OGH 4Ob37/16v

OGH4Ob37/16v30.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Mag. (FH) A***** W*****, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch Korn & Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen zuletzt 34.885,71 EUR sA, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 25. November 2015, GZ 2 R 165/15y‑52, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 6. August 2015, GZ 7 Cg 97/12v‑48, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00037.16V.0330.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden ‑ abgesehen von der bereits in Rechtskraft erwachsenen Abweisung des Klagebegehrens im Ausmaß von 16.646,39 EUR sA - aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Kläger war von Oktober 2007 bis März 2012 für die beklagte Partei als Immobilienmakler zur Akquisition gewerblicher Immobilien- und Anlagenobjekte gegen Subprovisionen an den jeweils vereinnahmten Vermittlungsprovisionen auf Grundlage des folgenden als „Werkvertrag“ bezeichneten Vertrags tätig:

I.

Herr Mag. W***** übernimmt es, ab 1. Oktober 2007 für die A***** GmbH die in Punkt II. angeführten Tätigkeiten durchzuführen.

Ausdrücklich festgehalten wird, dass Herr Mag. W***** diese Tätigkeit selbstständig erbringt und er über den erforderlichen Gewerbeschein verfügt, der in Kopie diesem Vertrag beigelegt wird.

Herr Mag. W***** arbeitet bei freier Zeiteinteilung als selbstständiger Unternehmer, ist nicht weisungsgebunden und wird als solcher sein Einkommen selbst versteuern.

II.

Der Aufgabenbereich von Herrn Mag. W***** beinhaltet die Akquisition von verkäuflichen und vermietbaren gewerblichen Immobilienobjekten und Anlageobjekten sowie die Vermittlung von Käufern bzw. Mietern für diese Objekte.

Herr Mag. W***** ist berechtigt, nach eigenem Ermessen Provisionsvereinbarungen mit Kunden zu treffen.

Bei totalem Provisionsverzicht ist eine Absprache mit der A***** GmbH erforderlich.

Sollte die A***** GmbH die Ausführung eines von Herrn Mag. W***** vorgeschlagenen Geschäftes nachweislich und schriftlich ablehnen, so steht es Herrn Mag. W***** frei, dieses Geschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu betreiben. Für derartige Geschäfte sind zwischen der A***** GmbH und Herrn Mag. W***** schriftliche Vereinbarungen zu treffen.

III.

Herr Mag. W***** erhält für jene Geschäfte, die ausschließlich auf seine Vermittlungstätigkeit zurückzuführen sind, eine Subprovision in Höhe von 40 % der gesamten vereinnahmten Vermittlungsprovision.

Die Subprovision ist fällig nach definitivem Zahlungseingang auf dem Geschäftskonto der A***** GmbH und nach Legung einer schriftlichen und nachvollziehbaren Abrechnung für den jeweiligen Geschäftsfall. Sollte kein Zahlungseingang erfolgen, so steht Herrn Mag. W***** auch kein Provisionsanspruch zu.

Weitere Subprovisionen sind durch Herrn Mag. W***** selbst zu leisten oder werden von seiner Provision in Abzug gebracht.

Es wird eine monatliche Provisionsakontierung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 30. September 2009 in Höhe von EUR 2.300,00 zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer vereinbart, welche mit der 40‑%igen Subprovision aufgerechnet wird.

Sollte bei Ausscheiden von Herrn Mag. W***** dieses ausbezahlte Provisions-akonto höher sein als die bis dahin verdiente Provision, so gilt als vereinbart, dass seitens Herrn Mag. W***** keine Rückzahlung zu leisten ist.

IV.

Herr Mag. W***** verpflichtet sich, sämtliche kundenrelevanten Daten, deren Kenntnis er im Rahmen seiner Tätigkeit erlangt, strengstens zu verwahren und ausschließlich im Interesse der A***** GmbH zu handeln.

V.

Alle im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit anfallenden Betriebsaufwendungen (Kfz-, Übernachtungs-, Bewirtungskosten etc.) sind von Herrn Mag. W***** zu tragen.

