OGH 3Ob92/11t

OGH3Ob92/11t11.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Thomas W*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des DI W***** (***** des Landesgerichts Feldkirch), gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Lothar Giesinger, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Anfechtung einer Rechtshandlung (§ 28 KO), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. März 2011, GZ 1 R 56/11m-41, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 7. Dezember 2010, GZ 5 Cg 173/07g-30, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Über das Vermögen des DI W***** (im Folgenden: Schuldner) wurde mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 14. September 2006 das Konkursverfahren eröffnet und der nunmehrige Kläger zum Masseverwalter bestellt. Die Beklagte ist die Ehegattin des Schuldners.

Die Eheleute E***** erwarben mit Kaufvertrag vom 13. September 2005 je einen Hälfteanteil an einer Liegenschaft, die aus zwei Grundstücken samt einem darauf befindlichen Einfamilienhaus (Doppelhaushälfte) besteht. Im Zuge dieses Kaufvertrags räumten sie einander ein Belastungs- und Veräußerungsverbot ein.

Mit seiner am 27. August 2007 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der klagende Masseverwalter, die Rechtshandlung, mit welcher der Beklagten ob der Liegenschaftshälfte des Schuldners ein Belastungs- und Veräußerungsverbot eingeräumt wurde, gegenüber den Konkursgläubigern für unwirksam zu erklären.

In seinem im ersten Rechtsgang ergangenen Beschluss vom 19. Mai 2009, 3 Ob 2/09d, verneinte der Oberste Gerichtshof die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit nach § 29 Z 1 KO; zur Prüfung der Voraussetzungen der Anfechtbarkeit nach § 28 Z 3 KO wurden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben.

Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht die Klage ab. Zusammengefasst traf es folgende ergänzende Feststellungen:

Im Vorfeld des Hauskaufs suchte der Schuldner wegen der Finanzierung seine Bank auf, von der er die Auskunft erhielt, dass die Finanzierung - so wie sich die Zahlen in seinem Unternehmen entwickelt hätten - kein Problem sei, wenn ein unterschriebener Kaufvertrag vorliege. Über Ratenhöhen wurde nicht gesprochen. Auf die spätere Frage der Beklagten, ob alles funktioniere, bestätigte ihr der Schuldner dies; wenn sie die Wohnung verkauft hätten, würde das mit dem Hauskauf passen. Die Beklagte fragte nicht weiter nach und gab sich mit dieser Auskunft zufrieden. Ihr Mann gab ihr auch nicht weitere Informationen darüber, wie er beabsichtigte, die neuen Verbindlichkeiten abzudecken. Im August 2005 kam das vierte Kind der Eheleute zur Welt, wodurch die Beklagte persönlich sehr eingespannt war und schon froh war, dass sie den Alltag meistern konnte und sich ihr Mann um das Finanzielle kümmerte. Bis 13. September 2005 hatten der Schuldner und die Beklagte außer den „auf der Wohnung“ pfandrechtlich sichergestellten Schulden keine weiteren Schulden. Sie kamen mit dem monatlichen Einkommen aus, wenngleich sie sich nicht alles leisten konnten. Die Beklagte fragte einmal ihren Mann, wie viel er verdiene. Er versuchte es ihr zu erklären (hinsichtlich Gewinn), sie ist dabei nicht „mitgekommen“. Bis 2006 gab es keine finanziellen Schwierigkeiten oder Vorfälle, die das Vertrauen der Beklagten in die Regelung der finanziellen Belange durch ihren Mann erschüttert hätten.

In seiner rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht eine Fahrlässigkeit der Beklagten. Diese habe auf ihre Frage der Machbarkeit glaubwürdige Antworten bekommen; aufgrund der konkreten Umstände wäre von ihr auch kein weitergehendes Hinterfragen zu verlangen gewesen.

Das Berufungsgericht änderte im klagsstattgebenden Sinn ab. Die Beklagte hätte sich nicht mit der Auskunft des Schuldners zufrieden geben dürfen, sondern hätte weiter nachfragen müssen, auf welche Weise ihr Gatte die bestehenden und neu eingegangenen Schulden abzudecken beabsichtige, sei es doch gerichtsbekannt, dass die Finanzierung eines Hauskaufs einen ungleich höheren Kapitalbedarf erfordere als jene einer Eigentumswohnung. Die Beklagte sei ihrer Nachforschungspflicht vorwerfbar nicht nachgekommen.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Beklagte als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zur Frage der Vorwerfbarkeit ihrer Unkenntnis von der Benachteiligungsabsicht vorliege. Ferner fehle Rechtsprechung zur Frage, ob Gläubiger iSd § 28 Z 3 KO nur solche Gläubiger seien, die vor der Eintragung des Belastungs- und Veräußerungsverbots ins Grundbuch Forderungen gegen den Schuldner erworben haben, oder ob auch jene dazu zählen, die erst nachher die Gläubigerstellung erlangt hätten.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage dargestellt.

