Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.552,07 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 258,68 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Im Herbst 2004 wollten beide Kläger jeweils 10.000 EUR frei verfügbares Geld veranlagen. Ihr Ziel war die Aussicht auf eine Rendite, die über der von Sparbucheinlagen liegt. Bei einem ersten Treffen händigte der für die Beklagte tätige Vermögensberater, der den Klägern auch schon früher verschiedene Finanzprodukte vermittelt hatte, den Klägern Unterlagen zum Durchlesen aus. Bei einem zweiten Treffen wurden die angebotenen Produkte genauer besprochen, wobei auch eine gewöhnliche Risikoaufklärung bis hin zur Möglichkeit eines Totalausfalls des eingesetzten Kapitals stattfand. Dabei füllte der Vermögensberater mit den Klägern auch ein „Anlegerprofil für die Zeichnung von mitunternehmerschaftlichen Beteiligungen“ aus, das die Kläger ebenso unterfertigten wie eine Beitrittserklärung, mit der sie eine Treuhänderin beauftragten, auf ihre Rechnung eine Kommanditbeteiligung einer bestimmten Emittentin in Höhe von 10.000 EUR zu erwerben. Diese Erklärung wies unter dem Punkt „Risikohinweise und Haftungsbeschränkungen“ einen Hinweis auf den „im ungünstigsten Fall möglichen“ Totalverlust des eingesetzten Kapitals auf. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die prognostizierten Erträge von einigen anderen Faktoren abhängen, „die in der Zukunft liegen“. Vor Unterfertigung der Beitrittserklärung erhielten die Kläger eine Informationsbroschüre über das als „Sachwert Rendite – Fond H*****“ bezeichnete Anlageprodukt und den Kapitalmarktprospekt, welche die Kläger aber ebensowenig durchgelesen hatten wie die schriftlichen Erläuterungen auf der Beitrittserklärung. Im Rahmen der Gespräche mit dem Vermögensberater kam es zu einer „umfangreichen Risikoaufklärung“, welche auch die Möglichkeit eines Totalverlusts des eingesetzten Kapitals umfasste. Auf dem Anlegerprofil wurde auch angekreuzt, dass sich der Unterzeichner „über das unternehmerische Risiko der gewählten Veranlagung bewusst“ sei. Er bestätigte auch, ausreichend Liquiditätsvorsorge getroffen zu haben und „Erfahrungen mit mitunternehmerschaftlichen Beteiligungen“ zu haben. Als Anlageziele gaben die Kläger „Steuervorteile“ und bei der Anlagedauer „langfristig“ an. Sie bestätigten auch, auf sämtliche Risiken hingewiesen worden zu sein und dass der Verkaufsprospekt samt der Risikoerklärung vorliege und verstanden worden sei.
In der den Klägern vor Abgabe ihrer Beitrittserklärung ausgehändigten Informationsbroschüre sind keine Risikohinweise enthalten, jedoch ein Verweis auf den Prospekt gemäß § 10 KMG. In diesem ebenfalls ausgehändigten Prospekt werden auf zwei Seiten die Risiken einer Beteiligung als Kommanditist geschildert. Dabei wird zwar nicht auf die Möglichkeit eines Totalverlusts hingewiesen, allerdings wird an anderer Stelle unter der Überschrift „Konkurs der Emittentin“ festgehalten, dass Anleger ihr gesamtes oder auch Teile ihres Eigenkapitals im Insolvenzfall verlieren können.
Den Klägern war bekannt, dass sie eine Kommanditbeteiligung an einer GmbH & Co KG erwerben, ihnen war auch das Anlagerisiko der Möglichkeit des Totalverlusts bewusst. Von einer Immobilienbeteiligung im Sinn eines Erwerbs ideeller Anteile an Liegenschaftsvermögen oder auch von einer Kapitalgarantie war nie die Rede.
Der Erstkläger ist HTL‑Ingenieur für Maschinenbau und war 32 Jahre lang als Betriebsleiter eines mittelständischen Unternehmens tätig, in dem er für die technische Entwicklung und die damit einhergehende Kalkulation der Preise sowie das Personalwesen verantwortlich war. Die Zweitklägerin hat in Deutschland die mittlere Reife und eine anschließende kaufmännische Lehre absolviert, diese mit Abitur abgeschlossen und war als Sachbearbeiterin und Sekretärin in verschiedenen Büros im kaufmännischen Bereich tätig. Die Kläger hatten bereits Erfahrungen mit Anlegergeschäften gemacht, der Erstkläger hatte dabei Kurse regelmäßig überprüft und nach eigenem Ermessen Aktien auch wieder verkauft. Weiters investierten sie auch 5.000 EUR in einen Hedgefonds (ohne Zulassung in Österreich).