VI.

Dieser Vertrag kann von beiden Seiten unter Einhaltung einer 4‑wöchigen Frist ohne jede Begründung jederzeit aufgelöst werden.

In diesem Fall sind die gegenseitigen Ansprüche im Sinne der Bestimmungen dieses Vertrages festzulegen, wobei nach Auflösung einlangende Provisionen erst nach Eingang auf dem Geschäftskonto der A***** GmbH zur Zahlung fällig werden.

Es wird vereinbart, dass sämtliche offene Ansprüche aus diesem Vertragsverhältnis bei sonstigem Verfall innerhalb von 3 Monaten ab Fälligkeit bei der A***** GmbH schriftlich geltend gemacht werden müssen.

VII.

Für den Fall von Rechtsstreitigkeiten aus diesem Vertrag unterwerfen sich beide Teile dem sachlich zuständigen Gericht der Stadt Salzburg.

 

Die Streitteile vereinbarten kein Konkurrenzverbot für den Kläger, sodass dieser berechtigt war, außerhalb seiner Zusammenarbeit mit der beklagten Partei Immobilien auch eigenständig zu vermitteln. Es war ihm allerdings untersagt, für die eigenen Aufträge Betriebsmittel der beklagten Partei zu verwenden.

Wenn der Kläger einen Auftrag für die beklagte Partei annahm, legte diese die Rechnung an den Kunden und leitete 40 % des empfangenen Betrags an den Kläger als Subprovision weiter (vgl auch Punkt III. des Vertrags). Gemäß der Vertragsvereinbarung bestand das Entgelt des Klägers ausschließlich in seiner von ihm verdienten Provision, es wurden ihm keine Aufwendungen für seine Tätigkeit ersetzt. Bei der Abrechnung der Provision zog die beklagte Partei die Akonti jeweils ab, sodass nur jener Betrag in Rechnung gestellt und in der Folge auch ausgezahlt wurde, der über die geleisteten Akontobeträge hinausging. Mit Zusatzvereinbarung vom 17. 9. 2009 vereinbarten die Parteien die Erhöhung des monatlichen Provisionsakontos auf 3.000 EUR netto. Die vom Kläger verdienten Provisionen waren während der Zusammenarbeit immer höher als die jeweiligen Akontobeträge. Während der Laufzeit des Vertrags erhielt er nie ein Entgelt, das nicht rein erfolgsabhängig war. Der Kläger war in seiner Tätigkeit für die beklagte Partei weisungsfrei, hatte keine vorgegebene Dienstzeit und benötigte für eine längere Abwesenheit nicht die Zustimmung der Beklagten. Wenn er auf Urlaub ging, teilte er dies der Geschäftsführung der beklagten Partei mit, die sich in Abwesenheit des Beklagten bei Bedarf auch um seine Projekte kümmerte. Niemals wurde dem Beklagten untersagt, einen Urlaub zu nehmen oder längere Zeit abwesend zu sein.

Der Kläger war auch insoweit frei in der Entscheidung, welche Provisionsvereinbarung er mit den Kunden trifft, allerdings musste er die Zustimmung der beklagten Partei dann einholen, wenn er ein Objekt für die Beklagte akquirierte, mit dem Kunden aber ausdrücklich vereinbarte, dass dieser keine Provision zu zahlen hätte.

Dem Kläger wurde im Büro der beklagten Partei ein Schreibtisch zugewiesen. Wie die unselbständigen Mitarbeiter erhielt er auch eine Einschulung in das betriebsinterne EDV‑System und die dazu notwendigen Informationen. In dieses Programm wurden alle relevanten Daten von Vermittlungsobjekten eingegeben, auch vom Kläger.

Entgegen Punkt I. des Vertrags verfügte der Kläger zu Beginn des Vertragsverhältnisses noch nicht über einen Gewerbeschein, diesen erhielt er erst ab 11. 6. 2008.

