European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00152.20M.1020.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin, die sich seit 1932 mit Dekoration, Warenpräsentation, Schaufenstergestaltung und optischer Verkaufsförderung im Sinne von visueller Steuerung des Verkaufs (visual merchandising) befasst, ist seit 1990 Inhaberin folgender beim Österreichischen Patentamt registrierten Wortbildmarke:
[2] Die Beklagte befasst sich ebenfalls mit Schaufensterdekorationen und visual merchandising und betreibt einen unter http://www.d*****.at/ erreichbaren Online-Shop. Sie hat jedenfalls seit Sommer 2019 beim entgeltlichen Referenzierungsdienst „AdWords“ von Google das Keyword „Zaruba“ erworben, was dazu führte, dass bei Eingabe dieses Suchbegriffs bei Google auf Desktop‑ bzw (teilweise) auf mobilen Endgeräten folgende Ergebnisse erschienen:
[3] Das Berufungsgericht verbot der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr
‑ in Eintragungen in Ergebnislisten auf Internet‑Suchseiten, insbesondere bei der unter http://www.google.at/ erreichbaren Suchmaschine, die Begriffe „Zaruba“ und/oder Wortverknüpfungen mit „Zaruba“ zur Kennzeichnung des Eintrags einer Website der Beklagten, insbesondere der unter http://www.d*****.at/ erreichbaren Website, zu verwenden und/oder verwenden zu lassen, und/oder
‑ eine interaktive Verlinkung der Begriffe „Zaruba“ und/oder Wortverknüpfungen mit „Zaruba“ zur Website der Beklagten, insbesondere der unter http://www.d*****.at/ erreichbaren Website, herzustellen und/oder herstellen zu lassen, und/oder
‑ durch den Erwerb von Keywords wie „Zaruba“ und/oder Wortverknüpfungen mit „Zaruba“ bei Internet‑Suchseiten, insbesondere bei der unter http://www.google.at/ erreichbaren Suchmaschine, die Hervorhebung und/oder Vorreihung einer Website der Beklagten, insbesondere der unter http://www.d*****.at/ erreichbaren Website, vor dem Internetauftritt der Klägerin zu erreichen und/oder erreichen zu lassen,
wenn aus der Anzeige oder Website nicht oder nur schwer erkennbar ist, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten keine wirtschaftliche Verbindung besteht.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die Beklagte zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfragen in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[5] 1. Die Revision stellt nicht in Frage, dass der Wortbestandteil „Zaruba“ der Wortbildmarke der Klägerin auch hier für den Gesamteindruck maßgebend ist (vgl RIS‑Justiz RS0066779).
[6] 2.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum „Keyword Advertising“ greift die durch die Verwendung einer Marke (eines Markenbestandteils) als Schlüsselwort generierte Werbung eines Dritten in die Rechte des Markeninhabers nur dann nicht ein, wenn aus dieser Werbung für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer leicht zu erkennen ist, dass die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen weder vom Inhaber der Marke noch von einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (RS0126119).
[7] 2.2. Dies entspricht den Grundsätzen der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu C‑236/08 bis C‑238/08 , Google France und Google, C‑278/08 , BergSpechte, C‑91/09 , Bananabay, C‑558/08 , Portakabin, C‑324/09 ,
L’Oréal / eBay, und C‑323/09 , Interflora. Danach sind Art 5 Abs 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken und Art 9 Abs 1 Buchst a der Verordnung (EG) Nr 40/94 des Rates vom 20. 12. 1993 über die Gemeinschaftsmarke dahin auszulegen, dass der Inhaber einer Marke einem Werbenden verbieten darf, anhand eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Schlüsselworts, das dieser Werbende ohne Zustimmung des Markeninhabers im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ausgewählt hat, für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, zu werben, wenn aus dieser Werbung für einen Durchschnittsinternetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen.
[8] 2.3. Die Beantwortung der Fragen nach der Irreführungseignung einer Werbung sowie nach der Erkennbarkeit hängen regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0121500, RS0126119 [T3]; vgl RS0102181). Die Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit im Rahmen höchstgerichtlicher Leitlinien innerhalb eines gewissen Beurteilungsspielraums ist auch im Wettbewerbsrecht primär Aufgabe der zweiten Instanzen. Somit gelten auch hier die allgemeinen Kriterien für die Zulässigkeit der Revision (RS0122243).
[9] 3.1. Das Berufungsgericht führte aus, ein durchschnittlich aufmerksamer Internetnutzer werde nun zwar erkennen, dass die von der Trefferliste räumlich nicht getrennte Anzeige der Beklagten eine entgeltliche Werbeeinschaltung sei; dies allein schließe aber eine Verwechslung mit dem Internet‑Auftritt der Klägerin nicht aus, weil es durchaus nicht ungewöhnlich sei, dass auch solche Unternehmen Inserate bei „Google“ schalteten, die ohnehin an prominenter Stelle in der Trefferliste aufschienen. Da die angebotenen Dienstleistungen der Streitteile ähnlich, zum Teil deckungsgleich seien, könne auch für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer durchaus der Eindruck entstehen, dass entweder das Inserat von der Klägerin selbst stamme oder die Beklagte mit dem Kläger wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden sei, zumal das Suchwort „Zaruba“ ein hohes Maß an Originalität aufweise und die angebotenen Dienstleistungen nicht einmal ansatzweise beschreibe. Der dadurch begründeten Verwechslungsgefahr hätte die Beklagte durch eine entsprechende Gestaltung der Anzeigen, wie etwa durch Aufnahme eines aufklärenden Hinweises, entgegenwirken müssen.
