OGH 4Ob212/11x

OGH4Ob212/11x28.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte KG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 33.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 17. November 2011, GZ 30 R 37/11v-8, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 28. Juli 2011, GZ 19 Cg 84/11s‑3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0040OB00212.11X.0228.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen. Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der klagende Verein ist der Dachverband der neun Landesfußballverbände Österreichs und der österreichischen Fußball-Bundesliga. Er betreut die österreichische Fußball-Nationalmannschaft und gestaltet deren Trikot.

Die Beklagte gibt eine Gratiszeitung heraus. Am 31. Mai 2011 kündigte sie auf dem Titelblatt die Verlosung von Eintrittskarten für ein Länderspiel an. Die dort abgebildete Frau trug das Trikot der Nationalmannschaft.

 

Im Blattinneren nahm die Beklagte auf das Gewinnspiel Bezug und bildete dabei neuerlich die Frau im Trikot der Nationalmannschaft ab.

Soweit im Revisionsrekursverfahren noch relevant, beantragt der Kläger, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten,

„das Trikot der österreichischen Fußball‑Nationalmannschaft und/oder diesem verwechselbar ähnliche Trikots bzw. Bekleidungsstücke zu Zwecken der Werbung für das Unternehmen der [Beklagten], insbesondere die Tageszeitung 'H*****', zu verwenden, insbesondere Lichtbilder von Personen, die das Trikot der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft oder ein diesem verwechselbar ähnliches Trikot tragen, im Zusammenhang mit einem Gewinnspiel, bei welchem Eintrittskarten für ein Spiel der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft gewonnen werden können, zu verwenden.“

Der Kläger bringt vor, er habe rund um die Nationalmannschaft ein umfangreiches Merchandising- und Sponsorsystem entwickelt und dadurch deren wirtschaftlichen Wert erhöht. Das von der Beklagten in der Werbung abgebildete Trikot sei in Österreich allgemein bekannt. Die Beklagte habe in unlauterer Weise den guten Ruf der Nationalmannschaft ausgebeutet und sich den Aufmerksamkeitswert der Trikots zunutze gemacht.

Die Beklagte wendet ein, dass eine Rufübertragung wegen der völligen Verschiedenheit der von den Parteien angebotenen Leistungen nicht möglich sei. Die Beklagte habe nicht am guten Ruf der Nationalmannschaft angeknüpft, sondern allgemein Assoziationen zu Fußball und Österreich erweckt. Das Verbot verstoße gegen Art 10 EMRK, weil dieses auch die Bildberichterstattung über Spiele der Nationalmannschaft unmöglich mache.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Rufausbeutung sei wettbewerbswidrig, wenn sich der Verletzer an den guten Ruf einer fremden Ware oder Leistung anhänge, um ihn für den Absatz seiner eigenen Ware oder Leistung ‑ die auch ungleichartig sein könnten ‑ auszunutzen. Auch Emblemen von Fußballmannschaften komme wettbewerbsrechtlicher Schutz gegen die Ausbeutung ihrer Attraktivität zu. Die österreichische Nationalmannschaft genieße bei ihren Anhängern einen guten Ruf. Ihr seit fast zehn Jahren getragenes Heimtrikot habe einen hohen Bekanntheitsgrad. Durch dessen Verwendung in der Werbung werde der gute Ruf der Nationalmannschaft auf die Zeitung der Beklagten übertragen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Es sei gerichtsbekannt, dass weite Teile der österreichischen Bevölkerung der Nationalmannschaft trotz gelegentlicher Kritik an ihren Leistungen grundsätzlich Sympathie entgegen brächten. Die Hoffnung, das jeweils bevorstehende Spiel werde gewonnen, erwecke positive Assoziationen. Dass die Werbung der Beklagten insgesamt den Zweck gehabt habe, die Verbreitung ihrer Zeitung zu fördern und deren Popularität zu erhöhen, bedürfe keiner weiteren Argumentation. Ebenso sei gerichtsbekannt, dass das Trikot der Nationalmannschaft seit Jahren die Farben der Bundesflagge wiedergebe. Rufausbeutung sei auch dann sittenwidrig, wenn die beteiligten Parteien voneinander verschiedene Produkte vertrieben. Der Umstand, dass die Beklagte das Trikot sowohl am Titelblatt als auch im Blattinneren als Blickfang verwendet habe, lasse keinen Zweifel am Versuch, die Aufmerksamkeit des Publikums durch die Bekanntheit des Leibchens zu erhöhen und sich dadurch zunutze zu machen.

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil die Rechtslage zur Ruf- und Aufmerksamkeitsausbeutung einer Klarstellung bedarf. Er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Ob Rufausnutzung ieS vorliegt, kann offen bleiben.

1.1. Unlautere Rufausbeutung setzt nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats die Gefahr einer Rufübertragung voraus (4 Ob 105/97p = ÖBl 1997, 225 ‑ Boss-Energydrink; Wiebe in Wiebe/G. Kodek, UWG [2009] § 1 Rz 610). Die angesprochenen Kreise müssen daher die Qualitätsvorstellungen, die sie mit einem bestimmten Unternehmen oder einer bestimmten Ware oder Dienstleistung verbinden, auf ein anderes Unternehmen oder eine andere Ware oder Dienstleistung übertragen („Imagetransfer“, vgl BGH I ZR 30/07, GRUR 2009, 500 ‑ Beta Layout mwN).