Der Kläger konnte an den für die Mitarbeiter angebotenen Shiatsu‑Kursen und Betriebsausflügen teilnehmen, was von der beklagten Partei (mit‑)finanziert wurde. Von der beklagten Partei erhielt er Visitenkarten, die ihn als deren Mitarbeiter auswiesen.

Die beklagte Partei löste am 19. 3. 2012 mit sofortiger Wirkung das Vertragsverhältnis auf. Der Grund ihrer Vorgangsweise waren Unstimmigkeiten bei einem Projekt und auch die Erkenntnis der beklagten Partei, dass der Kläger bei der Durchführung eigener Geschäfte die Betriebsmittel der Beklagten verwendete.

Bereits kurze Zeit nach Auflösung des Vertragsverhältnisses wandte sich der Kläger an die Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) und vermittelte dort (auch um der beklagten Partei zu schaden) mit einer schriftlichen Aufstellung bzw in seiner Einvernahme als Zeuge den Eindruck, dass er „ein Dienstnehmer der Beklagten“ gewesen sei. Er wies gegenüber der SGKK darauf hin, monatliche Zahlungen von 3.000 EUR erhalten zu haben, ohne näher darzulegen, dass es sich dabei um Akontobeträge handelt, die in weiterer Folge gegen erfolgsbezogene Provisionen gegenverrechnet wurden. Er behauptete weiters, dass eine regelmäßige Leistungserbringung vorausgesetzt worden sei und führte wahrheitswidrig an, es habe keine Konkurrenzklausel gegeben. Auch weitere Angaben, er sei sachlichen und persönlichen Weisungen unterworfen und seine Anwesenheit im Büro der beklagten Partei sei notwendig oder vorausgesetzt gewesen, entsprachen nicht der tatsächlichen Zusammenarbeit.

Die Behauptungen des Klägers führten zu einer gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA‑Prüfung) nach dem 2. Abgabenänderungsgesetz 2002 (BGBl I 2002/132) mit dem Ergebnis, dass die SGKK sich den Ausführungen des Klägers anschloss. Sie qualifizierte das Vertragsverhältnis bescheidmäßig nach § 4 Abs 1 und 2 ASVG und relevierte die Verletzung von Melde‑ und Beitragspflichten. Der beklagten Partei wurden Sozialversicherungsbeiträge von 65.053,83 EUR und ein Beitragszuschlag von 16.316,71 EUR vorgeschrieben. In weiterer Folge stellte das Finanzamt Salzburg-Stadt von der beklagten Partei Abgabennachforderungen in der Gesamthöhe von 40.066,42 EUR fest. Die beklagte Partei gab in diesen Verwaltungsverfahren durch ihre Vertreter Stellungnahmen ab und erhob gegen die verschiedenen Vorschreibungen jeweils Rechtsmittel, über die zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch nicht entschieden war. Die Rechtsvertretung der beklagten Partei stellte ihr für die Vertretung während der GPLA‑Prüfung Vertretungskosten in Höhe von 11.621,94 EUR und 2.628,36 EUR in Rechnung.

Der Kläger begehrte an Subprovisionen für vermittelte Immobiliengeschäfte aus Honorarnoten aushaftende Beträge, zuletzt 34.885,71 EUR samt Umsatzsteuer und Zinsen für ein unternehmensbezogenes Geschäft und stützte sich dabei auf den abgeschlossenen Werkvertrag. Im Laufe des Verfahrens (erstmals in der Tagsatzung am 26. 11. 2013) modifizierte der Kläger sein Vorbringen dahin, dass das Vertragsverhältnis tatsächlich nicht als Werkvertrag, sondern als Dienstverhältnis zu qualifizieren sei und verwies auf die Entscheidung der SGKK.

