OGH 4Ob42/05p

OGH4Ob42/05p26.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Silke H*****, über den Revisionsrekurs des Kindes, vertreten durch die Mutter Gabriele J*****, diese vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 27. Oktober 2004, GZ 21 R 320/04i-63, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Grießkirchen vom 13. September 2004, GZ 1 P 133/98b-59, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 27. 3. 2003 (ON 53) wurde der Vater zuletzt zu einer monatlichen Unterhaltsleistung für das am 12. 11. 1991 geborene Kind von 407 EUR ab 1. 12. 2001 und zu 429 EUR ab 1. 4. 2003 verpflichtet. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren des Kindes wurde abgewiesen. Der Unterhaltsbemessung lagen ein Durchschnittsnettoeinkommen (inklusive Sonderzahlungen) des Vaters von 2.258,83 EUR monatlich und seine Sorgepflicht für die geschiedene Gattin von 218,02 EUR monatlich bis 31. 3. 2003 und von 110 EUR monatlich ab 1. 4. 2003 zugrunde. Der Unterhaltsanspruch des Kindes wurde mit 20 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzüglich 2 % (bis 31. 3. 2003) bzw 1 % (ab 1. 4. 2003) für die weitere Sorgepflicht des Vaters bemessen. Die Transferleistungen wurden nicht berücksichtigt. Der im Unterhaltsverfahren nicht vertretene Vater hatte keinen entsprechenden Antrag gestellt.

Am 7. 5. 2004 beantragte der Vater die Herabsetzung der Unterhaltsleistung rückwirkend ab 1. 1. 2004 auf 200 EUR monatlich und die Rückzahlung zu viel bezahlten Unterhalts von 10.880,19 EUR. Seine finanzielle Lage sei angespannt, neben den Unterhaltszahlungen für die geschiedene Frau und die Tochter müsse er Kredite aus der Ehe zurückzahlen, sein Einkommen sei aus betrieblichen Gründen zurückgegangen, die Kosten der Scheidung hätten alle finanziellen Mittel aufgebraucht. Es sei auch zu berücksichtigen, dass sich die Tochter von Freitag bis Sonntag bei ihm befinde, wodurch eine Doppelversorgung gegeben sei. Die auf die Zeiträume des Besuchsrechts entfallenden Beträge von 10.880,19 EUR verlange er zurück. Nach Belehrung beantragte der Vater die Anrechnung der von der Mutter bezogenen Familienbeihilfe (Aktenvermerk vom 9. 9. 2004, AS 310).

Das Kind, vertreten durch die Mutter, sprach sich gegen eine Unterhaltsherabsetzung aus.

Das Erstgericht setzte die Unterhaltsbeiträge ab 1. 1. 2004 auf 375 EUR herab. Das Herabsetzungsmehrbegehren und das Begehren auf Rückzahlung zu viel gezahlten Unterhalts wies es ab. Vom festgestellten Jahresnettoeinkommen des Vaters (26.407,66 EUR) und einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von monatlich 2.200 EUR ausgehend, errechnete das Erstgericht den monatlichen Unterhaltsbetrag unter Berücksichtigung der Prozentwertmethode (20 % für ein Kind im Alter von 10 bis 15 Jahren abzüglich 1 % für die weitere Sorgepflicht des Vaters) mit 418 EUR. Dieser Betrag sei unter Anwendung der vom Obersten Gerichtshof entwickelten Berechnungsgrundsätze durch teilweise Anrechnung der von der Mutter bezogenen Familienbeihilfe auf 375 EUR zu reduzieren. Kreditrückzahlungsraten auf die im Rahmen der Scheidung übernommenen Schulden seien eben sowenig anzurechnen wie Ausgaben des täglichen Lebens und die Verpflegung des Kindes während der Ausübung des Besuchsrechts.

Der Vater ließ die Abweisung des Herabsetzungsmehrbegehrens und seines Zahlungsbegehrens unbekämpft.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Herabsetzung auf 375 EUR monatlich gerichteten Rekurs des Kindes nicht Folge und sprach - auf Antrag gemäß § 14a AußStrG - aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, inwieweit ein Unterhaltspflichtiger, der im Zuge der letzten Unterhaltserhöhung, die nach Änderung der Rechtsprechung zur Familienbeihilfenanrechnung erfolgt sei, eine Anrechnung nicht begehrt habe, diese ohne wesentliche Änderung der Verhältnisse durch Unterhaltsherabsetzungsantrag erreichen könne. Die Einkommensminderung des Vaters von rund 3 % rechtfertige eine Herabsetzung des Unterhalts für sich allein zwar nicht, angesichts der in Bezug auf § 12a FLAG geänderten Rechtslage müsse es dem Vater aber möglich sein, eine Anrechnung der Familienbeihilfe zu fordern und damit seinen Einkommensverlust auszugleichen, obgleich er die Anrechnung der Familienbeihilfe im vorangehenden Unterhaltsbemessungsverfahren nicht beantragt habe. Ein anderes Ergebnis wäre vor allem im Hinblick darauf unbillig, dass der Vater im Unterhaltsbemessungsverfahren nicht vertreten gewesen und über die Möglichkeit der Anrechnung der Familienbeihilfe nicht belehrt worden sei. Er müsse daher auch jetzt noch die Anrechnung der Familienbeihilfe beantragen können. Ihre Anrechnung ergebe den vom Erstgericht festgesetzten monatlichen Unterhaltsbetrag.

