OGH 1Ob190/05f

OGH1Ob190/05f18.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Alexander B*****, vertreten durch Dr. Fritz Vierthaler, Rechtsanwalt in Gmunden, gegen die beklagten Parteien 1. Anton F*****, vertreten durch Dr. Gerhard Haslbauer, Rechtsanwalt in Laakirchen, und 2. Marktgemeinde L*****, vertreten durch Mag. Jürgen Zahradnik, Rechtsanwalt in Lambach, wegen EUR 17.308,99 sA und Unterlassung (Streitwert EUR 10.000), aus Anlass bzw infolge ordentlicher Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. Juni 2005, GZ 12 R 7/05v-52, mit dem das Zwischen- und Teilurteil des Landesgerichts Wels vom 23. Dezember 2004, GZ 28 Cg 7/03b-43, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Das angefochtene Urteil wird, soweit damit der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichts abgeändert wurde, als nichtig aufgehoben. Die Berufung wird insoweit zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist - in Abänderung der Kostenentscheidung über die Berufung der klagenden Partei - schuldig, der erstbeklagten Partei die mit EUR 971,04 (darin EUR 161,84 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Darüber hinaus wird der Revision Folge gegeben und werden die Urteile der Vorinstanzen, die in ihrem klageabweisenden Teil mangels (zum Teil rechtzeitiger) Anfechtung bereits in Rechtskraft erwachsen sind, im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruchs über das Zahlungsbegehren einschließlich der im Verhältnis zwischen der klagenden und der erstbeklagten Partei gefällten Kostenentscheidung über das Verfahren erster Instanz sowie das Verfahren über die Berufung der erstbeklagten Partei aufgehoben. Dem Erstgericht wird insoweit eine neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Eingangs ist festzuhalten, dass die Abweisung des gegen die Zweitbeklagte gerichteten Klagebegehrens in Rechtskraft erwachsen ist, weshalb Ausführungen zu deren Prozessbeteiligung unterbleiben.

Der Kläger erwarb im Jahr 1983 ein unterhalb einer Gemeindestraße (L-Weg) gelegenes Grundstück und errichtete darauf in den Jahren 1984 bis 1986 ein Wohnhaus. Die Garage und die Kellerräume liegen 40 cm unter dem Straßenniveau. Oberhalb der Straße befinden sich vom Erstbeklagten (im Folgenden: Beklagter oder Revisionswerber) landwirtschaftlich genutzte Grundstücke. Bei länger andauernden ergiebigen Regenfällen kann es - abhängig vom aktuellen Bewirtschaftungszustand der Felder - dazu kommen, dass aus diesem Bereich (gelegentlich auch schlammiges) Niederschlagswasser über die Straße in die Garageneinfahrt fließt. Bereits kurz nach Fertigstellung des Hauses des Klägers kam es zu ersten Überflutungen, die sich verstärkten, nachdem die - quer zum Hang verlaufende - Straße 1988 asphaltiert worden war. Durch die Anlage der Straße wird das Oberflächenwasser an sich nicht kanalisiert; dieser Effekt tritt durch die Verbauung der unterhalb der Straße angrenzenden Grundtücke auf, weil dadurch der natürliche Abfluss gehemmt ist. Eine wesentliche Ursache für die Überflutung der Liegenschaft des Klägers liegt in der Situierung der Garageneinfahrt an der tiefsten Stelle, also in einem von der Natur vorgegebenen Wasserlauf. Die Anlage der Gemeindestraße durch die Zweitbeklagte war nach den natürlichen Geländeverhältnissen erfolgt, wobei der tiefste Punkt auf Höhe der Liegenschaft des Klägers liegt. Die Zweitbeklagte könnte durch Errichtung eines ausreichend dimensionierten, bergseitig gelegenen Straßengrabens mit einer entsprechenden Abflussmöglichkeit und bei entsprechender Wartung den Eintritt von Schäden auf der Liegenschaft des Klägers durch das Eindringen von Wasser und Schlamm verhindern. Auch der Kläger hätte im Zuge der Errichtung der Garageneinfahrt auf seiner Liegenschaft Maßnahmen treffen können, um eindringendes Oberflächenwasser unschädlich abfließen zu lassen. Er brachte aber lediglich vor der Garage seines Hauses eine Rinne an, damit der Garagenvorplatz entwässert wird und auch das von der Straße kommende Wasser abfließen kann. In den Jahren 1991 und 1992 errichtete die Zweitbeklagte auf seiner Liegenschaft eine Abflussrinne und einen Sickerschacht, die dafür ausgelegt sind, das allein von der Straße stammende Oberflächenwasser aufzunehmen, die aber nicht für starke Regenereignisse und die dabei erfolgenden Vermurungen von den oberhalb der Straße befindlichen Feldern des Beklagten dimensioniert sind.