Die beklagte Partei bestritt einen Teil der Hauptforderung und hielt der Klagsforderung eine Reihe von Gegenforderungen entgegen. In der Tagsatzung am 26.11.2013 wandte sie auch rechtsanwaltliche Kosten der vom Kläger verursachten GPLA‑Prüfung als Gegenforderung ein. Der Kläger habe in einer Racheaktion wegen der vorzeitigen Beendigung des Werkvertrags durch bewusst unrichtige Behauptungen gegenüber der SGKK diese Prüfung verursacht, als deren Ergebnis die Prüfungsorgane unter ausschließlicher Zugrundelegung der tatsachenwidrigen Behauptungen des Klägers „ein Dienstverhältnis“ des Klägers zur beklagten Partei angenommen haben. Dadurch habe der Kläger einen Schaden in der Höhe der Vertretungskosten im Ausmaß von insgesamt 11.875,25 EUR verursacht.

Der Kläger bestritt eine Haftung für die durch diese Umqualifizierung entstandenen Kosten durch die SGKK und hob hervor, dass er ein sogenanntes Provisionsakonto erhalten habe, das nicht zu refundieren gewesen sei.

Das Erstgericht stellte mit seinem Urteil die Klagsforderung im Ausmaß von 18.239,32 EUR sA als zu Recht bestehend und im Ausmaß von 16.646,39 EUR sA als nicht zu Recht bestehend, die Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend fest und verurteilte die beklagte Partei (unter erkennbarer Abweisung des Mehrbegehrens von 16.646,39 EUR sA) zur Zahlung von 18.239,32 EUR sA.

Es vertrat in rechtlicher Hinsicht den Standpunkt, dass der Kläger für die beklagte Partei im Rahmen eines Werkvertrags tätig gewesen sei. Für die im Revisionsverfahren noch relevanten Gegenforderungen (Kosten des GPLA‑Verfahrens) ging es davon aus, dass diese nicht fällig seien. Erst wenn die öffentlich-rechtlichen Verfahren abgeschlossen sind, sei zu prüfen, ob der Aufwand der Beklagten in diesen Verfahren auf wissentlich falsche Angaben des Klägers zurückzuführen sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Gegenforderung im Ausmaß der Kosten des GPLA‑Verfahrens (11.875,25 EUR) als zu Recht bestehend feststellte und dem Kläger insgesamt nur 6.364,07 EUR samt Verzugszinsen daraus zusprach.

Zu den als Gegenforderung eingewandten Kosten des GPLA‑Verfahrens hielt es fest, dass die offenen verwaltungsrechtlichen Rechtsmittelentscheidungen die Fälligkeit des Schadenersatzanspruchs nicht hinderten. Der entsprechende Kostenaufwand sei nicht vom Ergebnis und Ausgang dieser Verfahren abhängig, weil die beklagte Partei die Kosten des Verfahrens unabhängig vom Ergebnis des Verfahrens tragen müsse. Dem Grunde nach sei der Schadenersatzanspruch berechtigt, weil sich aus den Feststellungen das Vorliegen eines Werkvertrags ergebe, zumal der Kläger ausschließlich ein erfolgsbezogenes Entgelt erhalten habe. Ein vom Erfolg des Klägers unabhängiges Lohnfixum sei nicht vorgelegen. Der Kläger habe die GPLA‑Prüfung samt den damit verbundenen Kosten durch sein bewusstes und absichtliches Vorgehen ausgelöst. Die Gegenforderung sei der Höhe nach nicht bestritten worden.

Das Berufungsgericht erachtete die ordentliche Revision zunächst für nicht zulässig.

Über einen Antrag des Klägers nach § 508 Abs 1 ZPO änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch dahin ab, dass es dessen ordentliche Revision für zulässig erklärte, weil der Kläger „eine solche Vielzahl möglicher Fehler des Berufungsgerichts aufzeigt, dass die Zulassung der Revision nach § 508 Abs 5 ZPO geboten erscheint“.

Die Revision des Klägers ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Vorinstanzen haben die Hauptforderung abschließend beurteilt. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher ausschließlich nur mehr die von der beklagten Partei geltend gemachte Gegenforderung wegen der im GPLA‑Verfahren entstandenen Kosten von 11.875,25 EUR, die sie im Wesentlichen darauf stützt, dass der Kläger gegenüber der SGKK wahrheitswidrig behauptet habe, er sei „als Dienstnehmer tätig gewesen“.