[10] 3.2. Damit ist das Berufungsgericht von den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung nicht abgewichen. Es hat nicht die Erkennbarkeit als bezahlte Werbeeinschaltung an sich verneint, sondern vielmehr ausgeführt, dass insgesamt nicht hinreichend deutlich sei, ob die Anzeige vom Markeninhaber stammt. Dies hält sich im Rahmen des dem Berufungsgericht im Einzelfall zukommenden Ermessensspielraums und ist nicht korrekturbedürftig. Der Umstand der Kennzeichnung als Anzeige und die Gestaltung dieses Hinweises spielen daher hier keine tragende Rolle. Soweit in der Revision dagegen argumentiert wird, es sei nicht klar, ob die Kennzeichnung als „Anzeige“ auch ohne räumliche Trennung von den generischen Suchergebnissen ausreiche, macht sie keine Rechtsfragen in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO geltend.
[11] 3.3. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist der Sachverhalt durchaus dem zu 17 Ob 3/10f entschiedenen vergleichbar, wo in den beanstandeten Anzeigen ein entsprechender Hinweis fehlte, dass keine wirtschaftliche Verbindung zwischen der Markeninhaber und Beklagter bestand, zumal die Parteien über ein im Kern identes Angebot verfügten und jeweils nur die Internetadresse der Zweitbeklagten angegeben war, die aufgrund des verwendeten Gattungsbegriffs (dort Trekking) keine Zuordnung zu einem bestimmten Unternehmen erkennen ließ.
[12] Mit der Internetadresse der Beklagten www.d*****.at wird zwar ein Bestandteil der Firma der Beklagten verwendet. Diese Wortfolge ist jedoch entgegen der Ansicht der Revision so schwach kennzeichnungskräftig, dass ihre beschreibenden Aspekte („d*****“ für Dekorationsartikel und „p*****“ für Verkaufsstelle) im Vordergrund stehen. In einer solchen Situation, in der die fragliche Anzeige gezeigt wird, während die Marke als Suchwort noch sichtbar ist, kann im Sinn der Rechtsprechung des EuGH die herkunftshinweisende Funktion der Marke beeinträchtigt sein und sich der Internetnutzer hinsichtlich des Ursprungs der betroffenen Waren oder Dienstleistungen irren. Unter diesen Umständen kann die Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens als Schlüsselwort, das das Erscheinen der Anzeige auslöst, den Eindruck entstehen lassen, dass im geschäftlichen Verkehr eine konkrete Verbindung zwischen den betroffenen Waren oder Dienstleistungen und dem Markeninhaber besteht (vgl EuGH C‑236/08 bis C‑238/08 , Google France und Google, Rn 84 f).
[13] Im Zusammenhalt mit dem Hinweis, man erhalte in diesem Online‑Shop „die perfekte Dekoration … Dekoartikel für Schaufenster & Ladenausstattung vom Profi“, ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dies sei, auch wenn in der Anzeige die Marke der Klägerin nicht enthalten ist, keine den durchschnittlichen Internetnutzer hinreichend über die fehlende wirtschaftliche Verbindung zwischen den Parteien aufklärende Gestaltung der Anzeige, in der hier anzustellenden Gesamtbetrachtung (vgl RS0078681) zumindest vertretbar.
[14] 3.4. Dass die Entscheidung des BGH I ZR 125/07 nicht gänzlich einschlägig ist, wurde jüngst in 4 Ob 30/20w damit begründet, dass dort Google die vom beklagten Werbenden vorgegebene Adwords‑Anzeige auf der Internetseite rechts neben der Trefferliste in einem gesonderten Bereich anzeigte, der mit „Anzeigen“ überschrieben ist; auch in BGH I ZR 217/10 war eine Anzeige in einem mit der Überschrift „Anzeigen“ gekennzeichneten, deutlich abgesetzten besonderen Werbeblock zu beurteilen. Im vorliegenden Fall schien die Anzeige unmittelbar über dem generischen Treffer für die Website der Klägerin auf, und die in der Anzeige aufscheinende Internetadresse der Beklagten hat im Rahmen der Gesamtgestaltung der Anzeige – wie dargelegt – so schwach kennzeichnungskräftigen Charakter, dass die Annahme vertretbar ist, der Internetnutzer erkenne letztlich nicht hinreichend deutlich, ob es sich um eine Anzeige des Markeninhabers handelt und ob die Waren vom Markeninhaber oder von einem Dritten stammen.
[15] 3.5. Dass die Gestaltung darüber hinaus auch geradezu darüber täuschen müsse, dass die Werbung vom Markeninhaber stamme (vgl BGH I ZR 125/07 [Rn 26 f, 36], I ZR 217/10), ist nach der insoweit keinen vernünftigen Zweifel offenlassenden (RS0082949) EuGH‑Rechtsprechung („ob“) offenkundig nicht der Fall (vgl in diesem Sinne auch Cour de cassation 13. 7. 2010, GRUR Int 2011, 446: Ein im Rahmen des Keyword Advertising Werbender verletzt das Recht an der mit dem Schlüsselwort identischen Marke eines anderen auch dann, wenn die Werbung das Bestehen einer wirtschaftlichen Verbindung mit dem Markeninhaber zwar nicht suggeriert, aber so vage gehalten ist, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer nicht erkennen kann, ob der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder mit dem Markeninhaber wirtschaftlich verbunden ist).
[16] 3.6. Auch mit der Frage, ob es bei der Gestaltung von Anzeigen immer eines aufklärenden Hinweises bedürfe, zeigt die Revision daher keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Beantwortung von Fragen bloß rein theoretischer Natur ist zudem nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271).
[17] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)