Die Verschmutzungen der Liegenschaft des Klägers durch Schlamm in den Sommern 2000, 2001 und 2002 wurden durch den Bewirtschaftungszustand der Felder des Beklagten verursacht, wobei diese jeweils abgeerntet waren. Der Boden besteht aus lockerem Sediment mit einer mäßigen Speicherfähigkeit für Niederschlagswasser und einer schlechten Durchlässigkeit. Es handelt sich um hochwertiges Ackerland, das mäßig abschwemmungsgefährdet ist. Da der Untergrund schlecht sickerfähig ist, tritt bei Regenfällen bald eine Sättigung ein, und die Niederschläge stauen sich an der Oberfläche bzw fließen oberflächlich ab. Bei Regen werden die sehr feinen Bodenteilchen durch die Energie der Wassertropfen herausgeschlagen, aufgeschwemmt und mit dem Wasser mittransportiert. Diese Erosion tritt auch bei Niederschlagsereignissen geringerer Intensität und langer Dauer auf. Wären die Felder des Beklagten mit Bäumen dicht bepflanzt, könnte ein Schaden auf der Liegenschaft des Klägers durch Vermurung wahrscheinlich ausgeschlossen werden, nicht aber der Eintritt von (unreinem) Oberflächenwasser. Befände sich auf den Grundstücken des Beklagten anstatt bewirtschafteter Felder eine Wiese, könnte es auch zu einem Wassereintritt auf der Liegenschaft des Klägers kommen. Zu einer Vermurung hätte es dann nur kommen können, wenn von den Feldern oberhalb der Felder des Klägers Schlamm über den Hang fließt. Ebenso kann es einen erheblichen Einfluss auf die Schlammmenge haben, wenn von der oberhalb der Liegenschaft des Beklagten liegenden Stichstraße ungehindert Wasser auf dessen Feld fließt.

Anfang Juli 2002 erntete der Beklagte die Wintergerste und bearbeitete anschließend den Boden mit dem Grubber. Ende Juli brachte er Kalk zur Erhaltung der Bodengare und Stabilisierung der guten Bodenstruktur auf. Anfang August bearbeitete er das Feld mit dem Pflug. Nach äußerst ergiebigen Niederschlägen am 6. und 7. 8. 2002 ebnete er am 8. und 9. 8. die Pflugfurche mittels Egge, um die Wasserversorgung der Folgekultur (Winterraps) zu sichern und um ein gleichmäßig abgesetztes feinkrümeliges Saatbeet zu erreichen. Am 11. und 12. 8. erfolgten wieder starke Niederschläge, die in Verbindung mit den vorangegangenen Regenfällen in weiten Teilen Österreichs zu einer großflächigen Hochwassersituation führten. Am 23. 8. erfolgte die Rapsaussaat mit anschließendem Walzeneinsatz zur Rückverfestigung des Bodens. Raps trägt grundsätzlich zum Erosionsschutz wesentlich bei, insbesondere in gefährdeten Lagen, wobei der vorgenommene Anbau quer zur Falllinie der Erosion entgegenwirkt. Allgemein ist die Erosionsgefahr zur Zeit des Pflanzenbewuchses am geringsten - insbesondere wenn Getreide oder Raps gepflanzt werden -, während die Abschwemmgefahr am höchsten ist, wenn der Boden für die Saat vorbereitet wird und noch kein Bewuchs vorhanden ist. In der Nacht vom 31. 8. auf den 1. 9. 2002 kam es zu örtlich heftigen Gewitterniederschlägen, die im Zusammenhang mit den früheren Regenfällen zu einer Überschwemmung und Vermurung der Liegenschaft des Klägers durch über die Felder des Beklagten abrinnende Wasser- und Schlammmengen führten. Ein ca 15 cm hoher Schlammstrom drang durch die Kellerfenster in das Haus des Klägers und floss bei den Kellertüren wieder hinaus. Wieviel Schlamm von der Liegenschaft des Beklagten bzw von den Liegenschaften anderer Eigentümer auf das Grundstück des Klägers floss, ist nicht feststellbar. In Anbetracht des damaligen Bewirtschaftungszustandes der Felder hätte der Beklagte keine Maßnahmen setzen können, um die Überflutung und Vermurung der Liegenschaft des Klägers zu verhindern.