2. Das Berufungsgericht ist wegen der fehlenden Kostenersatzpflicht im Verwaltungsverfahren zutreffend davon ausgegangen, dass bereits das kostenverursachende Einschreiten des Rechtsvertreters zu einem positiven Schaden der beklagten Partei führte (vgl 1 Ob 211/14g mwN), wobei dessen Fälligkeit nicht vom Ausgang des Verwaltungsverfahrens abhängt.

3. Ob die beklagte Partei wegen ihres im Verwaltungsrechtsweg entstandenen Kostenaufwands erfolgreich aufrechnen kann, ist davon abhängig, ob der Kläger rechtswidrig und schuldhaft falsche Angaben gegenüber der SGKK machte, die auch dafür kausal waren, dass diese die GPLA‑Prüfung veranlasste, wodurch der beklagten Partei die als Schaden geltend gemachten Vertretungskosten entstanden sind.

4. § 1295 Abs 2 ABGB stützt eine Verpflichtung zum Ersatz der durch eine missbräuchliche Anzeige (bzw ein missbräuchliches Einschreiten) bei einer Behörde verursachten Schäden nur dann, wenn der Einschreiter wusste oder wenigstens wissen musste, dass sein Rechtsstandpunkt entweder der tatsächlichen Voraussetzungen entbehrt oder schon an sich unhaltbar ist, sodass sein gegenteiliger Standpunkt bei zumutbarer Aufmerksamkeit als schlechthin aussichtslos erscheinen muss oder er die Angaben gegenüber der Behörde gar überhaupt wider besseres Wissen oder mutwillig getätigt hat (vgl zur vergleichbaren Situation bei mutwilliger Prozessführung RIS‑Justiz RS0022840 [T11]). Wider besseres Wissen gegenüber einer Behörde erstattete Angaben sind dann rechtswidrig, wenn sie den Rahmen eines sachdienlichen Vorbringens überschreiten (vgl RIS‑Justiz RS0097183; RS0097195; RS0031927).

5. Das Berufungsgericht leitete aus den Feststellungen ab, dass die GPLA‑Prüfung samt der dort angefallenen Kosten durch das „bewusste Vorgehen des Klägers“ ausgelöst worden sei. Die behauptete Schädigung wurde vom Zweitgericht im Hinblick auf die „Feststellungen des Erstgerichts zum Vorliegen eines Werkvertrags“ erkennbar nur deshalb bejaht, weil dies den Angaben des Klägers zur Entlohnung widerspreche.

Abgesehen davon, dass die Qualifikation eines Vertragsverhältnisses als Werk- oder Dienstvertrag der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist (zB 9 ObA 46/13z), reicht das bisher vom Kläger erstattete Vorbringen bzw reichen die dazu getroffenen Feststellungen nicht aus, um die Rechtswidrigkeit, Kausalität und das Verschulden im Zusammenhang mit dem Einschreiten des Klägers bei der SGKK abschließend zu beurteilen.

6.1 Im Kern stützt sich der Vorwurf der beklagten Partei auf den Umstand, dass der Kläger gegenüber der SGKK wahrheitswidrig ausgeführt habe, er sei für die beklagte Partei „in völliger persönlicher Abhängigkeit und weisungsgebunden als Dienstnehmer“ tätig gewesen. Die als Gegenforderung eingewandten Vertretungskosten seien ua dadurch entstanden, dass sich die beklagte Partei im Verfahren gegen die Qualifikation des Klägers als Dienstnehmer in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht gewehrt habe.