Die Vorinstanzen wiesen die auf Beratungsfehler (keine Aufklärung über die typischen, mit dem Geschäft von vornherein verbundenen Risiken, insbesondere eines Totalverlusts des Kapitals, keine Aufklärung über das Mitunternehmerrisiko als Gesellschafter einer GmbH & Co KG, Beschreibung des Anlageprodukts als Immobilienbeteiligung) gestützte Schadenersatzklage ab, weil dem Vermögensberater kein Sorgfaltsverstoß anzulasten sei. Die Kläger seien bei Vertragsabschluss weder von einer Immobilienbeteiligung im Sinn eines Erwerbs ideeller Anteile an Liegenschaftsvermögen noch von einer Kapitalgarantie ausgegangen. Da die Kläger nach ihren Angaben im Anlegerprofil Erfahrungen mit mitunternehmerschaftlichen Beteiligungen gehabt hätten und insoweit keine Unerfahrenheit oder Informationsbedürftigkeit für die Beklagte erkennbar gewesen sei, habe es keiner weiteren Aufklärung über die typischen mit dem Geschäft verbundenen Risiken bedurft. Über das allgemein bekannte, in den den Klägern übergebenen Unterlagen auch schriftlich näher dargelegte, mit jeder Unternehmensbeteiligung verbundene Verlust‑, Insolvenz‑ und Haftungsrisiko samt Rückzahlungsverpflichtung hätten die Kläger nicht weiter aufgeklärt werden müssen. Dass auch ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals möglich sei, sei den Klägern ohnedies ausdrücklich mitgeteilt worden. Im Kapitalmarktprospekt und in der Informationsbroschüre, die den Klägern vor Unterfertigung der Vertragserklärung übergeben worden seien, sei ohnedies mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Liegenschaften zu etwa 56 % mit Fremdkapital finanziert worden seien und lediglich der Rest Eigenkapital der Gesellschaft sei.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil die Rechtsfrage ungeklärt sei, ob risikobereite Anleger, die eine Kommanditbeteiligung erwerben, nicht nur über die Gefahr des Verlusts des eingesetzten Kapitals, sondern auch über das Risiko einer Verpflichtung zur Rückzahlung bereits erfolgter Ausschüttungen, durch welche die Kommanditeinlage unter den Einlagebetrag gemindert worden sei, aufzuklären seien. Erheblich sei auch die Rechtsfrage, ob Anleger darüber informiert werden müssten, dass die Liegenschaften der Beteiligungsgesellschaft mit einem hohen Fremdkapitalanteil finanziert worden seien.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger, mit der sie ihr Schadenersatzbegehren weiter verfolgen, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Für den Umfang und die konkrete Ausgestaltung der nach den unstrittig hier nach dem Beratungszeitpunkt (Herbst 2004) noch anzuwendenden WAG 1996 der Beklagten obliegenden Beratungs‑ und Aufklärungspflichten sind grundsätzlich die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, deren Beurteilung regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (RIS‑Justiz RS0119752, RS0029601 [T4, T9 und T17]; RS0111165). Eine Fehlbeurteilung im Einzelfall, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS‑Justiz RS0106373), liegt hier nicht vor.
Dass die Beklagte die Kläger nicht über die allfällige Rückforderbarkeit von bereits erhaltenen Ausschüttungen informiert habe, wenn diese zu einer Verminderung der die Haftung begrenzenden Kommanditeinlage geführt habe, haben die Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht. Ergänzendes Vorbringen in diesem Zusammenhang im Rechtsmittelverfahren verstößt gegen das Neuerungsverbot. Überdies hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 6 Ob 193/15y – nachdem zu 10 Ob 28/15b diese Frage noch offen gelassen wurde – ausgesprochen, dass die Aufklärung über das Totalverlustrisiko die Aufklärung über die Rückforderbarkeit von „aus der Substanz“ geleisteter „Gewinnausschüttung“ nach deutschem Handelsrecht mitumfasst. Anderes gilt nur in dem etwa zu 3 Ob 112/15i beurteilten Sachverhalt, wenn der Anleger bereits über die Qualität der Ausschüttung als solche getäuscht und zur Annahme verleitet wurde, er erhalte eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Derartiges („Ausschüttungsschwindel“) ist im vorliegenden Fall weder vorgebracht noch festgestellt. Den Klägern war vielmehr bewusst, eine Unternehmensbeteiligung zu erwerben.
Im Hinblick darauf, dass die Kläger in der vor Vertragsabschluss übergebenen Verkaufsbroschüre über die überwiegende Fremdfinanzierung des Gesellschaftsvermögens informiert wurden (lediglich 35 Mio EUR Eigenkapital von geplanten 80 Mio EUR Gesamtinvestition, Hinweis auf die konkret geschätzten Darlehensrückzahlungsraten in der Vorschaurechnung), erübrigt sich die Beantwortung der Frage, ob die Kläger darüber informiert hätten werden müssen, dass die Liegenschaften mit einem hohen Anteil an Fremdkapital finanziert werden. Es ist daher auch kein Widerspruch zur Rechtsprechung zu ähnlichen Anlageprodukten zu erkennen, welche eine Irreführung über die Finanzierung des Gesellschaftsvermögens als wesentlich ansah (vgl 4 Ob 188/08p). Dass die Kläger die ihnen erteilten Informationen nicht zur Kenntnis nahmen (die ihnen vor Vertragsabschluss übergebenen Unterlagen nicht durchlasen), war weder von der Beklagten veranlasst, noch musste es ihr auffallen.
Dass aus den Umständen ein Mangel an einschlägigen Kenntnissen oder eine Fehlentscheidung des Kunden offenkundig geworden sei, sodass ein allgemeiner Hinweis auf das Totalverlustrisiko nicht ausreiche (vgl 7 Ob 64/04v; RIS‑Justiz RS0026135 [T8]), wurde gleichfalls weder vorgebracht noch festgestellt. Es liegt auch kein kreditfinanzierter Wertpapierkauf vor, der strengere Aufklärungspflichten auslöst (vgl 2 Ob 236/04h). Keine weitergehende Risikoaufklärung zu verlangen begründet daher keine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung.
Der im Rechtsmittel erhobene Vorwurf, das Berufungsgericht habe (ohne Beweiswiederholung oder ‑ergänzung) über die erstgerichtlichen Feststellungen hinausgehende Feststellungen getroffen, dadurch sei sein Verfahren mangelhaft geworden, ist nicht nachvollziehbar.
Die Revision der Kläger ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO; die Beklagte wies auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hin.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)