Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen, die beklagte Partei hat diese Kosten endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Parteien stehen im Wettbewerb auf dem oberösterreichischen Markt für Gratiszeitungen. Die Beklagte veröffentlichte in einer Regionalausgabe ihrer Zeitung folgende entgeltliche Einschaltung, die anders als eine weitere Anzeige auf dieser Seite nicht ausdrücklich als entgeltlich gekennzeichnet war:
(Abbildung nur in Originalentscheidung ersichtlich.) Auch die Klägerin hatte diese Anzeige veröffentlicht. Sie hatte jedoch die Seite, auf der auch (andere) redaktionell anmutende Beiträge erschienen waren, insgesamt deutlich mit „Anzeige" überschrieben.
Zur Sicherung ihres mit Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten zu untersagen, „im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Medium T***** Ankündigungen und/oder Empfehlungen und/oder Berichte, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, ohne Kennzeichnung als 'Anzeige', als 'entgeltliche Einschaltung' oder 'Werbung' vorzunehmen und/oder zu verbreiten, es sei denn, dass Zweifel über die Entgeltlichkeit durch deren Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können". Die Beklagte sei nach § 26 MedienG zur Kennzeichnung entgeltlicher Einschaltungen verpflichtet. Durch das Fehlen der Kennzeichnung werde beim durchschnittlichen Leser der Eindruck erweckt, es handle sich um einen von der Redaktion verfassten Beitrag. Anzeigenkunden erwarteten sich durch ungekennzeichnete Werbeartikel eine höhere Aufmerksamkeit für ihre Einschaltungen. Daher verschaffe sich die Beklagte durch ihre Vorgangsweise einen nicht durch Leistung legitimierten Vorsprung vor rechtstreuen Mitbewerbern, der geeignet sei, eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung zu bewirken. Das Vorgehen der Beklagten sei auch eine irreführende Geschäftspraktik iSv Z 11 des Anhangs zum UWG. Die Beklagte wendet ein, dass bei der strittigen Einschaltung jeder Zweifel an der Entgeltlichkeit ausgeschlossen gewesen sei. Die Anzeige sei von den redaktionellen Texten durch ein anderes Schriftbild und durch die Umrandung der Fotos abgehoben gewesen; die Kontaktdaten des Auftraggebers seien genannt worden. Zudem habe auch die Klägerin Anzeigen ohne Hinweis auf deren Entgeltlichkeit veröffentlicht. Sie sei nicht befugt, von der Beklagten etwas zu verlangen, was sie selbst „zufolge Branchenüblichkeit" nicht beachte. Aus der UWG-Novelle 2007 sei abzuleiten, dass das UWG nur rechtstreue Unternehmer vor unlauter handelnden Mitbewerbern schütze. Unternehmer, die selbst unlauter handelten, seien durch ein entsprechendes Fehlverhalten von Mitbewerbern nicht betroffen und daher nicht zur Unterlassungsklage legitimiert.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Die Einschaltung sei eine redaktionell getarnte Wirtschaftswerbung gewesen, die gegen § 26 MedienG verstoßen und durch die sich die Beklagte einen nicht bloß unerheblichen Wettbewerbsvorsprung verschafft habe. Die Beklagte habe damit auch gegen Z 11 des Anhangs zum UWG verstoßen. Das Klagerecht von Mitbewerbern bestehe auch bei eigenen gleichartigen Wettbewerbsverstößen.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Zwar habe die Beklagte gegen § 26 MedienG verstoßen, da weder die Aufmachung noch der Inhalt der Einschaltung einen deutlichen Schluss auf deren Entgeltlichkeit zugelassen hätten. § 1 UWG idF der Novelle 2007 BGBl I 79 sei jedoch nicht verletzt. Zwar sei eine als Information getarnte Werbung auch eine unlautere Geschäftspraktik iSv Z 11 des Anhangs zum UWG. Allerdings sei nach § 1 Abs 1 Z 2 UWG auch in diesem Fall die Eignung zu einer wesentlichen Beeinflussung von Verbrauchern erforderlich.
Im Anlassfall sei schon zweifelhaft, ob die strittige Anzeige überhaupt der Verkaufsförderung iSv Z 11 des Anhangs zum UWG diene. Denn die Anzeige betreffe ausschließlich technische Geräte mit hohem Spezialisierungsgrad. Das werbende Unternehmen habe seinen Sitz im Verbreitungsgebiet jener Regionalausgabe, in der die Anzeige erschienen sei. Daher werde es die dort ansässigen Abnehmer solcher Geräte ohnehin kennen und unmittelbar ansprechen. Jedenfalls sei die Einschaltung aber nicht geeignet, das wirtschaftliche Verhalten eines Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Denn „Breitschlitzdüsen, speziell solche mit zentral verstellbarer Unterlippe und automatischer Düsenzentrierung an der Oberlippe" seien für Verbraucher nicht von Interesse. Nach §§ 1 Abs 1 Z 2, 2 Abs 1 UWG und Z 11 des Anhangs zum UWG müsse die Einschaltung daher nicht als Werbung gekennzeichnet werden. Aus diesem Grund sei das Unterlassen der Kennzeichnung auch nicht geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern am Anzeigenmarkt nicht bloß unerheblich zu beeinflussen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, da die Auslegung des Begriffs „Zwecke der Verkaufsförderung" in Z 11 des Anhangs zum UWG über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe. Weiters fehle Rechtsprechung zur Frage, ob die Spürbarkeitsgrenze auch für ausdrücklich missbilligte Geschäftspraktiken gelte.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil eine Klarstellung zum Verhältnis zwischen den im Anhang zum UWG ausdrücklich missbilligten Geschäftspraktiken einerseits und einem sonstigen unlauteren Verhalten iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG andererseits erforderlich ist; er ist auch berechtigt.