Der Kläger begehrte vom Beklagten den Ersatz der ihm durch die Wasser- und Schlammeintritte entstandenen Schäden, und zwar Reinigungskosten von je 400 EUR für die Überschwemmungen in den Jahren 2000 und 2001, sowie den Ersatz von EUR 16.508,99 für Schäden im Jahr 2002. Weiters begehrte er, den Beklagten schuldig zu erkennen, alles zu unterlassen, wodurch von dessen Grundstücken Wasser und Schlamm auf seine Liegenschaft gelangen kann, insbesondere die Entfernung von Schutzeinrichtungen. Der Beklagte habe die Abflussverhältnisse des anfallenden Oberflächenwassers durch die Art der Bestellung seiner zur Gemeindestraße abfallenden Felder verändert und dadurch die Ursache für die Verschlammung des klägerischen Grundstücks im Falle von schweren, nicht außergewöhnlichen Niederschlägen geschaffen. Dadurch seien dem Kläger die geltend gemachten Schäden erwachsen. Starke Regenereignisse in den Sommermonaten stellten nichts Außergewöhnliches dar. Da mit solchen Regenfällen in regelmäßigen Abständen gerechnet werden müsse, lägen keine Elementarereignisse vor, welche eine Haftung nach § 364 ABGB ausschließen würden. Nicht die Gemeinde müsse Vorkehrungen gegen vom Grundstück des Beklagten kommende Oberflächenwässer treffen, sondern dieser habe selbst Schutzmaßnahmen gegen die Überflutung der Nachbargrundstücke zu treffen.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, er habe seine Liegenschaften ordnungsgemäß bewirtschaftet. Das Oberflächenwasser stamme nicht ausschließlich von seinen Feldern, sondern komme überwiegend von dem weiter oberhalb gelegenen Grundstück und einer dort befindlichen Zufahrtsstraße. Bei den Ereignissen im Sommer 2002 habe es sich um eine außerordentliche, nicht vorhersehbare Naturkatastrophe („Jahrhunderthochwasser") gehandelt. Der Kläger, dessen Grundstück unter dem Niveau der Gemeindestraße liege, müsse selbst für eine funktionstüchtige Ableitung des Niederschlagswassers sorgen. Der von der Gemeinde entlang der Grundstücksgrenze zwischen der Straße und der Liegenschaft des Klägers errichtete Sickerschacht mit Abflussrinne sei vom Kläger nicht gewartet worden, sondern verwachsen und mit Humus verlegt gewesen. Hätte er sich in einem funktionstüchtigen Zustand befunden, wäre der behauptete Schaden nicht eingetreten.

Das Erstgericht sprach in Ansehung des Beklagten aus, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe, und wies das Unterlassungsbegehren ab. Ein Grundeigentümer sei nicht verpflichtet, den natürlichen Wasserablauf zu verändern, damit das Wasser nicht auf das Nachbargrundstück gelange. Die Verschlammung der bewohnten Liegenschaft des Klägers beeinträchtige zwar deren ortsübliche Benutzung und bewirke demnach eine unzulässige Immission, ein Unterlassungsanspruch sei jedoch nicht gerechtfertigt, zumal der Beklagte seine Liegenschaft ordnungsgemäß bewirtschaftet habe und es auch bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nicht möglich sei, Verschmutzungen durch Schlamm auf dem Nachbargrundstück zu verhindern. Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der klägerischen Liegenschaft habe der Beklagte nicht entfernt. Allerdings sei dem Kläger analog § 364a ABGB ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Ersatz des durch die Verschmutzungen entstandenen Schadens zuzugestehen. Es könne nämlich keine Verpflichtung des Klägers angenommen werden, selbst Maßnahmen gegen eine Vermurung seiner Liegenschaft auf Grund der Bewirtschaftung des Feldes des Beklagten zu treffen. Da nicht feststehe, welche Schlammmassen von anderen Feldern als demjenigen des Beklagten gekommen seien und in welchem Umfang Wasser von der Stichstraße Einfluss auf die Verschmutzung der Liegenschaft gehabt habe, hafte der Beklagte analog § 1302 ABGB für den gesamten Schaden.