1. Nach § 28 Z 3 KO anfechtbar sind alle Rechtshandlungen, durch welche die Gläubiger des Schuldners benachteiligt werden und die er in den letzten zwei Jahren vor der Konkurseröffnung gegenüber seinem Ehegatten - vor oder während der Ehe - oder gegenüber anderen nahen Angehörigen oder zu Gunsten der genannten Personen vorgenommen hat, es sei denn, dass dem anderen Teile zur Zeit der Vornahme der Rechtshandlung eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners weder bekannt war noch bekannt sein musste.

Voranzustellen ist, dass das Vorliegen der Benachteiligungsabsicht des Schuldners im ersten Rechtsgang (Seite 13 f der Entscheidung 3 Ob 2/09d) rechtlich abschließend bejaht wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung ist es gleichgültig, welche Gläubiger der Schuldner benachteiligen wollte, gegenwärtige, künftige, bestimmte, unbestimmte, alle oder einige (RIS-Justiz RS0050608).

2. Die Frage, ob dem Anfechtungsgegner die Benachteiligungsabsicht des Schuldners bekannt sein hätte müssen, hängt im Allgemeinen von den Umständen des Einzelfalles ab und ist daher nicht erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0101976). Ebenso ist die Frage, wie weit die Nachforschungspflicht des Anfechtungsgegners reicht, eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Frage (RIS-Justiz RS0101976 [T2]).

Ob dem Anfechtungsgegner Fahrlässigkeit zur Last fällt, bestimmt sich nach den ihm im Zeitpunkt der Vornahme der anzufechtenden Rechtshandlung zu Gebote stehenden Auskunftsmitteln, dem Maß ihrer ihm vernunftgemäß zuzumutenden Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung (5 Ob 586/82 = SZ 55/65; RIS-Justiz RS0064794; siehe auch RIS-Justiz RS0050580). Maßgeblich sind nicht nur die äußeren Umstände, unter denen die Rechtshandlung vorgenommen wurde (Inhalt, auffällige Zeit oder Heimlichkeit der Vornahme), sondern es ist auch auf Elemente in der Person des „anderen Teils“ (zB Branchenkollege, Hausbank, Rechtsanwalt) abzustellen (König, Anfechtung4 Rz 7/40).

3. Wie bereits in der im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung 3 Ob 2/09d ausgeführt wurde, lag die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass ihr die Benachteiligungsabsicht ihres Mannes weder bekannt war noch bekannt sein musste, bei der Beklagten (König, Anfechtung4 Rz 7/50 mwN); jede Unklarheit geht zu ihren Lasten (RIS-Justiz RS0050737 [T2]). Da bereits leichte Fahrlässigkeit schadet (RIS-Justiz RS0050737), hätte die Beklagte Umstände beweisen müssen, aus denen verlässlich darauf geschlossen werden kann, dass sie sich bei ihrem Mann ausreichend über die finanzielle Machbarkeit des Hauskaufs informiert hat und dass keine Umstände vorlagen, aufgrund derer sie an dieser Machbarkeit zweifeln hätte müssen.

3.1. Das Berufungsgericht hat in durchaus vertretbarer Weise geschlossen, dass der Beklagten dieser Beweis nicht gelungen ist.

3.2. Der Hinweis auf die festgestellte eheliche interne Aufgabenverteilung und darauf, dass die Beklagte bei den Erklärungen des Schuldners zu seinem Einkommen nicht „mitkam“, entkräftet nicht per se die Vermutung, dass die Beklagte in zumindest fahrlässiger Unkenntnis von den festgestellten Überlegungen des Schuldners, die seine Benachteiligungsabsicht begründen, war. Auch das weitere Argument, dass die Beklagte selbst bei weiterer „Nachforschung“ nicht mehr erfahren hätte, zumal weder Schuldner noch Hausbank ein Finanzierungsproblem gesehen hätten, lässt die die Beklagte als Ehefrau des Schuldners treffende Beweislast außer Betracht.

4. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist daher die Revision der beklagten Partei zurückzuweisen.

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