OGH 4Ob258/16v

OGH4Ob258/16v24.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden unddie Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI (FH) H***** G*****, vertreten durch Dr. Ingrid Neyer, Rechtsanwältin in Feldkirch, gegen die beklagte Partei I***** G*****, vertreten durch Dr. Horst Lumper, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 6.690 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 29. September 2016, GZ 2 R 253/16w‑14, womit das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 10. August 2016, GZ 4 C 870/15y‑9, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00258.16V.0124.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Kläger war aufgrund des zwischen den Streitteilen am 11. 6. 2014 geschlossenen Scheidungsvergleichs zu einer monatlichen Unterhaltsleistung an die beiden gemeinsamen Kinder von jeweils 915 EUR und an die Beklagte von 700 EUR verpflichtet, wobei von einem monatlichen Nettoeinkommen des Klägers von 5.200 EUR ausgegangen wurde.

Am 30. 12. 2014 teilte der Kläger der Beklagten ohne nähere Details mit, dass er gekündigt worden sei, sein Arbeitslosengeld ab Jänner 2015 voraussichtlich 1.500 EUR betrage und er den monatlichen Unterhalt für sie und auch die Kinder mit insgesamt 600 EUR veranschlage. In weiterer Folge bezahlte der Kläger im Jänner 2015 lediglich einen Pauschalbetrag von insgesamt 600 EUR an Kindes‑ und Ehegattenunterhalt. Der Beklagtenvertreter forderte mit Schreiben vom 13. 1. 2015 den Kläger auf, den offenen Betrag zu überweisen. Bei der Berechnung des Unterhalts sei nicht auf das tatsächliche Nettoeinkommen, sondern auf die potenzielle Leistungsfähigkeit abzustellen. Die Klagsvertreterin replizierte am 19. 1. 2015 dahin, dass der Kläger seine Arbeitsstelle mit Dezember 2014 unverschuldet verloren habe und ab 1. 1. 2015 arbeitssuchend gemeldet sei. Es liege in seinem Interesse, so schnell wie möglich eine neue Arbeitsstelle zu finden, die auch seiner Qualifikation entspreche. Ausgehend vom zu erwartenden Arbeitslosengeld von ca 1.500 EUR habe er die Unterhaltsbeiträge entsprechend reduziert.

Am 27. 1. 2015 stellte der Kläger beim Bezirksgericht Dornbirn einen Unterhaltsherabsetzungsantrag für seine beiden Kinder beginnend mit 1. 1. 2015 auf monatlich 230 EUR je Kind. Am 5. 2. 2015 beantragten die durch die Beklagte bzw ihren Rechtsvertreter vertretenen Kinder beim Bezirksgericht Dornbirn die Bewilligung der Fahrnis- und Gehaltsexekution zur Hereinbringung des rückständigen Unterhalts von 1.430 EUR sA sowie des laufenden Unterhalts laut Scheidungsvergleich. In weiterer Folge stellte das Exekutionsgericht die bewilligte Exekution wegen Zahlung der betriebenen Forderung durch den Kläger ein. Dieser bezahlte für den Zeitraum von Februar bis Mai 2015 auch den von ihm laut Titel geschuldeten Unterhalt der Kinder von 7.320 EUR zu Handen der Beklagten. Diese Beträge wurden bereits verbraucht.

Unter teilweiser Stattgebung des klägerischen Antrags setzte das Pflegschaftsgericht mit Beschluss vom 21. 5. 2015 dessen monatliche Unterhaltsverpflichtung für die beiden Kinder für den Zeitraum 1. 1. 2015 bis 31. 3. 2015 auf jeweils 230 EUR und ab 1. 4. 2015 auf jeweils 270 EUR herab.

Der Kläger begehrte die Überbezahlung des Kindesunterhalts und zwar – für das Revisionsverfahren noch relevant – aus dem Titel des Schadenersatzes. Trotz Kenntnis von seiner Arbeitslosigkeit habe die Beklagte das Exekutionsverfahren gegen ihn eingeleitet. Sie habe die unrechtmäßige Entgegennahme von Unterhaltszahlungen zumindest in Kauf genommen und damit den Schaden verursacht. Durch ihr Verhalten sei der Kläger zur Zahlung einer Nichtschuld veranlasst worden.

Die Beklagte wandte ein, dass der Kläger gegen die Exekution mit Oppositionsklage und Aufschiebungsantrag hätte vorgehen können. Ihr seien keine Gründe für die Kündigung mitgeteilt worden. Die Unterhaltszahlungen seien den Kindern zugute gekommen und von ihnen gutgläubig verbraucht worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen das stattgebende Ersturteil Folge und wies die Klage ab. Die Beklagte habe den Kläger weder getäuscht noch ihm gegenüber eine Informationspflicht verletzt. Der Ersatz eines Schadens wegen einer Verfahrensführung komme nur dann in Frage, wenn die Partei den Prozess trotz erkennbarer Unhaltbarkeit ihres Rechtsstandpunkts führe, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Die Einleitung des Exekutionsverfahrens sei daher nicht rechtswidrig gewesen. Das Berufungsgericht erachtete die ordentliche Revision zur Frage zulässig, ob ein Schadenersatzanspruch wegen der Betreibung und der Entgegennahme von Unterhaltsleistungen auch dann in Betracht kommen kann, wenn weder eine Verletzung von Informationspflichten noch ein Irrtum des Unterhaltsschuldners vorliegt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden –berufungsgerichtlichen Zulassungsausspruchs aus Mangel an erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Der Kläger macht den Ersatz der ihm aus der Exekutionsführung entstandenen Nachteile, somit einen reinen Vermögensschaden geltend (vgl zB 8 Ob 300/98w; Fidler, Schadenersatz und Prozessführung [2014] 91 und 195). Im deliktischen Bereich ist die Haftung für derartige Schäden nur unter strengen Voraussetzungen möglich (RIS‑Justiz RS0023122; RS0125758).

