European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00135.19K.0822.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird in ihrem nicht rechtskräftigen Teil dahin abgeändert, dass insgesamt das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.114,80 EUR (darin enthalten 447,30 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist Gründer der Interessensgemeinschaft „Modellbau *****“ und berichtet auf seiner Website über deren Aktivitäten und Veranstaltungen. In der Zeit zwischen 2. 11. 2014 und 18. 1. 2018 veröffentlichte er auf seiner Website das streitgegenständliche Lichtbild, das das Modell eines Linien‑Autobusses zeigt, und zwar ohne Werknutzungsbewilligung des Fotografen sowie ohne Beizeichnung des Fotografen als Hersteller. Das Lichtbild wurde ihm von einem Modellbauer – einem Mitglied der Interessensgemeinschaft, der früher Buschauffeur war und einen Bus wie den Abgebildeten lenkte – übermittelt, der darauf hinwies, dass das Lichtbild von jemandem anderen angefertigt worden war.
Der Modellbauer stellte sein Modell erstmals auf der Modellbaumesse im Oktober 2014 aus. Aus diesem Anlass fertigte der Fotograf, ein Mitglied des Klägers, über Ersuchen des Modellbauers das Lichtbild an. In der Folge übergab der Fotograf dem Modellbauer eine CD mit dem Lichtbild als JPG‑Datei und räumte ihm dabei die Nutzung des Lichtbilds ausschließlich für private Zwecke oder für die einmalige Nutzung auf der Facebook‑Seite des Busunternehmers als Titelbild für kurze Zeit ein. Darüber hinausgehende Nutzungsrechte übertrug der Fotograf nicht. In den Metadaten der Bilddatei war die Herstellerbezeichnung angebracht, die der Beklagte nicht (in erkennbarer Art und Weise) veröffentlichte.
Der klagende Verband, den der Kläger mit der treuhändigen Wahrnehmung seiner Rechte am Lichtbild beauftragt hatte, begehrte vom Beklagten die Zahlung von 680 EUR sA an angemessenem Entgelt sowie die Unterlassung der Veröffentlichung von Lichtbildern des Herstellers, insbesondere des streitgegenständlichen Lichtbilds, auf seiner Website ohne Werknutzungsbewilligung des Fotografen und/oder des klagenden Verbands (Pkt 1) sowie ohne Bezeichnung des Fotografen als Hersteller (Pkt 2). Der Beklagte habe das in Rede stehende Lichtbild über mehrere Jahre auf seiner Website veröffentlicht, ohne über eine Werknutzungsbewilligung zu verfügen und ohne den Fotografen als Hersteller zu bezeichnen. Dadurch habe der Beklagte in das Leistungsschutzrecht und das Urheberpersönlichkeitsrecht des Fotografen eingegriffen.
Der Beklagte entgegnete, dass ihm der Modellbauer das Lichtbild samt Nutzungsrechten geschenkt habe und er mit seiner Website keine Geschäfte mache.
Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren mit 240 EUR sowie dem Unterlassungsbegehren zur Gänze statt; das Zahlungsmehrbegehren wies es ab. Der Fotograf habe dem Modellbauer die Nutzung des Lichtbilds ausschließlich für private Zwecke oder für die einmalige Nutzung auf der Facebook‑Seite des Busunternehmers eingeräumt. Die Lichtbildveröffentlichung auf der Website des Beklagten sei von dieser Rechteeinräumung nicht gedeckt. Außerdem habe der Beklagte das Lichtbild ohne Herstellerbezeichnung veröffentlicht. Der Beklagte sei daher zur Unterlassung und zur Zahlung eines angemessenen Entgelts verpflichtet. Richtschnur für das angemessene Entgelt nach § 86 UrhG sei jener Betrag, den redliche und vernünftige Parteien als übliche Lizenzgebühr vereinbart hätten. Mit Rücksicht auf die Dauer der Lichtbildveröffentlichung und unter Zugrundelegung üblicher Bildhonorare sei dafür ein Betrag von 200 EUR zuzüglich USt angemessen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und wies auch das restliche Zahlungsbegehren sowie das Unterlassungsbegehren in Bezug auf die Lichtbildveröffentlichung „ohne Werknutzungsbewilligung“ ab. Im Übrigen, also hinsichtlich der Unterlassungspflicht in Bezug auf die Lichtbildveröffentlichung ohne Herstellerbezeichnung, wurde die stattgebende Entscheidung des Erstgerichts bestätigt. Ob eine Vereinbarung vorliege, sei eine rechtliche Beurteilung und könne nicht „festgestellt“ werden. Die vermeintlichen Feststellungen des Erstgerichts zur Rechteeinräumung seien daher nicht zu berücksichtigen. Werknutzungsrechte könnten aber auch konkludent erteilt und übertragen werden. Werde ein Werk im Auftrag eines anderen geschaffen, so werde diesem damit schlüssig das Recht eingeräumt, das Werk zu dem Zweck zu verwenden, zu dem es in Auftrag gegeben worden sei. Im Zweifel bestimme sich der Umfang der Rechteeinräumung nach dem praktischen Zweck der ins Auge gefassten Werknutzung. Im Anlassfall sei von einer ausreichenden konkludenten Rechteeinräumung des Fotografen an den Modellbauer sowie des Modellbauers an den Beklagten zur Lichtbildveröffentlichung im Rahmen ihres privaten Hobbies auszugehen, weil der Beklagte mit dem Foto keine Geschäfte gemacht habe. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Raum dafür bestehe, dass der Beklagte das Lichtbild einschließlich der Metadatei (und damit allenfalls auch mit der Herstellerbezeichnung) veröffentlicht habe und eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zu dieser Frage fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des klagenden Verbands, die auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.
Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem dem Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts zur Reichweite der Rechteeinräumung durch den Fotografen korrekturbedürftig ist. Sie ist dementsprechend auch berechtigt.
Vorweg wird festgehalten, dass die Unterlassungspflicht des Beklagten in Bezug auf die Lichtbildveröffentlichung ohne Herstellerbezeichnung nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist. Zum übrigen Unterlassungsbegehren sowie zum Zahlungsbegehren führt der klagende Verband in seinem Rechtsmittel aus, das Berufungsgericht hätte die Berufung des Beklagten in Wahrheit nicht behandeln dürfen, weil sie nicht gesetzmäßig ausgeführt gewesen sei. Außerdem weiche das Berufungsgericht unzulässigerweise von den Feststellungen des Erstgerichts ab. Die Beurteilung des Berufungsgerichts über die Reichweite der Rechteeinräumung sei verfehlt, weil die Lichtbildveröffentlichung über die Website des Beklagten davon nicht erfasst sei. Der Modellbauer sei auch nicht berechtigt gewesen, dritten Personen Nutzungsbefugnisse in Bezug auf das Lichtbild einzuräumen.
Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
1. Der vom klagenden Verband geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Die Falschbezeichnung eines Rechtsmittelgrundes schadet nicht (vgl 7 Ob 131/00s). Wenn sich die Rechtsmittelausführungen auf eine entscheidungswesentliche Vereinbarung beziehen und der Rechtsmittelwerber zu erkennen gibt, dass er der rechtlichen Würdigung zum Zustandekommen oder Inhalt der Vereinbarung entgegentritt, so liegt eine ordnungsgemäße Rechtsrüge vor.
Das Berufungsgericht ist auch nicht von den Feststellungen des Erstgerichts ohne Beweiswiederholung abgewichen (vgl dazu 8 Ob 92/11d). Es hat vielmehr zur Frage der Reichweite der Nutzungsbefugnisse (des Modellbauers, die das Berufungsgericht ohne nähere Begründung auch auf den Beklagten bezieht) aufgrund eines Rechtsirrtums eine eigenständige Beurteilung zu einer konkludenten Rechteeinräumung „nach dem praktischen Zweck der ins Auge gefassten Werknutzung“ vorgenommen. Diese Überlegungen des Berufungsgerichts sind der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen.
2.1 Dem Hersteller eine Lichtbilds steht nach § 74 UrhG das Leistungsschutzrecht daran zu (vgl dazu 4 Ob 81/17s). Der Hersteller kann die Nutzung seines Lichtbilds im gegebenen Zusammenhang aber dann nicht untersagen, wenn er dem Nutzer – ausdrücklich oder schlüssig – ein Nutzungsrecht oder eine Nutzungsbewilligung eingeräumt hat (vgl 4 Ob 163/09p; 4 Ob 112/07k). Nach der Rechtsprechung kann eine solche Befugnis auch schlüssig eingeräumt werden, wobei der Nutzungsberechtigte im Zweifel nicht mehr Befugnisse erwirbt, als für den praktischen Zweck der vorgesehenen Nutzung erforderlich ist (RIS‑Justiz RS0077666; RS0077726; 4 Ob 21/15i). Dieser Grundsatz ist auch bei der Auslegung einer ausdrücklichen Rechteübertragung zu berücksichtigen. Dementsprechend erfasst eine ausdrückliche Rechteübertragung durch einen Fotografen im Regelfall nicht auch den Abdruck von ihm hergestellter Fotos in Printmedien (4 Ob 104/11i).
