European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00020.24Y.0228.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 826,80 EUR (darin enthalten 137,89 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei gegenüber den klagenden Parteien schuldig, ab sofort bei sonstiger Exekution Beeinträchtigungen der den klagenden Parteien gehörenden (konkret bezeichneten) Liegenschaft in P* durch Lärm in einem einen Geräuschpegel von 55 dB(a) übersteigenden Ausmaß ausgehend von der auf dem der beklagten Partei gehörenden (konkret bezeichneten) Grundstück betriebenen Freizeitanlage zu unterlassen, ab.
[2] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob Anrainern gegen eine durch einen nachträglich errichteten großen Spielplatz entstandene dauerhaft vorhandene Geräuschkulisse ein nachbarrechtlicher Unterlassungsanspruch zustehe, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Rechtliche Beurteilung
[3] Mit der dagegen erhobenen Revision vermögen die Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen. Das Rechtsmittel ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[4] 1.1 Die völlig allgemein gehaltene Zulassungsfrage ist nach den in der Rechtsprechung geklärten Rechtsgrundsätzen zu § 364 Abs 2 ABGB zu beantworten. Dass – bei Vorliegen dieser Voraussetzungen – ein nachbarrechtlicher Unterlassungsanspruch auch bei einem nachträglich errichteten Spielplatz grundsätzlich in Betracht kommt, blieb im Verfahren unbestritten (vgl dazu auch 4 Ob 242/22z).
[5] 1.2 Aus dem Hinweis auf die Entscheidung zu 1 Ob 47/15s und darauf, dass es sich beim Spielplatz um eine nachträglich errichtete Anlage handle, können die Kläger nichts für sich ableiten. Die zitierte Entscheidung nimmt im gegebenen Zusammenhang auf im Fall eines nachträglichen Zuzugs des Klägers bereits vorhandene und damit vorhersehbare Immissionen Bezug, die vom neuen Eigentümer als ortsübliche Immissionen hingenommen werden müssen (vgl auch 1 Ob 190/05f). Eine solche Konstellation liegt hier gerade nicht vor.
[6] 2.1 Auch sonst zeigen die Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[7] 2.2 Gemäß § 364 Abs 2 ABGB sind Immissionen soweit unzulässig, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Beide Kriterien müssen kumulativ vorliegen, weshalb auch übermäßige Immissionen zu dulden sind, wenn sie die ortsübliche Nutzung nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch, wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstücks dadurch wesentlich beeinträchtigt wird (RS0010587 [T4]; 1 Ob 62/20d). Wie das ortsübliche Ausmaß der Immissionen ermittelt wird, ist ebenso eine Frage des Einzelfalls, wie die Beurteilung der Wesentlichkeit der Nutzungsbeeinträchtigung (RS0014685; RS0010558).
[8] 3.1 Auf die Lautstärke der vom Spielplatz der Beklagten ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen gehen die Kläger in der Revision nicht näher ein. Soweit sie die Bezugnahme auf den „Widmungsrichtwert“ für die Flächenwidmung ihres Grundstücks (Planungsrichtwert für Immissionen im Bauland der Kategorie 3, städtisches Wohngebiet, nach der Ö‑Norm S 5021) kritisieren, ist darauf hinzuweisen, dass sie diesen Richtwert selbst in ihr Klagebegehren aufgenommen haben. Außerdem haben Flächenwidmungspläne und damit auch sich darauf beziehende Lärmpegelrichtwerte im Rahmen der Beurteilung nach § 364 Abs 2 ABGB eine Indizfunktion für die im betreffenden Raum tatsächlich bestehenden Verhältnisse (vgl 1 Ob 62/20d).
[9] 3.2 Auch bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Nutzungsbeeinträchtigung ist das Berufungsgericht von den anerkannten Rechtsprechungsgrundsätzen ausgegangen. Dafür ist nach der Rechtsprechung nicht nur die objektiv messbare Lautstärke (im Sinn der Erhöhung des Grundgeräuschpegels), sondern auch die subjektive Lästigkeit maßgebend, wobei auf das Empfinden eines Durchschnittsmenschen in der Lage des Gestörten abzustellen ist (RS0010607; 3 Ob 70/22y). Für die Lästigkeit sind vor allem die Tonhöhe, die Dauer und die Eigenart der Geräusche entscheidend (RS0010557; RS0010607; 3 Ob 54/22w; 3 Ob 70/22y).
[10] 3.3 Ausgehend von der ermittelten Sachverhaltsgrundlage ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Lärmimmissionen nicht derart substantiell über dem sonst in der Umgebung vorhandenen Lärmpegel liegen, dass von einer Überschreitung des ortsüblichen Ausmaßes oder einer wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung des Grundstücks der Kläger gesprochen werden könne, keine Verkennung der Rechtslage. Der Abweisung der Immissionsklage durch die Vorinstanzen liegt daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zugrunde.
[11] Mit ihrer Behauptung, dass die Geräuschkulisse über den ganzen Tag hinweg gegeben sei, weichen die Kläger von der ermittelten Sachverhaltsgrundlage ab. Nach den bindenden Feststellungen besteht die dauerhaft vorhandene – den Widmungsrichtwert aber nicht übersteigende – Geräuschkulisse nur bei hoher Besucherfrequenz vor allem an gemäßigt warmen Tagen im Frühling und Herbst innerhalb der Öffnungszeiten des Spielplatzes. Die deutlich wahrnehmbaren Schallspitzen sind kurzfristige Einzelereignisse, die immer wieder auch außerhalb des Spielplatzbetriebs erreicht werden.
[12] 4. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage war die Revision zurückzuweisen.
[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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