6.2 Das insoweit bisher nicht weiter erörterte Vorbringen blieb jedoch widersprüchlich bzw unklar, weil sich aus diesem Vorwurf nicht ableiten lässt, ob der Kläger mit seinem Einschreiten bei der SGKK das Vorliegen eines „echten“ Arbeitsvertrags oder das Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit vorgetäuscht haben soll. Beides deckt sich nicht, weil auch bei einem freien Dienstverhältnis kein „echter“ Arbeitsvertrag vorliegt, ein freier Dienstnehmer den „echten“ Dienstnehmern sozialversicherungsrechtlich aber gleichgestellt ist (vgl § 4 Abs 4 ASVG).

Für den Vorwurf der Täuschung über einen „echten“ Dienstvertrag spricht der Hinweis, der Kläger habe wahrheitswidrig „persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit“ behauptet. Der Vorwurf, der Kläger habe über die Sozialversicherungspflicht getäuscht, kann hingegen daraus abgeleitet werden, dass die beklagte Partei den ihr entstandenen Schaden damit begründet, ihre Rechtsvertreter mussten Maßnahmen gegen die Qualifikation des Klägers als Dienstnehmer in sozialversicherungs-rechtlicher Hinsicht ergreifen.

6.3 Aus dem Vorbringen der beklagten Partei kann somit nicht zweifelsfrei abgeleitet werden, worin die Täuschung der SGKK durch den Kläger gelegen sein soll, die diesen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Die beklagte Partei übersieht offenbar, dass Sozialversicherungsträger im Rahmen einer GPLA‑Prüfung ein Vertragsverhältnis nicht ausschließlich danach prüfen, ob ein „echter“ Dienstvertrag (im Sinne des § 4 Abs 2 ASVG) oder ein Werkvertrag (bzw eine Tätigkeit als Unternehmer) vorliegt. Wegen der (im Wesentlichen) gleichen sozialversicherungsrechtlichen Stellung von „echten“ und freien Dienstnehmern gehört auch die Frage, ob ein sogenannter freier Dienstvertrag im Sinne § 4 Abs 4 ASVG vorliegt, zum Gegenstand dieser Prüfung.

6.4 Ist das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen als freier Dienstvertrag zu qualifizieren, läge durch die Angaben des Klägers keine rechtswidrige und für den geltend gemachten Schaden kausale Täuschung vor, sodass ein Schadenersatzanspruch schon deshalb zu verneinen wäre. Die vom Kläger durch sein Herantreten an die SGKK veranlasste GPLA‑Prüfung war dann schon wegen des Vorliegens eines freien Dienstvertrags geboten, sodass seine „wahrheitswidrigen“ Angaben den behaupteten Schaden nicht verursacht haben und auch nicht rechtswidrig sind. Selbst wenn aber der Vertrag als klassischer Werkvertrag zu qualifizieren ist und der Kläger ausschließlich selbstständig tätig war, wäre die Gegenforderung deshalb nicht zwingend zu bejahen. Ein auf § 1295 Abs 2 ABGB gestützter Schadenersatzanspruch wäre nämlich mangels Verschuldens dann zu verneinen, wenn der Kläger vertretbar vom Vorliegen eines freien Dienstvertrags ausgehen konnte.

6.5 

Die Qualifikation als freies Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs 4 ASVG ist für das Steuerrecht nicht maßgebend. Daraus kann für die beklagte Partei jedoch nichts abgeleitet werden, weil aus ihrem Vorbringen nicht gesichert hervorgeht, ob und in welchem Ausmaß die geltend gemachten Vertretungskosten (auch) auf das Einschreiten in (rein) steuerbehördlichen Verfahren zurückzuführen sind.

7. Zutreffend haben die Vorinstanzen das Bestehen eines „echten“ Arbeitsvertrags (erkennbar) verneint.

7.1 Der „echte“ Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag im Sinne des § 1151 ABGB ist vor allem durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, also durch dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers, gekennzeichnet, die sich in organisatorischer Gebundenheit, insbesondere an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle ‑ nicht notwendig auch an Weisungen über die Art der Ausführung der Tätigkeit ‑ äußert. Für den Arbeitsvertrag wesentlich ist daher eine weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers, der hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist, oder, wenn dieses Verhalten schon im Arbeitsvertrag vorausbestimmt oder unter Heranziehung anderer Regeln bestimmbar ist, zumindest dessen laufender Kontrolle unterliegt (RIS‑Justiz RS0021306).