2.2 Im Anlassfall wurde eine ausdrückliche Vereinbarung über die Reichweite der Nutzungsbefugnisse des Modellbauers getroffen. Das Berufungsgericht ist zwar mit der Ansicht im Recht, dass die Frage, ob eine Vereinbarung bestimmten Inhalts getroffen wurde, die rechtliche Beurteilung betrifft. Allerdings sind sich darauf beziehende tatsachenbezogene Ausführungen des Erstgerichts aus einem lebensnahen Blickwinkel zu betrachten. Wenn das Erstgericht wie hier „feststellt“, dass der Fotograf dem Modellbauer die Nutzung des Lichtbilds ausschließlich für private Zwecke oder für die einmalige Nutzung auf einer bestimmten Facebook‑Seite eingeräumt hat und darüber hinausgehende Nutzungsrechte nicht erteilt wurden, so ist daraus das Tatsachensubstrat zu entnehmen, dass der Fotograf – bei Übergabe der CD mit der in Rede stehenden Bilddatei – entsprechende Erklärungen abgegeben und der Modellbauer dem nicht widersprochen hat.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Umstand der ausdrücklichen Rechteeinräumung und deren Inhalt daher nicht unberücksichtigt bleiben. Es liegt demnach nicht lediglich eine konkludente Rechteeinräumung an den Modellbauer vor. Soweit das Berufungsgericht hilfsweise („soweit der Fotograf den Begriff 'private Zwecke' verwendet haben sollte“) den privaten Zweck auf eine nicht gewerbsmäßige Verwendung der Website des Beklagten bezieht, liegt eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vor.
2.3 Zur Frage der Lichtbildveröffentlichung im Internet wurde die zugrunde liegende Nutzungsvereinbarung zwischen dem Fotografen und dem Modellbauer dahin konkretisiert, dass das Lichtbild nur für die einmalige Nutzung auf der Facebook‑Seite des Busunternehmers (Betreiber jenes Busses, den der Modellbauer gelenkt hat und den das fotografierte Modell abbildet) als Titelbild für kurze Zeit verwendet werden darf. Daraus folgt eindeutig, dass sich die an den Modellbauer übertragenen Nutzungsbefugnisse nicht auf andere Veröffentlichungen im Internet und daher auch nicht auf solche über die Website des Beklagten erstreckt haben. Der Beklagte, der vom Modellbauer darauf hingewiesen wurde, dass das Lichtbild nicht von ihm, sondern von jemandem anderen angefertigt wurde, hätte sich daher um die erforderlichen Befugnisse für die Veröffentlichung kümmern müssen. Auf das Argument des Beklagten, dass er mit seiner privaten Website keine Geschäfte mache, kommt es nicht an.
2.4 Als Ergebnis ist festzuhalten, dass sich die dem Modellbauer eingeräumte Nutzungsbefugnis hinsichtlich des fraglichen Lichtbilds nicht auf dessen Veröffentlichung über die Website des Beklagten bezogen hat und der Beklagte über keine Nutzungsbefugnisse verfügte.
3. Hinzu kommt, dass die Lichtbildveröffentlichung nicht durch den Modellbauer als Vertragspartner des Fotografen, sondern vom Beklagten als Dritten erfolgt ist.
Nach der Sachverhaltsgrundlage liegt zur Frage der Weitergabe von Nutzungsrechten durch den Modellbauer an Dritte keine vertragliche Regelung vor. Eine Auslegung der getroffenen Nutzungsvereinbarung dahin, dass davon auch die Weitergabe von Nutzungsrechten an den Beklagten erfasst sei, kommt demnach nicht in Betracht. Vielmehr kommt die Zweifelsregel zum Tragen, wonach die Weitergabe eines Nutzungsrechts an die Zustimmung des Urhebers bzw Leistungsschutzberechtigten gebunden ist (vgl § 27 Abs 2 UrhG; 4 Ob 69/14x).
4. Insgesamt hält die Entscheidung des Berufungsgerichts der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht Stand. In Stattgebung der Revision des Klägers war daher die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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