1. Die Klägerin mache als Mitbewerberin geltend, die Beklagte habe gegen § 26 MedienG verstoßen und dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern erlangt. Damit beruft sie sich auf die lauterkeitsrechtliche Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch". Zu deren Beurteilung nach neuem Recht hat der Senat bereits mehrfach Stellung genommen (grundlegend 4 Ob 225/07b = MR 2008, 114 [Heidinger] - Stadtrundfahrten; seither etwa 4 Ob 34/08s, 4 Ob 48/08z und 4 Ob 27/08m; RIS-Justiz RS0123239). Danach ist ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm (nur) dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Der Unterlassungsanspruch setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.
2. Für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits kommt es auf dieser Grundlage nicht darauf an, ob die strittige Anzeige (auch) eine unlautere Geschäftspraktik iSv Z 11 des Anhangs zum UWG ist und ob in diesem Fall zusätzlich das Überschreiten der Spürbarheitsschwelle des § 1 Abs 1 Z 2 UWG zu prüfen wäre. Denn diese Frage stellte sich nur dann, wenn die Klägerin ihr Begehren ausschließlich auf eine durch die Werbung bewirkte unlautere Beeinflussung von Verbrauchern gestützt und die Beklagte als Mittäterin des inserierenden Unternehmens in Anspruch genommen hätte.
Das ist hier nicht der Fall: Die Klägerin wirft der Beklagten nicht vor, zusammen mit ihrem Auftraggeber in unzulässiger Weise auf Verbraucher eingewirkt zu haben. Vielmehr behauptet sie, dass sich die Beklagte durch einen Verstoß gegen § 26 MedienG als für alle Medienunternehmen geltenden Ordnungsrahmen einen Wettbewerbsvorsprung auf dem Anzeigenmarkt verschafft habe. Daher kommt es auf die Auslegung von Z 11 des Anhangs zum UWG ebensowenig an wie auf die Frage, ob die lauterkeitsrechtliche Spürbarkeitsschwelle auch bei einem solchen Verstoß überschritten sein müsste. Der Anspruch der Klägerin ist vielmehr schon dann begründet, wenn die Beklagte in unvertretbarer Weise gegen § 26 MedienG verstoßen hätte und dieser Verstoß geeignet wäre, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.
Der Senat hat zwar - den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (144 BlgNR 23. GP 2) und Stimmen in der Lehre (Schuhmacher, Die UWG-Novelle 2007, WBl 2007, 557, 558) folgend - ausgeführt (4 Ob 177/07v = MR 2008, 111 - das beste Wachstum; 4 Ob 42/08t), dass die Unlauterkeit einer Geschäftspraktik nach neuem Recht in folgender Reihenfolge geprüft werden müsse: Fällt die Praktik unter die Liste des Anhangs? Wenn nein: Liegt sonst eine aggressive (§ 1a UWG) oder irreführende (§ 2 UWG) Geschäftspraktik vor? Wenn nein: Fällt sie unter die Generalklausel des § 1 Abs 1 UWG? Diese Prüfungsreihenfolge bezieht sich indes nur auf Geschäftspraktiken iSv § 1 Abs 4 Z 2 UWG, dh auf Handlungen und Unterlassungen, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts zusammenhängen. Wird hingegen das Begehren (ausschließlich) auf eine lauterkeitsrechtlich relevante Verletzung (anderer) genereller Normen, dh auf ein sonstiges unlauteres Verhalten iSv § 1 Abs 1 Z 1 Fall 2 UWG, gegründet, so wäre eine vorrangige Prüfung des Anhangs zum UWG und der speziellen Regelungen zu irreführenden und aggressiven Geschäftspraktiken vom Begehren nicht gedeckt. Sie wäre weder erforderlich noch zulässig. Wird das Begehren - wie hier - sowohl auf einen Verstoß gegen eine (andere) generelle Norm als auch auf einen Wettbewerbsvorsprung durch Anwendung einer ausdrücklich missbilligten Geschäftspraktik gestützt, so kann die einstweilige Verfügung schon dann erlassen werden, wenn der Anspruch nach einer der beiden - einander nicht ausschließenden - Rechtsgrundlagen begründet ist. Eine kumulative Prüfung ist nicht erforderlich.
3. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass die Beklagte in unvertretbarer Weise gegen § 26 MedienG verstoßen hat. Maßgebend ist, ob das angesprochene Publikum, an dessen Aufmerksamkeit, Erfahrung und Sachkunde ein Durchschnittsmaßstab anzulegen ist, den entgeltlichen Charakter einer Veröffentlichung
zweifelsfrei erkennen kann (4 Ob 172/90 = WBl 1991, 173 - Z-Ratgeber;
RIS-Justiz RS0067658; zuletzt etwa 4 Ob 95/06h = MR 2006, 326 -
Adventzauber). Das war hier schon deswegen nicht der Fall, weil die Einschaltung aus Sicht eines Durchschnittslesers redaktionellen Charakter hatte. Denn gerade bei einer Regionalzeitung liegt es nahe, dass sie über den „Erfolgskurs" eines lokalen Unternehmens auch ohne dafür geleistetes Entgelt berichtet - wie etwa auch im unmittelbar daneben abgedruckten Artikel über einen anderen regional bedeutsamen Betrieb - und dass sie gegebenenfalls auch die Kontaktdaten dieses Unternehmens nennt. Auf dieser Grundlage ließ sich aus dem leicht abweichenden Erscheinungsbild nicht mit der nötigen Deutlichkeit ableiten, dass es sich um eine Werbeeinschaltung handelte. Das gilt umso mehr, als eine andere Einschaltung auf derselben Seite ausdrücklich als „Anzeige" gekennzeichnet war (vgl 4 Ob 95/06h).
4. Das beanstandete Verhalten ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG).
Der Senat hat dazu bereits festgehalten (4 Ob 225/07b; 4 Ob 34/08s; RIS-Justiz RS0123243), dass sich diese Eignung - ausgehend vom Regelungszweck der verletzten Norm und von den typischen Auswirkungen des Rechtsbruchs - schon aus dem (Wiederholungsgefahr indizierenden) Normverstoß als solchen ergeben kann. Dabei ist unerheblich, welche Wirkung das konkret beanstandete Verhalten in der Vergangenheit tatsächlich gehabt hat. Vielmehr ist zu fragen, ob eine Wiederholung - die hier nach dem Prozessstandpunkt der Beklagten zu erwarten ist - nach der Art des Verhaltens eine Wettbewerbsverzerrung bewirken kann. Das trifft hier zweifellos zu. Denn Unternehmen werden - bei ansonsten gleichen Voraussetzungen - wegen des höheren Werbewerts jenen Medien den Vorzug geben, die auf eine Kennzeichnung der Entgeltlichkeit von Einschaltungen verzichten. Das gilt auch für reine Imagewerbung, die nicht unmittelbar verkaufsfördernden Charakter hat. Wenn sich ein Unternehmen entschließt, den für eine solche Werbung erforderlichen Aufwand zu tätigen, dann erwartet es sich dafür ein bestimmtes Ergebnis, nämlich eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Diese Beeinflussung ist zweifellos größer, wenn ein positiver Bericht über das Unternehmen in der Wahrnehmung der Leser die vermeintlich höhere Richtigkeitsgewähr eines redaktionellen Beitrags hat.
5. Das Klagerecht eines Mitbewerbers nach § 14 UWG wird nach ständiger bisheriger Rechtsprechung durch eigene gleichartige Wettbewerbsverstöße nicht beeinträchtigt (RIS-Justiz RS0014242, RS0077853; zuletzt etwa 4 Ob 23/96w = WBl 2006, 487 - Direktvergabe). Denn das Lauterkeitsrecht schützt zugleich Unternehmer-, Verbraucher- und allgemeine Interessen (4 Ob 225/07b mwN). Das Klagerecht von Mitbewerbern dient daher nicht nur dem Schutz ihrer eigenen Interessen (4 Ob 380/77 = SZ 50/139 - Laienwerber); vielmehr liegt es regelmäßig auch im Allgemein- und gegebenenfalls im Verbraucherinteresse. Daher muss es Mitbewerbern auch bei gleichartigen eigenen Verstößen möglich sein, wechselseitige Unterlassungstitel zu erwirken. Denn nur so kann ein Hochschaukeln von Lauterkeitsverstößen vermieden werden, ohne dass dafür ein klagebefugter Verband oder ein dritter Mitbewerber einschreiten müsste. Das bloße Vorliegen eigener Verstöße kann daher für sich allein einen Rechtsmissbrauchseinwand noch nicht stützen. Dass sich diese Rechtslage durch die UWG-Novelle 2007 geändert hätte, ist nicht erkennbar. Eine nähere Prüfung dieser Frage kann hier aber schon deswegen unterbleiben, weil ein Verstoß der Klägerin gegen § 26 MedienG nicht bescheinigt ist. Die von der Beklagten beanstandete Einschaltung erschien auf einer Seite, die insgesamt deutlich mit „Anzeige" überschrieben war. Damit war für einen Durchschnittsleser klar, dass es sich dabei - ebenso wie bei einem auf derselben Seite erschienen Artikel über Aktivitäten der Wirtschaftskammer, der ebenfalls redaktionell anmutete - um eine entgeltliche Einschaltung handelte.
6. Aufgrund dieser Erwägungen ist die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)