OGH 4Ob6/24x

OGH4Ob6/24x20.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Mag. Felix Fuchs, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. * G*, und 2. Mag. * G*, erstere vertreten durch Mag. Emil Golob, Rechtsanwalt in Ferlach, wegen 70.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien (Revisionsinteresse: 54.277,93 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 15. November 2023, GZ 4 R 146/23g‑34, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00006.24X.0320.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger als Verkäufer und die Beklagten als Käufer schlossen einen Kaufvertrag über eine Liegenschaft des Klägers samt dem darauf errichteten Wohnhaus und dem Inventar. Die Parteien vereinbarten zunächst mündlich einen Kaufpreis von 420.000 EUR. Später modifizierten sie diese Vereinbarung: 350.000 EUR sollten auf die Liegenschaft samt dem Haus und 70.000 EUR auf das Inventar entfallen. Die grundbuchstaugliche Urkunde über den Liegenschaftskaufvertrag sollte den Kaufpreis mit 350.000 EUR ausweisen. Die dem Inventar zugeordneten 70.000 EUR wiederum sollte der Kläger den Beklagten „als Darlehen zuzählen“.

[2] Am 6. Juli 2018 unterfertigten die Parteien zwei schriftliche Vertragsurkunden – einen Kaufvertrag und einen Darlehensvertrag.

[3] DerKaufvertrag lautete auszugsweise:

„2. Kaufvereinbarung

2.1. Der Verkäufer verkauft und übergibt das [...] Objekt samt dem gesetzlichen Zubehör jeweils zur Hälfte in das Eigentum der beiden Käufer, die beiden Käufer erwerben und übernehmen vom Verkäufer das Objekt samt Zubehör jeweils zur Hälfte in ihr Eigentum, dies mit allen Rechten, Befugnissen und Vorteilen, mit denen der Verkäufer die Liegenschaft besitzt und benützt bzw. zu besitzen und zu benützen berechtigt ist. [...]

2.3. Der Verkäufer und die beiden Käufer vereinbaren einen angemessenen Kaufpreis in Höhe von EUR 350.000,00 [...].“

[4] Der Darlehensvertrag lautete auszugsweise:

„1. Darlehensgewährung

Der Darlehensgeber gewährt den Darlehensnehmern ein Darlehen in Höhe von EUR 70.000,00 (in Worten: siebzigtausend Euro). Die Darlehensnehmer bestätigen mit ihrer Unterschrift unter diesem Vertrag den Erhalt des Darlehensbetrags in bar.

2. Tilgung des Darlehens

Das Darlehen ist, ohne dass es einer Kündigung bedarf, 2 (zwei) Jahre nach der Unterzeichnung dieses Vertrags zur Rückzahlung an den Darlehensgeber fällig.“

[5] Der Kläger übergab den Beklagten weder am Tag der Unterfertigung des Kaufvertrags noch zu einem anderen Zeitpunkt 70.000 EUR in bar.

[6] Bis zum 26. Juli 2018 zahlten die Beklagten dem Kläger „zur Tilgung des zugezählten Darlehens“ 9.000 EUR in bar. Weitere Zahlungen „zur Tilgung der Darlehenssumme“ erhielt er nicht.

[7] Am 10. August 2018 wurde das gleichteilige Eigentumsrecht der Beklagten an der Liegenschaft im Grundbuch einverleibt. Der von den Parteien beauftragte Treuhänder überwies dem Kläger daraufhin die von den Beklagten erlegten 350.000 EUR.

[8] Das Erstgericht gab dem auf die Zahlung von 70.000 EUR sA gerichteten Klagebegehren teilweise statt. Es berücksichtigte die Teilzahlung der Beklagten (9.000 EUR) sowie eine Gegenforderung der Beklagten (6.722,07 EUR) und sprach dem Kläger unter Abweisung des Mehrbegehrens 54.277,93 EUR sA zu. Rechtlich ging es von der wirksamen Gewährung eines Darlehens von 70.000 EUR an die Beklagten aus, das – abzüglich der Teilzahlung und der Gegenforderung – zur Rückzahlung fällig sei.