7.2 Vor allem unter Berücksichtigung der vom Kläger völlig frei zu gestaltenden Arbeitsweise und Arbeitszeiteinteilung und des Umstands, dass er ‑ abgesehen von den Vorgaben zur Nutzung des EDV-Programms und der Pflicht, die Zustimmung der beklagten Partei einzuholen, wenn ein Kunde provisionsfrei gestellt werden sollte ‑ frei von Weisungen agieren konnte und auch durch ein Konkurrenzverbot nicht beschränkt war, ist mangels ausreichender persönlicher Abhängigkeit des Klägers ein „echter“ Arbeitsvertrag zu verneinen.

8. Die bisher getroffenen Feststellungen indizieren hingegen das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen freien Dienstvertrags.

8.1 Der freie Dienstvertrag unterscheidet sich vom („echten“) Dienstvertrag iSd §§ 1151 ff ABGB besonders durch die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbst zu regeln und jederzeit zu ändern, also durch das Fehlen der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit (RIS‑Justiz RS0021518). Der freie Arbeitnehmer verpflichtet sich nicht dazu, ein bestimmtes Werk herzustellen oder einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Er ist vielmehr nur dazu verhalten, dem Vertragspartner auf eine gewisse Zeit seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Es geht beim freien Arbeitsvertrag um die vertraglich eingeräumte Verfügungsmacht über die Arbeitskraft des Vertragspartners, also die Bereitschaft, eine gewisse Zeit hindurch bloß gattungsmäßig umschriebene Leistungen zu erbringen. Charakteristisch für den freien Arbeitsvertrag ist, dass bei ihm nicht jenes Maß an persönlicher Abhängigkeit gegeben ist, das zur Qualifikation als „echter“ Arbeitsvertrag führen würde (RIS‑Justiz RS0021740). Bei der Abgrenzung zwischen einem freien Dienstvertrag und einer selbstständigen Tätigkeit ist nicht auf die Bezeichnung und die Gestaltung des (schriftlichen) Vertrags, sondern auf die allenfalls davon abweichende tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses abzustellen (RIS‑Justiz RS0111914).

8.2 Im Zusammenhang mit der Prüfung der Sozialversicherungspflicht von Verträgen hat der Verwaltungsgerichtshof in vielen Fällen Vertragsverhältnisse, die von ihrer Gestaltung mit dem hier zu prüfenden vergleichbar sind, als freie Dienstverhältnisse qualifiziert (vgl GZ 2005/08/0082 [Warenpräsentator]; GZ 2007/08/0107 [auf Provisionsbasis zu entlohnender Werber]; GZ 2007/08/0153 [Versicherungsvertreter]; GZ 2011/08/0058 [Maklerunternehmen]). Diesen Fällen lag ‑ ebenso wie dem hier zu prüfenden Vertragsverhältnis ‑ zugrunde, dass im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen die wesentlichen Betriebsmittel vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, die Dienstnehmer sich ihre Arbeit und Arbeitszeit frei einteilen konnten und sie nicht an Weisungen gebunden waren.

8.3 Das Berufungsgericht hat (ausschließlich) wegen der erfolgsabhängigen Bezahlung das Vorliegen eines Werkvertrags bejaht. Diese Beurteilung greift zu kurz.