1.2. Für eine solche Rufübertragung ist zwar die Gleichartigkeit des Unternehmensgegenstands oder der Waren und Dienstleistungen nicht erforderlich (4 Ob 105/97p ‑ Boss-Energydrink; 4 Ob 166/01t = ÖBl 2003, 28 ‑ VOGUE; RIS‑Justiz

RS0108025); die übernommenen Zeichen müssen auch nicht Sonderrechtsschutz genießen (4 Ob 167/97f = ÖBl 1998, 182 ‑ Fußballverein-Logos). Wohl aber muss es objektiv möglich sein, dass das Publikum die für das Ausgangsunternehmen oder -produkt typischen Qualitätsvorstellungen auf das Zielunternehmen oder -produkt überträgt. Für die Beurteilung dieser Frage kommen mehrere Kriterien in Betracht. Eine Rufübertragung wird umso weniger stattfinden, je weiter die Unternehmensgegenstände oder Produkte von einander entfernt sind. Weiters werden auch die Überschneidung der Abnehmerkreise und die Art des Rufinhalts von Bedeutung sein (vgl zum entsprechenden Problem der Ausnutzung des guten Rufs einer bekannten Marke Ingerl/Rohnke, Markengesetz3 [2010] Rz 1385 mwN).

1.3. Im vorliegenden Fall trifft zwar zu, dass das Trikot der österreichischen Nationalmannschaft in den von der Werbung angesprochenen Kreisen in hohem Maße bekannt ist. Auch verbinden diese Kreise damit positive Assoziationen. Denn es ist gerichtsbekannt, dass die ‑ durchaus emotionale ‑ Beziehung vieler Fußballanhänger zu „ihrer“ Nationalmannschaft nicht bloß auf deren aktuellen Leistungen beruht, sondern auch auf irrationalen Erwägungen wie etwa einem Ansatz von Nationalstolz, der Erinnerung an vermeintlich bessere Zeiten und der Hoffnung auf zukünftige Erfolge. Diese Assoziationen werden bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Kreise auch durch das weithin bekannte Trikot der Nationalmannschaft hervorgerufen.

1.4. Dennoch ist zweifelhaft, ob eine Rufübertragung im engeren Sinn stattfindet. Denn die Wertschätzung, die Fußballanhänger der Nationalmannschaft entgegenbringen, bezieht sich ausschließlich auf sportliche Leistungen. Die damit verbundenen Qualitätsvorstellungen haben daher einen konkreten Bezugspunkt, der sich vom Unternehmensgegenstand der Beklagten deutlich unterscheidet. Damit ist aber auch eine Übertragung dieser Qualitätsvorstellungen nur schwer vorstellbar. Anders als die Nationalmannschaft und ihr Trikot ist die Zeitung der Beklagten nicht als Auslöser und Anknüpfungspunkt für sportlich-patriotische Gefühle geeignet.

2. Auf die Frage, ob eine Rufübertragung ieS vorliegt, kommt es aber nicht an. Denn die Beklagte hat jedenfalls in unlauterer Weise die Bekanntheit (die Unterscheidungskraft) des Trikots ausgenutzt. Insofern besteht kein Unterschied zum Ausnutzen der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke (§ 10 Abs 2 MSchG; Art 9 Abs 1 lit c GMV).

2.1. Eine bekannte Marke ist vor der unlauteren Ausnutzung ihrer Wertschätzung und Unterscheidungskraft geschützt. Das trifft nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere dann zu, wenn ein Dritter versucht,

„sich durch die Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren, und ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen, die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen“ (C‑487/07 , L'Oréal, Rz 49).

Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des Senats auch für das Ausnutzen der (bloßen) Unterscheidungskraft einer bekannten Marke: Verwendet ein Dritter die bekannte Marke, um dadurch das Interesse des Publikums auf sein Produkt zu lenken, so profitiert er von der Bekanntheit dieser Marke, ohne dafür eigene Anstrengungen machen zu müssen; er hängt sich an die Bekanntheit der fremden Marke an, um den Absatz seiner eigenen Waren oder Dienstleistungen zu fördern (17 Ob 15/09v = MR 2009, 374 [Heidinger] = ÖBl 2010, 126 [Donath] ‑ Styriagra).