Das Berufungsgericht bestätigte den Ausspruch über das Zurechtbestehen des Leistungsbegehrens dem Grunde nach sowie die Abweisung des Unterlassungsbegehrens, soweit es Immissionen durch Wasser und insbesondere die Entfernung von Schutzeinrichtungen betraf, wogegen es den Beklagten in Abänderung des Ersturteils schuldig erkannte, alles zu unterlassen, wodurch von seinen Grundstücken über die „Straßenparzelle" Schlamm auf die Liegenschaft des Klägers gelangen kann. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt EUR 20.000 übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Da die von der Natur vorgegebenen Nachteile grundsätzlich jenen träfen, in dessen Vermögen sie sich ereignen, und kein Grundstückseigentümer verpflichtet sei, seine Liegenschaft in einem solchen Zustand zu halten, dass der Nachbar vor von außen entstehenden Einwirkungen geschützt werde, seien nicht bloß das natürliche Oberflächen- und Hangwasser von höher gelegenen Grundstücken, sondern auch Beeinträchtigungen durch Schlamm udgl hinzunehmen, die nicht auf Bauarbeiten oder sonstige Handlungen des Nachbarn zurückzuführen sind, sondern durch andere natürlich vorhandene Einwirkungen bzw Elementarereignisse bewirkt werden, auch wenn das verschlammte Erdreich vom Nachbargrundstück stamme. Der Kläger könne insbesondere nicht die Unterlassung von Immissionen durch Wasser verlangen, da auf Grund der Feststellungen davon auszugehen sei, dass es - den natürlichen Gegebenheiten entsprechend - auch bei der „ursprünglichen Wiesenkultur" bzw bei dichter Baumbepflanzung zu einer Sättigung des Bodens und in der Folge zum Eindringen von Oberflächenwasser auf das Grundstück des Klägers kommen könne. Dagegen wäre ein Schlammeintritt ohne den vom Beklagten betriebenen Ackerbau - von Abschwemmungen noch weiter oben gelegener Grundstücke abgesehen - „wahrscheinlich ausgeschlossen oder zumindest geringer". Der Oberste Gerichtshof habe etwa die nachbarrechtliche Haftung des Eigentümers eines höher gelegenen Ackers, der in einer Hanglage in ortsüblicher Weise mit Mais bestellt wurde, hinsichtlich der nach heftigen Regenfällen erfolgten Abschwemmungen deshalb bejaht, weil durch (umfangreiche und nicht sachgerechte) erdbautechnische Änderungen (Geländekorrekturen durch Aufschüttungen und Planierungen, Änderung der Nutzungsart von Wiese in Acker) und auf Grund der für die gewählte Bestellung mangelhaften pflanzenbaulichen, kulturtechnischen und landbaulichen Maßnahmen zur Vermeidung von Erosion die früher bestandenen natürlichen Abflussverhältnisse der Niederschlagswässer maßgeblich verändert worden seien. Auch wenn im vorliegenden Fall die Arbeiten ordnungsgemäß und offenkundig ohne umfangreiche erdbautechnische Maßnahmen erfolgt seien, sei die maßgebliche Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse der Niederschlagswässer als eine gemäß § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB jedenfalls unzulässige unmittelbare Zuleitung zu beurteilen. Die Haftung des Beklagten sei demnach schon deshalb gegeben, weil die maschinelle landwirtschaftliche Bearbeitung des Feldes weder einen natürlichen Vorgang noch eine bloß mittelbare Einwirkung auf das Grundstück des Klägers darstelle, sondern weil mit der konkreten Bearbeitung in den beiden Sommermonaten Juli und August die Abschwemmgefahr direkt erhöht werde und in der Zeit am höchsten sei, auch wenn mit der Rapskultur während anderer Perioden - insbesondere während des Pflanzenbewuchses - der Erosion sogar entgegengewirkt werde. Die grundsätzliche nachbarrechtliche Haftung des Beklagten sei aber auch zu bejahen, wenn man die von ihm verursachte Änderung der natürlichen (ohne Bebauung) bestehenden Abflussverhältnisse nicht als unmittelbare, sondern