Zum einen lässt sich eine solche aus den Feststellungen nicht zwingend ableiten. Es steht lediglich fest, dass die Provisionen während des Vertragsverhältnisses immer höher als die Akontozahlungen waren. Daraus allein kann nicht geschlossen werden, dass das Akonto im Ergebnis (auch) kein unabhängiges Lohnfixum war, blieb doch insbesondere unklar, was gelten soll, wenn die Provisionen geringer waren als der dafür veranschlagte Akontobetrag. Im letzten Absatz von Punkt III. wurde zumindest für den Fall der Vertragsauflösung eine Rückzahlung des Klägers ausgeschlossen, sodass jedenfalls insoweit eine erfolgsabhängige Bezahlung nicht zwingend war.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die beklagte Partei kein Lohnfixum schuldete, wäre deswegen nicht zwingend auf eine selbstständige Tätigkeit bzw einen Werkvertrag zu schließen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Sozialversicherungspflicht begründet eine provisionsbezogene Entlohnung allein noch keinen Werkvertrag (vgl zB VwGH GZ 96/08/0053; GZ 2007/08/0107; GZ 2007/08/0153). Somit steht einer Versicherungspflicht nach § 4 Abs 4 ASVG auch nicht das Fehlen einer erfolgsunabhängigen Entlohnung zwingend entgegen.

9. Wegen des widersprüchlichen (und damit unschlüssigen) Vorbringens der beklagten Partei und der bisher getroffenen Feststellungen, die die rechtliche Qualifikation des Vertragsverhältnisses als freier Dienstvertrag nahelegen, kann ‑ entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ‑ das Zurechtbestehen der Gegenforderung nicht auf die bisherigen Verfahrensergebnisse gestützt werden. Hat das Einschreiten des Klägers bei der SGKK dazu geführt, dass eine bislang nicht offenbarte sozialversicherungspflichtige Tätigkeit im Zuge einer GPLA‑Prüfung untersucht wird, wären die für einen Schadenersatzanspruch im Zusammenhang mit den deshalb angefallenen Vertretungskosten notwendigen Elemente (kausales, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten) auch dann zu verneinen, wenn nicht sämtliche Angaben des Klägers den tatsächlichen Verhältnissen entsprachen und es (auch) in seiner Absicht lag, der beklagten Partei zu schaden.

10.1 Das Verbot von Überraschungs-entscheidungen verbietet allerdings eine abweisende Sachentscheidung unter Zugrundelegung des bisherigen Vorbringens und der getroffenen Feststellungen ohne weiterer Erörterungen mit den Streitteilen. Die beklagte Partei hat offenbar übersehen, dass hier neben einer rein selbstständigen Tätigkeit und einem „echten“ Arbeitsvertrag auch ein freier Dienstvertrag in Betracht kommen kann, der in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht mit dem „echten“ Arbeitsvertrag gleichgesetzt ist.

10.2 Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Der weitere Rechtsgang hat sich auf die Prüfung der Gegenforderung zu beschränken, weil die Entscheidung über die Hauptforderung abschließend erledigt wurde. Der beklagten Partei wird Gelegenheit zu geben sein, ihr Vorbringen zu den dem Kläger vorgeworfenen Handlungen unter Berücksichtigung der dargelegten Rechtslage zu präzisieren und daraus schlüssig einen Schadenersatzanspruch abzuleiten. Nach Maßgabe des wechselseitigen Vorbringens werden erforderlichenfalls weitere Feststellungen zum Vertragsverhältnis zu treffen sein, um einen Zusammenhang zwischen allfälligen Täuschungshandlungen des Klägers im Zuge dessen Einschreitens bei der SGKK und dem behaupteten Schaden prüfen zu können.

10.3 Sollte die Gegenforderung als zu Recht bestehend festgestellt werden, ist zu beachten, dass die Verzugsfolgen bezüglich der Hauptforderung erst mit dem Zeitpunkt enden, in dem die Fälligkeit beider Forderungen eingetreten ist (7 Ob 604/86; 2 Ob 275/97y). Hier ist zu berücksichtigen, dass die Schadenersatzfordung erst am 26. 11. 2013 beziffert als Gegenforderung eingewandt und damit fällig gestellt wurde (RIS‑Justiz RS0023392), sodass die Verzugsfolgen aus der Hauptforderung im Ausmaß des eingewandten Betrags erst mit diesem Tag enden.

11. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.

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