Der Vater - ihm war die Möglichkeit einer Stellungnahme zum Revisionsrekurs eingeräumt worden - äußerte sich nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Kindes ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin macht geltend, die Vermögensverhältnisse hätten sich im Vergleich zum vorangehenden Unterhaltsbemessungsbeschluss nicht wesentlich geändert. Die Minderung der Unterhaltsbemessungsgrundlage um lediglich 3 % rechtfertige keine Neubemessung. Der Vater habe sich seinerzeit nicht auf die neue Rechtslage aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 19. 6. 2002, G 7/02, berufen, obwohl sie im Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 27. 3. 2003 schon hätte angewendet werden können. Die Transferleistungen könnten daher derzeit mangels Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände nicht angerechnet werden.

Die Revisionsrekurswerberin verweist damit auf die ständige Rechtsprechung, wonach auch im Außerstreitverfahren ergehende Beschlüsse, wie etwa Unterhaltsbemessungsbeschlüsse, der Rechtskraft fähig sind. Der Unterhalt kann nur dann neu festgesetzt werden, wenn sich die Rechtslage oder die Sachlage geändert hat oder wenn zur Zeit der Vorentscheidung bestehende Tatsachen dem Gericht erst nachträglich bekannt werden; eine tiefgreifende Änderung der Rechtsprechung wird einer Änderung der Rechtslage gleichgehalten (1 Ob 321/71 = SZ 44/180;8 Ob 596/93 = EFSlg 71.470; 2 Ob 541/94 = EvBl 1995/56; Schwimann, Unterhaltsrecht², 74 mwN).

Zu einer solchen Änderung der Rechtsprechung ist es im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Transferleistungen gekommen. In den Entscheidungen 4 Ob 134/03i, 6 Ob 159/02d und 6 Ob 91/03f hat es der Oberste Gerichtshof - in Übereinstimmung mit der Lehre (Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kinderunterhaltsansprüche, JBl 2003, 9 [14]) - noch abgelehnt, die Transferleistungen von Amts wegen zu berücksichtigen, und ausgesprochen, dass hiezu eine Einwendung des Unterhaltspflichtigen notwendig sei. Nach der Entscheidung 1 Ob 208/03z genügt es hingegen, dass der Unterhaltspflichtige dem Erhöhungsantrag überhaupt entgegentritt. Damit sei der Beurteilungsrahmen abgesteckt; innerhalb dieses Rahmens seien die - unstrittigen oder bescheinigten - Transferleistungen auch ohne ausdrücklichen „Antrag" zu berücksichtigen. In der Folge hat sich der 4. Senat dieser Rechtsprechung ausdrücklich angeschlossen (4 Ob 254/03m). Die Entscheidung 6 Ob 140/04p geht bereits von einer gefestigten jüngeren Rechtsprechung dahin aus, dass „die gesetzlich gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen durch 'Anrechnung' der dem betreuenden Elternteil zukommenden Transferleistungen (...) bei der Unterhaltsbemessung grundsätzlich auch ohne einen ausdrücklich darauf abzielenden Antrag des Unterhaltsschuldners - im Rahmen des durch die Sachanträge der Beteiligten abgesteckten Entscheidungsspielraums - zu berücksichtigen" sei.

Nach der nunmehrigen Rechtsprechung sind daher die Transferleistungen bei der Entscheidung über einen Erhöhungsantrag unabhängig davon zu berücksichtigen, ob der Unterhaltspflichtige ihre Berücksichtigung ausdrücklich begehrt. Hätte diese Rechtsprechung bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Unterhaltserhöhungsantrag (27. 3. 2003) bestanden, so wären die Transferleistungen zu berücksichtigen gewesen, obwohl der - unvertretene - Vater dies nicht ausdrücklich begehrt hatte. Die - insbesondere für Verfahren, in denen die Parteien häufig nicht anwaltlich vertreten sind - wesentliche Änderung der Rechtsprechung berechtigt den Vater, die Herabsetzung des Unterhalts durch Berücksichtigung der dem betreuenden Elternteil zukommenden Transferleistungen zu verlangen. Gegen die Höhe des aus diesem Grund angerechneten Betrags erhebt die Revisionsrekurswerberin keine Einwendungen.

Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben.

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