[9] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ergänzte, die Vereinbarungen der Parteien seien so auszulegen, dass die Beklagten dem Kläger den Betrag von 70.000 EUR nicht als Kaufpreis, sondern als Darlehen schulden sollten. Das sei ein wirksames, durch eine Novation begründetes „Vereinbarungsdarlehen“. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu, weil erhebliche Rechtsfragen nicht zu beantworten gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[11] 1.1. Ein Kaufvertrag kommt grundsätzlich bereits mit der Einigung über den Kaufgegenstand und den Kaufpreis zustande (RS0013973). Der Verkäufer erwirbt dadurch eine Kaufpreisforderung gegen den Käufer.

[12] 1.2. Die Parteien können die Kaufpreisforderung (oder einen Teil davon) jederzeit in eine Darlehensforderung novieren (§§ 13761379 ABGB).

[13] Schon vor dem Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz (DaKRÄG, BGBl I 28/2010) – bis dahin war das Darlehen ein Realvertrag, der erst mit der Übergabe der Sachen zustande kam (RS0019343) – war die Zulässigkeit der Begründung einer Darlehensschuld durch Novation anerkannt (sog „Vereinbarungsdarlehen“, RS0019381; 8 Ob 95/17d). Da der Darlehensvertrag nach dem geltenden Recht nun sogar ein Konsensualvertrag ist, der bereits mit der Willenseinigung der Parteien zustande kommt (6 Ob 104/18i mwN) und nur mehr die Rückgabepflicht des Darlehensnehmers an die Übergabe der Sachen knüpft(§ 983 ABGB), begegnet das „Darlehen kraft Novation“ weiterhin keinen Bedenken. Nur der Begriff „Vereinbarungsdarlehen“ ist seit dem DaKRÄG entbehrlich, weil jeder Darlehensvertrag ein Konsensualvertrag und damit ein „Vereinbarungsdarlehen“ ist.

[14] 2.1. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Beklagten würden dem Kläger seit 6. Juli 2020 (vgl Punkt 2. des Darlehensvertrags vom 6. Juli 2018) die Rückzahlung des durch Novation begründeten Darlehens schulden – soweit sie es nicht zurückgezahlt hatten (9.000 EUR) und nicht mit einer Gegenforderung aufrechnen konnten (6.722,07 EUR) –, bleibt im Rahmen dieser Rechtsprechung.

[15] 2.2. Die von den Beklagten betonte Feststellung, der Kläger habe ihnen niemals 70.000 EUR in bar übergeben, widerspricht der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht: Die am 6. Juli 2020 fällige Forderung des Klägers auf Rückzahlung des Darlehens (70.000 EUR) entstand bereits mit der Novation des auf das Inventar entfallenden Teils der Kaufpreisforderung in eine Darlehensforderung und dessen Einbehalt durch die Beklagten; auf diese Weise wurde ihnen der Darlehensbetrag „übergeben“ (§ 983 S 1 ABGB). Dass die Beklagten im Darlehensvertrag – falsch – „bestätigten“, der Kläger habe ihnen 70.000 EUR „in bar“ übergeben (Punkt 1. S 2 des Darlehensvertrags), ändert nichts daran, dass er ihnen tatsächlich ein Darlehen in dieser Höhe „gewährte“ (Punkt 1. S 1 des Darlehensvertrags).

[16] 2.3. Entgegen der Ansicht der Beklagten entfernt sich die Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht vom Klagegrund (vgl dazu RS0037522; RS0037551; RS0037794; RS0039998), hatte sich der Kläger doch in erster Instanz stets auf den Kaufvertrag und den Darlehensvertrag sowie darauf gestützt, den Beklagten ein Gelddarlehen über 70.000 EUR gewährt zu haben, das zur Rückzahlung fällig sei (zB S 2 des Schriftsatzes vom 4. Februar 2021, ON 9). Aufgrund dieses Vorbringens des Klägers geht auch das weitere Argument der Beklagten, das Berufungsgericht habe gegen das Verbot der Überraschungsentscheidung (§ 182a ZPO) verstoßen, ins Leere.

[17] 3. Zusammengefasst haben die Vorinstanzen in vertretbarer Weise eine wirksame Darlehensbegründung und eine Rückzahlungspflicht der Beklagten angenommen. Von einer aus Gründen der Rechtssicherheit auch im Einzelfall aufzugreifenden krassen Fehlbeurteilung (vgl RS0043253 [T7, T8]) kann keine Rede sein. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen des § 502 ZPO nicht vorliegen.

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