bloß als mittelbare Einwirkung auf das Nachbargrundstück qualifizierte. Vom Nachbargrundstück ausgehende mittelbare Einwirkungen müssten nur dann geduldet werden, wenn diese das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Ausmaß nicht überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen. Bloß geringfügige Einwirkungen sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung (§ 32 Abs 8 WRG) gelten gemäß § 32 Abs 1 WRG bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung und als ortsüblich. Es komme daher nicht darauf an, ob der Ackerbau (Bestellung eines Felds in Hanglage mit Wintergerste und Raps) im ortsüblichen Umfang erfolgt sei, vielmehr sei entscheidend, ob die dadurch hervorgerufenen Einwirkungen auf das Grundstück des Klägers das Maß des Ortsüblichen überschritten hätten. Auch durchaus ortsübliche landwirtschaftliche Maßnahmen könnten dann zu nachbarrechtlichen Ansprüchen führen, wenn sie - etwa auf Grund der besonderen Bodenverhältnisse - zu Einwirkungen auf das Nachbargrundstück führen, die das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten. Die festgestellte Verunreinigung des klägerischen Grundstücks mit Schlamm könne auch unter Bedachtnahme auf § 32 Abs 1 WRG weder als ortsüblich noch als geringfügig bezeichnet werden, seien doch dadurch elementare Lebensbedürfnisse des Klägers unmittelbar betroffen. Der Beklagte habe daher den ihm obliegenden Beweis, dass der Eingriff die vom Gesetz gezogenen Grenzen (Ortsüblichkeit der Einwirkung und nur unwesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benützung des Grundstücks) nicht überschritten habe, nicht erbringen können. Es bestehe kein Zweifel daran, dass gerade der - wenn auch in Bezug auf Niederschläge im Vorhinein nicht planbare - Bewirtschaftungszustand des Feldes des Beklagten kausal für die Verschlammungen gewesen sei. Der gerade während der schweren Niederschläge in den Sommermonaten besonders ungünstige Bearbeitungszustand des Feldes mit der höchsten Abschwemmungsgefahr sei jedenfalls eine wesentliche Mitursache für den geltend gemachten Schaden des Klägers gewesen. Der Beklagte könne sich der Immissionshaftung auch nicht durch Berufung auf die besonders starken Niederschläge entziehen. Zwar seien nachbarrechtliche Ansprüche ausgeschlossen, wenn es sich um Elementarereignisse handle, die ohne menschliches Zutun eintreten, doch habe der Kläger eine im Hinblick auf das „Naturwirken" und die Bodenbeschaffenheit besonders gefährliche (ungünstige) Nutzung gewählt. Außerdem seien die hier zu beurteilenden Regenfälle kaum als Elementarereignis zu werten. Heftige Gewitterregen könnten in der warmen Jahreszeit immer wieder vorkommen, ohne dass dabei von höherer Gewalt zu sprechen sei. Die für den hier vorliegenden Schaden entscheidende Bodensättigung erfordere nicht besonders schwere, außergewöhnliche Niederschläge in kurzer Zeit, sondern könne auch durch einen längeren, gewöhnlichen Dauerregen hervorgerufen werden. Ein unabwendbares Elementarereignis liege schon deshalb nicht vor, weil die Überschwemmungen durch die hangseitige Errichtung eines ausreichend dimensionierten Straßengrabens ausgeschlossen hätten werden können. Im Sinne der einschlägigen Judikatur stehe dem Kläger ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch analog § 364a ABGB zu, da er sich in einer Situation befunden habe, in der eine Unterlassungsklage zu spät gekommen wäre. Zwar sei es schon in den Jahren 2000 und 2001 zu Schlammeinwirkungen gekommen, doch sei dem Kläger die tatsächliche Tragweite der möglichen Immissionen erst nach den außergewöhnlich starken Niederschlägen im Jahr 2002 bewusst geworden, zu welchem Zeitpunkt Abwehrmaßnahmen nicht mehr möglich gewesen seien.

Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob bestimmte im Zuge ordnungsgemäßer landwirtschaftlicher Nutzung eines Grundstücks durchgeführte notwendige Bearbeitungsschritte, durch die infolge Hanglage die Abschwemmgefahr des Erdreichs bei Niederschlägen wesentlich erhöht wird, die Annahme einer jedenfalls unzulässigen unmittelbaren Zuleitung im Sinn des § 364 Abs 2 ABGB rechtfertigen, ebenso fehle wie eine ausdrückliche höchstgerichtliche Stellungnahme zu der Frage, ob ein Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB und ein Ausgleichsanspruch analog § 364a ABGB auch nebeneinander geltend gemacht werden können.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten, in der er sich gegen das (klagestattgebende) Zwischenurteil sowie die ausgesprochene Verpflichtung, alles zu unterlassen, wodurch Schlamm auf die Liegenschaft des Klägers gelangen kann, wendet, ist zulässig und berechtigt.

Aus Anlass der Revision ist vorerst von Amts wegen eine Nichtigkeit des Berufungsverfahrens wahrzunehmen. Das Urteil des Erstgerichts wurde dem Prozessvertreter des Klägers am 3. 1. 2005 zugestellt. In Anbetracht der verhandlungsfreien Zeit zwischen 24. 12. 2004 und 6. 1. 2005 (§ 222 ZPO) begann die vierwöchige Berufungsfrist am 7. 1. 2005 um 0.00 Uhr und endete am 3. 2. 2005 um 24.00 Uhr (§ 225 Abs 1 ZPO). Die erst am 4. 2. 2005 zur Post gegebene Berufung des Klägers wurde somit verspätet erhoben, was zwar vom Berufungsgericht übersehen, aus Anlass der Revision des Beklagten jedoch insoweit aufzugreifen ist, als die Nichtigkeit einen Teil des Klagebegehrens betrifft, der Gegenstand des Revisionsverfahrens ist. Insoweit hat das Berufungsgericht unter Nichtbeachtung der Verspätung der Berufung in die bereits eingetretene Rechtskraft der erstgerichtlichen Entscheidung eingegriffen. Der vom Kläger dadurch erzielte Berufungserfolg kann somit keinen Bestand haben.

Dem Beklagten steht gemäß § 51 Abs 1 bzw § 50 Abs 1 iVm § 43 Abs 1 ZPO (teilweiser) Kostenersatz für die Berufungsbeantwortung zu. Bemessungsgrundlage ist der auf das Unterlassungsbegehren entfallende Teilstreitwert von EUR 10.000; Streitgenossenzuschlag ist nicht angefallen.

Damit ist das Unterlassungsbegehren erledigt.

Im Übrigen ist die Revision des Beklagten meritorisch zu behandeln:

Zu Recht tritt der Revisionswerber der Auffassung des Berufungsgerichts entgegen, es liege eine unmittelbare Zuleitung im Sinne des § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB vor. Der dafür ins Treffen geführten Entscheidung 1 Ob 42/01k lag ein nicht unwesentlich abweichender Sachverhalt zugrunde, nämlich die Veränderung der früher bestandenen Abflussverhältnisse infolge von Geländekorrekturen durch Aufschüttungen und Planierungen. Vergleichbare Maßnahmen hat der Beklagte im vorliegenden Fall nicht getroffen. Seine Tätigkeit beschränkte sich darauf, seine Felder in einer den Grundsätzen landwirtschaftlicher Betriebsführung entsprechenden Art und Weise zu bestellen, insbesondere sie nach der Ernte für die neue Aussaat vorzubereiten, was notwendigerweise zur Folge hat, dass das Erdreich über einen gewissen Zeitraum unmittelbar der Einwirkung durch Regenfälle ausgesetzt ist. Führt dieser Umstand dazu, dass nicht nur Oberflächenwasser - wie bei einem Wiesengrundstück - auf benachbarte Flächen gelangt, sondern das Wasser nach Sättigung des Bodens durch das Mitnehmen feiner Erdpartikel zu Schlamm wird, kann von einer unmittelbaren Zuleitung im Sinne der genannten Gesetzesstelle nicht gesprochen werden. Eine solche liegt regelmäßig nur vor, wenn sie durch eine „Veranstaltung" bewirkt wird, die für eine Einwirkung gerade in der Richtung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich ist, wie insbesondere die Zuleitung von Abwässern durch Rohre oder Rinnen, allenfalls auch durch gravierendere Geländekorrekturen (idS zuletzt 2 Ob 11/05i). Änderungen der Ablaufverhältnisse, die durch die ordnungsgemäße Bearbeitung eines landwirtschaftlichen Grundstücks notwendigerweise bewirkt werden (vgl § 39 Abs 3 WRG), stellen regelmäßig keine unmittelbare Zuleitung dar.

