OGH 4Ob142/12d

OGH4Ob142/12d18.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Zahnärztekammer, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E***** KFT, *****, vertreten durch Dr. Hartmut Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 34.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Mai 2012, GZ 15 R 103/12w-27, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 5. März 2012, GZ 30 Cg 37/11k-22, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen verurteilten die Beklagte, es zu unterlassen, zahnärztliche Leistungen in Ungarn durch mehr als eine Anzeige pro Kalendervierteljahr in Printmedien, welche in Österreich verbreitet werden, zu veröffentlichen, die eigenen zahnärztlichen Leistungen in Printmedien in marktschreierischer Weise durch die Ankündigung von Rabatten, die nur befristet gelten, anzukündigen und Preise für privatärztliche Leistungen zu nennen, zB in Anzeigen in in Österreich vertriebenen Zeitungen. Darüberhinaus ermächtigten sie die klagende Zahnärztekammer zur Urteilsveröffentlichung.

Die Beklagte vermag keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Rechtliche Beurteilung

1. § 482 Abs 2 ZPO verfügt ein Verbot des Vorbringens neuer Tatsachen und Beweismittel zum Anspruch, also ein Neuerungsverbot in Ansehung des Stoffes für die Entscheidung der in erster Instanz gestellten Sachanträge (RIS-Justiz RS0041965). Eine Änderung der rechtlichen Argumentation einer Partei bzw die Geltendmachung eines neuen Gesichtspunkts bei der rechtlichen Beurteilung ist auch im Rechtsmittelverfahren zulässig, sofern die hiezu erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt wurden und nicht eine ausdrückliche Vorschrift besteht, die das Erstgericht hindert, ohne diesbezügliche Einwendung der Partei auf diese Rechtsfrage einzugehen (RIS-Justiz RS0016473). Ob dies nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zutrifft, wirft grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO auf. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung ist mangels jeglichen erstinstanzlichen Vorbringens der Beklagten zur erst im Rechtsmittelverfahren geltend gemachten Aufrechterhaltung eines Preiskartells nicht zu erkennen.

2. Der erkennende Senat hat erst jüngst im Zusammenhang mit der Werberichtlinie der Zahnärzte unter Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs Rs C-446/05 , Ioannis Doulamis, daran festgehalten, dass weder verfassungs- noch unionsrechtliche Bedenken gegen Werbeverbote für Ärzte bestehen (4 Ob 176/11b). Wenn sich die Beklagte darauf beruft, dass eine Werbebeschränkung nur aus Gründen des Gesundheitsschutzes erfolgen dürfte, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Europäische Gerichtshof in der genannten Entscheidung derartigen Erwägungen des Generalanwalts (siehe hiezu seine Schlussanträge Rz 123) nicht gefolgt ist (4 Ob 122/12p). Die Werbebeschränkung für Ärzte liegt nicht nur in deren wirtschaftlichem Interesse, sondern vor allem im Interesse der Allgemeinheit, sich bei der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen von sachlichen Erwägungen leiten zu lassen (RIS-Justiz RS0108834, vgl auch RS0089509).

3. Die von der Beklagten angegriffenen Werbebeschränkungen bewirken nur eine Einschränkung, aber kein absolutes Verbot, mit dem Entgelt zu werben. Die Beklagte darf ihre Leistungen - auch das niedrigere Preisniveau - in sachlicher Weise in der Öffentlichkeit bewerben und Interessenten in einem persönlichen Gespräch, etwa über telefonische Anfrage, konkrete Preise nennen. Die von ihr gerügte Gleichheitswidrigkeit, die sie in der Unmöglichkeit sieht, mit Ordinationsschildern und im Telefonbuch zu werben, ist keine rechtliche, sondern eine bloß faktische aufgrund der örtlichen Gegebenheiten. Ob ein Ordinationsschild oder die Eintragung im örtlichen Telefonregister einen Werbeeffekt erzielt, hängt von der Wahrscheinlichkeit ab, dass potenzielle Kunden die werbende Aufschrift oder Eintragung wahrnehmen. Die von der Beklagten offenbar angestrebte Ausnahme von den in Österreich geltenden Werbebeschränkungen würde ihr hingegen nicht zu rechtfertigende Vorteile verschaffen.

Dass ausländische Zahnärzte nur durch entsprechende Werbeeinschaltung die Möglichkeit hätten, den österreichischen Patienten zu erreichen, ist nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass sich Erfahrungen bereits behandelter Patienten unabhängig von Staatsgrenzen herumsprechen, wirken bei der Ordination angebrachte Geschäftsschilder auf alle Personen, die sie aufgrund örtlicher Nähe wahrnehmen können, also auch auf die grenzüberschreitend interessierten Geschäftsreisenden, Einkäufer und Touristen.

Dass die in Artikel 3c der Werberichtlinie untersagte Selbstanpreisung der eigenen Person oder Leistungen durch aufdringliche oder marktschreierische Darstellung im Inland das Standesansehen der Zahnärzte an sich, der österreichischen wie der ausländischen, beeinträchtigen kann, liegt auf der Hand. Dass die Anwendung dieser Werbebeschränkung nicht nur auf in Österreich tätige Zahnärzte, sondern für jede Werbung in Österreich im Zusammenhang mit der Ausübung zahnärztlicher Tätigkeit (vgl RIS-Justiz RS0051613), nicht sachlich gerechtfertigt wäre, ist daher nicht nachvollziehbar.

Die außerordentliche Revision ist zurückzuweisen.

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