung gegeben werden kann, um Umgehungen zu vermeiden (vgl RS0037733; RS0037607). Der Begriff „Aufzeichnungen“ ist in diesem Sinne noch vertretbar und verstößt nicht per se gegen das Zitatrecht der Beklagten, wie sich schon aus dem Umfang ihrer Übernahme von Aufzeichnungen des Autors in den beanstandeten Werken ergibt, der jedenfalls jegliches Zitatrecht sprengt (vgl 4 Ob 37/22b).
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