OGH 7Ob131/00s

OGH7Ob131/00s28.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Werner B*****, und 2.) Christiana B*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Wilfrid und Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwälte in Freistadt, gegen die beklagten Parteien 1.) Friedrich T*****; 2.) Mag. Liselotte M*****, beide vertreten durch Dr. Josef Schartmüller, Rechtsanwalt in Pregarten, sowie 3.) Doris T*****, vertreten durch Dr. Peter Keul, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung (Streitinteresse S 80.000,--), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 2. Dezember 1999, GZ 11 R 308/99m-13, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Pregarten vom 4. Juni 1999, GZ C 163/99 a-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Kläger sind Dienstbarkeitsbelastete, die Beklagten Dienstbarkeitsberechtigte eines ersessenen Fahrrechtes. Die Kläger stellten das Feststellungsbegehren, dass sie berechtigt seien, an der östlichen Grenze ihres Grundstückes zum öffentlichen Weg eine Abschrankung in Form einer Kette oder einer sonstigen unversperrbaren Abschrankung anzubringen; hilfsweise wurde auch ein Eventualbegehren gestellt.

Das Erstgericht wies beide Begehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger, die in ihrem Rechtsmittel ausdrücklich den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung gestellt hatten, in nichtöffentlicher Sitzung keine Folge, sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes über S 52.000,--, jedoch unter S 260.000,-- liege und die ordentliche Revision (wegen der Einzelfallkasuistik) nicht zulässig sei.

Die Kläger stellten hierauf einen Abänderungsantrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO. Neben unrichtiger rechtlicher Beurteilung wird als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens die Entscheidung des Berufungsgerichtes ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung geltend gemacht.

Das Berufungsgericht änderte hierauf seinen Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil es den Antrag der Kläger auf Berufungsverhandlung übersehen und dadurch die unter Nichtigkeitssanktion stehende Bestimmung des § 492 Abs 1 ZPO verletzt habe.

Die beklagten Parteien haben keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Die Revision ist zulässig, weil dem Berufungsgericht tatsächlich eine Nichtigkeit unterlaufen ist, welche wahrzunehmen ist (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 4 zu § 502; 2 Ob 78/97b), und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wurde von einer Partei eine mündliche Berufungsverhandlung (nach § 492 Abs 1 ZPO) beantragt, trotz eines solchen Antrages eine solche jedoch nicht - obwohl auch nicht die Voraussetzungen des § 501 ZPO vorliegen - abgehalten, so wird nach herrschender Auffassung der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO erfüllt (Kodek, aaO Rz 7 zu § 477; RZ 1990/18; RZ 1993/80; 2 Ob 78/97b; 8 ObA 373/97d; RIS-Justiz RS0042118 und 0042245). Eine solche Vorgangsweise hat also die Nichtigkeit der berufungsgerichtlichen Entscheidung zur Folge, welche nur dann unter Umständen unbeachtet bleiben könnte, wenn sie den Revisionswerber nicht beschwerte (RS0042208), wovon hier jedoch schon auf Grund seines explizit darauf hinweisenden Rechtsmittels nicht ausgegangen werden kann (wobei die Falschbezeichnung als Rechtsmittelgrund nach § 503 Z 2 statt Z 1 ZPO gemäß § 84 Abs 2 ZPO nicht weiter schadet). Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung 8 ObA 373/97d nicht veranlasst gesehen, von dieser - bereits jahrzehntelang herrschenden (SZ 7/388; SZ 10/80; MGA ZPO14 E 83 zu § 477 mwN) - Rechtsansicht aus der Erwägung abzugehen, dass man ihr allenfalls entgegenhalten könnte, dass sich der Berufungswerber bereits schriftlich äußern konnte und in der mündlichen Berufungsverhandlung kein neues Vorbringen mehr erstatten kann, sodass er durch deren Nichtabhaltung nur insoweit beschwert ist, als er gehindert war, seine Berufungsausführungen nochmals - eventuell unter Setzung besonderer Schwerpunkte - dem Berufungssenat mündlich zu erläutern. Hieran ist auch weiterhin - nicht zuletzt wegen der essentiellen Bedeutung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs im Zivilprozess (hiezu ausführlich Ballon, Die Beachtung des rechtlichen Gehörs iSd Art 6 MRK durch die Rechtsmittelgerichte, JBl 1995, 623

ff) - festzuhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO. Da nur die Entscheidung ohne ein vorausgegangenen Verfahren aufgehoben wurde, findet § 51 ZPO keine Anwendung (2 Ob 78/97b; RS0035870).

Stichworte