Für den geltend gemachten nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch ist somit maßgeblich, ob unzulässige Immissionen gemäß § 364 Abs 2 Satz 1 ABGB vorliegen.

Der Revisionswerber verweist darauf, dass sich in der Umgebung der Liegenschaft des Klägers überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen befänden, weshalb es als ortsüblich anzusehen sei, wenn bei außerordentlichen Niederschlagsereignissen auch Schlamm von den Feldern abfließt. Nachdem feststeht, dass bereits kurz nach der Fertigstellung des Hauses des Klägers im Jahr 1986 erste Überflutungen aufgetreten sind, sich die Abflussverhältnisse von den Feldern des Beklagten seither also nicht entscheidend verändert haben, darf nicht unbeachtet bleiben, dass für die Frage der Ortsüblichkeit des Abfließens von Schlamm bei besonders ungünstigen Wetterverhältnissen in Verbindung mit einem besonders erosionsgefährdeten Zustand der Ackeroberfläche (fehlender Pflanzenbewuchs) von jenen Verhältnissen auszugehen ist, die der Kläger bei Errichtung seines Wohnhauses vorfand. Grundsätzlich müssen sich neu hinzukommende Nachbarn mit den im Gebiet herrschenden Immissionen abfinden (2 Ob 236/99s = RdU 2000/13 mit Literaturhinweisen). Wer sich in einem überwiegend landwirtschaftlich genutzten Gebiet zu Wohnzwecken ansiedelt, muss eben jene nachteiligen Auswirkungen der landwirtschaftlichen Nutzung von Nachbargrundstücken hinnehmen, die bereits vorher bestanden haben und die für den Emittenten ohne erhebliche eigene Nachteile nicht vermeidbar sind. Nach dem festgestellten Sachverhalt wäre das Eindringen von Schlamm auf die Liegenschaft des Klägers zudem durch entsprechende Maßnahmen beim Bau der Garageneinfahrt vermeidbar gewesen.

Da die Vorinstanzen keine Feststellungen darüber getroffen haben, in welcher Weise die Liegenschaften des Beklagten in der Zeit vor der Errichtung des Hauses des Klägers genutzt wurden, erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig. Sollten die Grundstücke bereits einige Zeit dem Anbau von Feldfrüchten gedient haben und dabei gelegentlich Schlamm auf die darunter liegenden Nachbargrundstücke gelangt sein, wäre vorerst zu klären, ob die dadurch verursachten Verunreinigungen von den Eigentümern der Nachbargrundstücke als ortsübliche Immissionen hingenommen wurden bzw hingenommen werden mussten. Sollte dies bejaht werden, könnte der nachträglich zugezogene Kläger dem Beklagten das Weiterbestehen dieser (gelegentlichen) Einwirkungen nicht untersagen, weil dies im Ergebnis auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Umwandlung von Ackerland in Wiese bzw zur Errichtung eines Kanals hinausliefe. Ein neu zugezogener Nachbar, dessen Vorgänger nachteilige Einwirkungen vom Nachbargrundstück als ortsübliche Immissionen zu dulden hatte, kann den Emittenten grundsätzlich zur Änderung der Nutzung seiner Liegenschaft und zu Einschränkungen der bisherigen Bewirtschaftung zwingen, sondern hat vielmehr selbst für die Abwehr bisher ortsüblicher und damit zulässiger Immissionen Sorge zu tragen.

Die aufgezeigten Fragen werden vom Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren zu erörtern sein.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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