2.2. Die hohe Bekanntheit eines Zeichens ist meist mit einer positiven Grundeinstellung zu den damit bezeichneten Waren oder Dienstleistungen verbunden. Daher werden solche Zeichen bei den angesprochenen Kreisen in der Regel positive Emotionen hervorrufen. Dritte, die bekannte Zeichen in der Werbung für eigene Waren oder Dienstleistungen verwenden, nutzen in subtiler Weise diese positive Stimmung und fördern auch dadurch ihren eigenen Wettbewerb. Auch insofern partizipieren sie ohne eigene Leistung an den Kosten und Mühen, die der Inhaber des Zeichens aufwenden musste, um den hohen Bekanntheitsgrad und die damit meist verbundene Wertschätzung zu erreichen. Das Ausnutzen der Unterscheidungskraft (des Auffälligkeitswerts) wird daher in vielen Fällen ‑ auch ohne Rufübertragung ieS ‑ mit einem Ausnutzen der dem Zeichen entgegengebrachten Wertschätzung (des „Rufes“) einhergehen. Es liegt daher nahe, dass der EuGH beides unter dem Begriff des „Trittbrettfahrens“ zusammenfasst (C-323/09 , Interflora, Rz 74).

2.3. Diese Erwägungen gelten nicht nur bei eingetragenen Marken, sondern auch bei anderen Unternehmenskennzeichen, die hohe Bekanntheit erlangt haben und daher von Mitbewerbern (zumindest) zum Erwecken von Aufmerksamkeit für ihre eigenen Waren und Dienstleistungen herangezogen werden können. Denn die Gründe für den besonderen Schutz bekannter Marken (§ 10 Abs 2 MSchG; Art 9 Abs 1 lit c GMV) sind, wie sich schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt, lauterkeitsrechtlicher Natur. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn der diesbezügliche Schutz von der ‑ lauterkeitsrechtlich an sich irrelevanten ‑ Eintragung des Zeichens abhinge. Außerhalb des Anwendungsbereichs der markenrechtlichen Bestimmungen wird daher in den genannten Fällen idR ein sonstiges unlauteres Verhalten iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG vorliegen.

2.4. Zwar genügt nach ständiger Rechtsprechung das bloße Ausnutzen des Rufs für sich allein nicht, um die Unlauterkeit zu begründen; es muss etwas Anstößiges hinzutreten (RIS‑Justiz RS0118990; zuletzt etwa 4 Ob 110/10w = ÖBl 2011, 165 ‑ Musiktruch'n-Musigtruchn). Anhaltspunkte dafür bilden aber insbesondere die Verwendung identischer Zeichen und die ‑ außer bei konkreter Widerlegung ‑ meist naheliegende Zielrichtung, am fremden Ruf zu schmarotzen (4 Ob 36/04d = ÖBl 2004, 217 [Gamerith] - Firn; 17 Ob 14/10y = ÖBl 2011, 313 [Majchrzak] ‑ relaxx.at; RIS-Justiz RS0118990). Diese Grundsätze gelten auch beim hier im Vordergrund stehenden Ausnutzen der Unterscheidungskraft (des Auffälligkeitswerts). Unlauterkeit ist daher auch hier im Allgemeinen anzunehmen, wenn ein Dritter in der Werbung für eigene Waren oder Dienstleistungen ein identisches Zeichen verwendet und die auf dieser Grundlage naheliegende Zielrichtung, (zumindest) an der Bekanntheit dieses Zeichens zu schmarotzen, nicht konkret widerlegt.

2.5. Im konkreten Fall hat das Trikot der Nationalmannschaft eine kennzeichnende Funktion, die nicht nur der Unterscheidung der Mannschaften im konkreten Spiel dient. Vielmehr wird die Nationalmannschaft durch das von ihr ständig getragene Trikot ganz allgemein als solche identifiziert. Es besteht kein Zweifel, dass der klagende Fußballverband diese Funktion gezielt aufgebaut hat und wirtschaftlich nutzt. Das Trikot ist daher ein auf den Kläger weisendes Unternehmenskennzeichen. Die Beklagte verwendet es als Blickfang, um das von ihr veranstaltete Gewinnspiel zu bewerben und so die Verbreitung ihrer Zeitung zu erhöhen. Damit partizipiert sie (zumindest) an der Unterscheidungskraft des Trikots und nutzt so fremden Aufwand für eigene Zwecke. Gründe, warum das im Einzelfall nicht unlauter wäre, sind nicht zu erkennen.

2.6. Art 10 EMRK steht dem Verbot nicht entgegen. Denn das beanstandete Verhalten wird nur für den Fall untersagt, dass es zu Werbezwecken gesetzt wird. Die ‑ auch blickfangartige ‑ Bildberichterstattung über aktuelle Ereignisse ist daher weiter zulässig. Aus diesem Grund ist auch die im Revisionsrekurs genannte Entscheidung des BGH (I ZR 60/09 = GRUR 2011, 436 ‑ Hartplatzhelden), die sich auf die Berichterstattung über Fußballspiele und nicht auf eine Werbung für die dort Beklagte bezog, nicht einschlägig.

3. Aufgrund dieser Erwägungen muss der Revisionsrekurs der Beklagten scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

4. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden: Auch nicht registrierte Unternehmenskennzeichen sind bei hoher Bekanntheit ‑ ebenso wie bekannte Marken (§ 10 Abs 2 MSchG; Art 9 Abs 1 lit c GMV) ‑ gegen das unlautere Ausnutzen ihrer Kennzeichnungskraft und der ihnen entgegengebrachten Wertschätzung geschützt (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG).

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