2. Nach gesicherter Rechtsprechung sind Schadenersatzansprüche wegen der Führung von Verfahren unter den Voraussetzungen des § 1295 Abs 2 zweiter Halbsatz ABGB prinzipiell möglich (10 Ob 27/15s; RIS‑Justiz RS0022808). Dabei legt die Rechtsprechung allerdings einen strengen Beurteilungsmaßstab an. So wird als haftungsauslösendes Verhalten eine aussichtslose, unvertretbare oder schikanöse Prozessführung gefordert; im Zweifel ist kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen anzunehmen (vgl RIS‑Justiz RS0026205 [T9]). Der bloße Umstand, dass sich der obsorgeberechtigte Elternteil im Verfahren gegen einen Unterhaltsherabsetzungsantrag des anderen Elternteils wehrt bzw aufgrund eines aufrechten Titels einen Exekutionsantrag stellt, führt für sich allein noch nicht zu einer schadenersatzrechtlichen Haftung (vgl 8 Ob 133/06a), wohl aber eine mutwillige Prozessführung oder das Behaupten unwahrer Tatsachen (10 Ob 27/15s). Speziell im Pflegschaftsverfahren ist noch zu beachten, dass im Kindeswohl gesetzte Verfahrenshandlungen nicht als rechtsmissbräuchlich qualifiziert werden können (vgl 4 Ob 8/11x; idS auch 9 Ob 28/14d).

3. Daran gemessen ist die Entscheidung des Berufungsgerichts weder unter dem Gesichtspunkt einer Weiterentwicklung des Rechts noch aus Gründen der Rechtssicherheit anfechtbar. Die Erkennbarkeit der Aussichtslosigkeit einer Prozessführung bzw die Beurteilung einer Verfahrensführung als rechtsmissbräuchlich hängt nämlich immer von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass vom Obersten Gerichtshof nur eine grobe Fehlbeurteilung aufgegriffen und korrigiert werden könnte (vgl 6 Ob 33/02z; 5 Ob 261/02x; 9 Ob 28/14d). Eine solche Fehlbeurteilung liegt in der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, wonach der von der Beklagten zur unterhaltsrechtlichen Anspannung des Klägers vertretene Standpunkt nicht schon wegen der ihr bekannten Arbeitslosigkeit des Klägers von vornherein aussichtslos gewesen sei, nicht vor, zumal es am Unterhaltsschuldner liegt, zu behaupten und zu beweisen, dass er das frühere Einkommen nicht mehr erzielen kann (RIS‑Justiz RS0047536 [T3, T4]; RS0047503 [T3]). Dass das Berufungsgericht weder den bloßen Hinweis auf den Verlust des Arbeitsplatzes noch den Antrag auf Unterhaltsherabsetzung als ausreichenden Grund für die Rechtswidrigkeit der Einleitung des Exekutionsverfahrens oder der Entgegennahme von Unterhaltszahlungen qualifizierte, bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

4. Auch die im Rechtsmittel zitierte Entscheidung 6 Ob 197/08a kann die Zulässigkeit der Revision nicht stützen. In dieser Entscheidung wurde eine Schadenersatzpflicht der obsorgeberechtigten Mutter gegenüber dem unterhaltspflichtigen Vater bejaht, weil die Mutter dem Vater einen für den Unterhaltsanspruch des gemeinsamen Kindes maßgeblichen Umstand (Beginn einer Lehre) verschwieg, wobei sie wissen musste, dass der Vater nicht zur Unterhaltsleistung in der festgesetzten Höhe verpflichtet war und zu viel bezahlter Unterhalt zu seiner Schädigung führte. Dem Schadenersatzanspruch lag damit der Umstand zugrunde, dass dem Vater in Unkenntnis der verschwiegenen Umstände ein Schaden entstanden ist.

Daraus ist für den Kläger nichts abzuleiten, weil die in der Entscheidung bejahten spezifischen unterhaltsrechtlichen Informationspflichten hier mangels einer Informationsasymmetrie zulasten des Vaters nicht relevant sind. Beim Kläger lag gerade keine Unkenntnis relevanter Umstände vor, die ihn an der erfolgreichen Durchsetzung seiner Ansprüche im Unterhalts‑ bzw Exekutionsverfahren gehindert hätten. Zudem musste die Beklagte auch nicht wissen, dass der Kläger nach der Bekanntgabe der Arbeitslosigkeit nicht mehr zur Unterhaltsleistung in der Höhe laut Titel verpflichtet war.

5. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht hingewiesen und demgemäß auch nur beantragt hat, dieser nicht Folge zu geben, hat sie auch keinen Anspruch auf Honorierung ihrer Revisionsbeantwortung.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte