OGH 4Ob105/97p

OGH4Ob105/97p13.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Aktiengesellschaft, ***** Deutschland, vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz und Mag. Dr. Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. J***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. K***** Gesellschaft mbH, 3. Firma B*****, 4. Leopold B*****, 5. Kurt B*****, alle *****, alle vertreten durch Weiss-Tessbach Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 1,950.000,-- sA, infolge Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 10. Februar 1997, GZ 6 R 191/96x-26, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 8. August 1996, GZ 23 Cg 296/95a-18, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Den Beklagten wird ab sofort verboten, die Marke "BOSS" im geschäftlichen Verkehr für einen Energydrink zu verwenden.

Die Beklagten haben die Kosten ihrer Äußerung endgültig selbst zu tragen."

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagten haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin erzeugt und vertreibt unter der international und national registrierten Marke "BOSS" modische Herrenbekleidung; sie verwendet "BOSS" auch als Firmenschlagwort.

Die Erstbeklagte betreibt den Großhandel mit Bekleidung aller Art, mit alkoholfreien Getränken sowie mit Whiskey, Sekt, Kaffee und Tee. Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten. Der Fünftbeklagte ist einziger Geschäftsführer der Zweitbeklagten; er ist an der Zweitbeklagten auch zu 25 % beteiligt. Der Viert- und der Fünftbeklagte sind persönlich haftende Gesellschafter der Drittbeklagten. Die Klägerin lieferte der Drittbeklagten Jahre hindurch Herrenbekleidung.

Die Erstbeklagte ist Inhaberin der österreichischen Wortmarke "BOSS!", die unter der Nummer 154104 mit Priorität 26.6.1994 für die Warenklassen 32 und 33 eingetragen ist. Die Warenklasse 32 umfaßt Biere, Mineralwässer und mit Kohlensäure versetzte Mineralwässer und andere nicht alkoholische Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirup und andere Zubereitungen für Getränke. Auch die Klägerin ist Inhaberin einer auch in Österreich geschützten und (ua) für die Warenklasse 32 eingetragenen Wortmarke "BOSS" (IR 637482), allerdings mit Priorität 2.12.1994.

Die Erstbeklagte begann im September 1995 mit dem Vertrieb eines Energydrinks. Die Dosen waren mit "There must be a BOSS! Energy Drink" beschriftet. "BOSS" war deutlich hervorgehoben und mit Großbuchstaben geschrieben, wie sie auch die Klägerin verwendet. Die Erstbeklagte vertrieb den Energydrink sowohl über den Lebensmittelgroß- und -einzelhandel als auch in den Geschäften der Drittbeklagten. Dort wurde der Energydrink als Zugabe bei Kleidungskäufen gegeben und, zumindest im Geschäft G*****, S*****gasse 12, auch zum Verkauf angeboten. Für den Energydrink wurde mit "Be your own BOSS!" im "Brühl-Magazin", in der Zeitung "Die Woche" und auf Farbplakaten geworben.

Die Erstbeklagte hat wegen Mängel in der Produktzusammensetzung den Vertrieb des Energydrinks vorerst eingestellt. Sie plant jedoch, den Vertrieb wieder aufzunehmen. Die Dosen sollen mit "The BOSS!" beschriftet werden, wobei ein anderer Schriftzug gewählt werden soll.

68 % der befragten Österreicher im Alter von über 15 Jahren haben im Februar und März 1996 beim Namen "BOSS" einen korrekten Bezug zu den Produkten der Klägerin hergestellt; unter den Verwendern und Käufern hochwertiger Herrenbekleidung waren es 92 %. 74 % der Befragten gaben an, den Namen "BOSS" schon einmal gehört zu haben.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, die Marke "BOSS" im geschäftlichen Verkehr für einen Energydrink zu verwenden.

Die Marke und das Firmenschlagwort "BOSS" seien durch hohe Qualität, modisches Design und umfangreiche Werbung zu einem Begriff geworden. Der Fünftbeklagte habe mit BOSS-Herrenmode außerordentlich hohe Umsätze erzielt; in sämtlichen Geschäften der Beklagten sei "BOSS" gleichsam wie eine zweite Etablissementbezeichnung verwendet werden. Der hohe Prestigewert und Bekanntheitsgrad des Firmenschlagwortes der Klägerin hätten den Fünftbeklagten dazu bewogen, einen Energydrink unter der Marke "BOSS!" herauszubringen. In den Geschäften der Beklagten seien BOSS-Bekleidungsstücke und BOSS-Herrenparfums neben den aufgestapelten "BOSS!"-Energydrinks aufgestellt worden. Der Fünftbeklagte werbe für seinen Energydrink mit einem geschmacklosen Plakat, das Energydrinks mit der Drogenszene in Beziehung setze. Der "BOSS!"-Energydrink sei falsch bezeichnet und verkehrsunfähig.

Die Erstbeklagte habe mit dem Erwerb ihres Zeichens "BOSS!" gegen die guten Sitten verstoßen. Die Markenregistrierung sei erfolgt, um den Ruf des berühmten Zeichens "BOSS" auszubeuten. Notorisch bekannte Marken seien durch das TRIPS-Abkommen vor der Benutzung verwechselbar ähnlicher Zeichen geschützt, wenn eine solche Benutzung dem Markeninhaber wahrscheinlich Schaden zufügen würde. Energydrinks seien ein äußerst umstrittenes Getränk.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Berühmt seien nur Marken mit einem Bekanntheitsgrad von über 80 %. Maßgebend sei der Zuordnungsgrad; nach der Zuordnung der Marke "BOSS" sei in den von der Klägerin vorgelegten Umfragen gar nicht gefragt worden. Zwischen den Streitteilen bestehe kein Wettbewerbsverhältnis; der Klägerin komme für das Zeichen "BOSS" keine Alleinstellung zu. Es genieße keine "besondere Wertschätzung", die Voraussetzung eines branchenübergreifenden Schutzes wäre. "BOSS" sei ein überaus schwaches Zeichen; schon das von den Beklagten hinzugefügte Rufzeichen schließe die Verwechslungsgefahr aus. Die Beklagten stellten dem Wort "BOSS" nunmehr "The" voran. Das TRIPS-Abkommen sei nicht unmittelbar anwendbar; es schaffe für die von der Klägerin behaupteten Ansprüche auch keine neue Rechtsgrundlage. Die in Österreich erhältlichen Energydrinks entsprächen den lebensmittelrechtlichen Vorschriften. Die Beklagten hätten ihren Energydrink wegen eines von ihrem Zulieferanten zu vertretenden Produktionsfehlers kurzfristig vom Markt nehmen müssen. Energydrinks seien eine äußerst erfolgreiche, zeitgemäße, modernen Konsumbedürfnissen entsprechende Produktlinie.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab.

Zwischen Energydrinks und Herrenbekleidung bestehe eine durchgreifende Warenverschiedenheit; das schließe die Verwechslungsgefahr aus. Die Streitteile stünden in keinem Wettbewerbsverhältnis. Den Schutz nach § 1 UWG könnte die Klägerin ohnedies nur in Anspruch nehmen, wenn "BOSS" eine berühmte Marke wäre. Dies sei jedoch nicht gerichtsbekannt. Ob der Marke Alleinstellung zukomme und sie besondere Wertschätzung genieße, brauche nicht mehr geprüft zu werden.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

"Boss" könne als beschreibende Angabe bei Verkehrsgeltung Kennzeichnungskraft erlangen. Nach den von der Klägerin vorgelegten Gutachten komme dem Zeichen Kennzeichnungskraft zu. Die durchgreifende Warenverschiedenheit zwischen Energydrinks und Herrenbekleidung schließe die Verwechslungsgefahr aus. Ob "BOSS" eine "bekannte" oder "berühmte" Marke sei, könne dahingestellt bleiben, weil der Schutz derartiger Zeichen in Österreich nach wie vor nicht gesetzlich geregelt sei. Für einen Schutz nach § 1 UWG fehle es am Wettbewerbsverhältnis. Die Gütevorstellungen, die der Verkehr mit "BOSS" als Marke für Bekleidung und Firmenschlagwort verbinde, kämen den Energydrinks nicht zugute, weil der Name "Boss" keine besondere Eigenart aufweise. Die Kundenkreise für Energydrinks und hochwertige Herrenbekleidung seien verschieden. Damit scheide eine wettbewerbswidrige Rufausbeutung aus. Eine Beeinträchtigung des Zeichens "BOSS" sei nicht ersichtlich, wenn berücksichtigt werde, daß die Marke "BOSS" für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen registriert sei. Die Klägerin könne sich auf das TRIPS-Abkommen nicht berufen, weil die zur Umsetzung des Abkommens erforderliche spezielle Transformation bisher nicht erfolgt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Die Klägerin bekämpft die Auffassung des Rekursgerichtes, daß "BOSS" eine beschreibende Angabe sei. "BOSS" sei auch ohne Verkehrsgeltungsnachweis schutzfähig. Als berühmte Marke sei das Zeichen nach dem in Österreich unmittelbar anwendbaren TRIPS-Abkommen branchenübergreifend geschützt. Dieser Schutz komme dem Zeichen auch nach § 1 UWG zu.

Gemäß § 4 Abs 1 Z 2 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die bloß aus Worten bestehen, die ausschließlich Angaben über Ort, Zeit oder Art der Herstellung, über die Beschaffenheit, über die Bestimmung, über Preis-, Mengen- oder Gewichtsverhältnisse der Ware oder über Ort, Zeit oder Art der Erbringung, über die Beschaffenheit, über die Bestimmung, über Preisverhältnisse oder Umfang der Dienstleistung enthalten; die Registrierung solcher Zeichen wird jedoch zugelassen, wenn das Zeichen in den beteiligten Verkehrskreisen als Kennzeichen der Waren oder Dienstleistungen des Unternehmens des Anmelders gilt (§ 4 Abs 2 MSchG). Ob ein Zeichen beschreibend ist, muß immer in bezug auf jene Waren geprüft werden, für die es registriert werden soll (stRsp ua ÖBl 1992, 218 - Resch und frisch; ÖBl 1993, 167 - Teleshop).

Das Zeichen "BOSS" ist, bezogen auf Bekleidung, nicht beschreibend. Daß es an gehobene Bedürfnisse denken läßt, macht es noch nicht zu einer beschreibenden Angabe. Eine beschreibende Angabe liegt nur vor, wenn der ausschließlich beschreibende Charakter des Zeichens für die angesprochenen Verkehrskreise allgemein, zwanglos und ohne besondere Gedankenoperationen erkennbar ist (ÖBl 1993, 99 - SMASH; ÖBl 1996, 143 - Plus). "BOSS" hat daher für die Kennzeichnung von Bekleidung - ebenso wie für die Kennzeichnung von Herrensocken (4 Ob 2383/96m) - unabhängig davon Kennzeichnungskraft, ob die Klägerin für dieses Zeichen Verkehrsgeltung erreicht hat.

Die Klägerin nimmt für ihre Marke "BOSS" und ihr Firmenschlagwort "BOSS" branchenübergreifenden Schutz in Anspruch. Sie stützt sich dabei einerseits auf Art 16 Abs 3 TRIPS-Abkommen und andererseits auf sittenwidrige Rufausbeutung nach § 1 UWG.

Rufausbeutung ist nach § 1 UWG sittenwidrig, wenn sich der Verletzer an Ruf und Ansehen einer fremden Ware (Leistung) anhängt und diese für den Absatz seiner (ungleichartigen und nicht konkurrierenden) Ware auszunutzen sucht (ÖBl 1997, 83 - Football Association; ÖBl 1997, 72 - Schürzenjäger, jeweils mwN; s auch Schanda, Merchandising - Leistungsschutz statt Markenschutz, ecolex 1997, 264; Gladt, Zum Rechtsschutz für berühmte und bekannte Marken, ÖBl 1993, 49 [56ff]). Der "gute Ruf" bekannter Kennzeichen beruht auf den besonderen Eigenschaften, die sie aus der breiten Masse der Konkurrenz herausheben. Durch die Wahl eines zur Verwechslung geeigneten Zeichens werden Gütevorstellungen, die mit dem Originalzeichen verbunden sind, auf die verwechselbar ähnlich bezeichnete Ware übertragen und dadurch schmarotzerisch ausgebeutet (ÖBl 1997, 83 - Football Association mwN; s auch Mayrhofer, Rufausbeutung im Recht des unlauteren Wettbewerbs 224f). Unlauteres Schmarotzen liegt nur vor, wenn die Gefahr einer Rufübertragung gegeben ist (Thomasberger, Rufausbeutung im Wettbewerbsrecht 113).

Die Verletzungshandlungen begründen ein Wettbewerbsverhältnis, wenn auch der Inhaber den wirtschaftlichen Ruf ausnützen kann; ob und wie er eine solche Verwertung vornimmt, ist nicht entscheidend (s BGH GRUR 1985, 550 - DIMPLE [Tilmann], mwN). Der Inhaber der bekannten Marke und der Ausbeuter sind Konkurrenten bei der Verwertung des Rufes der Marke, etwa im Wege der Lizenzerteilung. Dabei kann das Wettbewerbsverhältnis unmittelbar durch die Verletzungshandlung begründet werden (ÖBl 1997, 83 - Football Association; ÖBl 1997, 72, Schürzenjäger, jeweils mwN; s auch Thomasberger aaO 110ff).

Die wirtschaftliche Verwertbarkeit des Rufs eines Zeichens hängt nicht allein von einem bestimmten Grad seiner allgemeinen Bekanntheit im Verkehr ab. Sie wird auch durch andere Umstände beeinflußt, zu denen - neben der Eigenart der Bezeichnung selbst - insbesondere die Art der unter der Kennzeichnung vertriebenen Waren, deren Qualität und Ansehen, ein damit verbundener Prestigewert und vor allem das Verhältnis dieser Waren zu denjenigen gehören können, für die der Ruf des Zeichens genützt werden soll (BGH GRUR 1985, 550 - DIMPLE [Tilmann]).

Die Marke der Klägerin und ihr Firmenschlagwort sind bekannt; nach dem festgestellten Sachverhalt haben 68 % der befragten Österreicher im Alter von über 15 Jahren im Februar und März 1996 beim Namen "BOSS" einen korrekten Bezug zu den Produkten der Klägerin hergestellt; unter den Verwendern und Käufern hochwertiger Herrenbekleidung waren es 92 %.

Die Klägerin vertreibt modische Herrenbekleidung gehobener Qualität, die, wie gerichtsbekannt ist, mit einem hohen Prestigewert verbunden ist und demnach einen guten Ruf genießt. Die Produkte der Klägerin sind für Käuferschichten von Interesse, die auch als Abnehmer von Energydrinks in Frage kommen. Das bestätigt das Verhalten der Drittbeklagten, die den "BOSS!"-Energydrink Käufern von Bekleidung als Zugabe gegeben und - zumindest in einem ihrer Geschäfte für Bekleidung - auch zum Verkauf angeboten hat. Der Herrenbekleidung der Klägerin und den Energydrinks ist gemeinsam, daß sie typische Markenartikel für Letztverbraucher sind.

Der gute Ruf der von der Klägerin vertriebenen modischen Herrenbekleidung ist demnach auch für Energydrinks verwertbar. Ihn haben die Beklagten durch die verwechselbar ähnliche Bezeichnung auf ihren Energydrink bewußt zu übertragen versucht ("Imagetransfer"; s Liebscher, Die berühmte Marke im UWG, ÖBl 1993, 9 [10] mwN) und damit schmarotzerisch ausgebeutet. Ihre Verletzungshandlung hat das für einen Verstoß gegen § 1 UWG geforderte Wettbewerbsverhältnis begründet, sind die Beklagten dadurch doch mit der Klägerin als potentielle Lizenzgeberin in Wettbewerb getreten.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist somit nach § 1 UWG begründet. Auf den von der Klägerin nach Art 16 Abs 3 TRIPS-Abkommen in Anspruch genommenen branchenübergreifenden Schutz braucht nicht weiter eingegangen werden.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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