OGH 2Ob236/99s

OGH2Ob236/99s23.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Gerstenecker und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Egmont H*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei 1. Johann H***** und 2. Theresia H*****, beide vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in Heinfeld, wegen Unterlassung, infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 1. Juni 1999, GZ 36 R 158/99z‑59, womit infolge Rekurses der klagenden und gefährdeten Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 19. April 1999, GZ 7 C 2314/97d‑53, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, den beklagten Parteien und Gegnern der gefährdeten Partei die mit S 6.695,04 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.115,84, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Der Kläger begehrte in Punkt 2 seines Urteilsbegehrens die Beklagten für schuldig zu erkennen, die von der auf ihrer Liegenschaft betriebenen Köhlerei herrührende Immission von Rauch, Gasen und Gestank, soweit sie sich über das ortsübliche Maß hinaus auf die Liegenschaft des Klägers erstreckt, zu unterlassen. Er brachte dazu vor, die Beklagten betrieben die Köhlerei im Rahmen eines landwirtschaftlichen Nebengewerbes zu dessen Betrieb eine Bewilligung nicht erforderlich sei. Sobald ein Meiler in Gang gesetzt werde, komme es zu einer äußerst starken Rauch- und Rußentwicklung, die die Benutzung der Liegenschaft des Klägers zu Wohnzwecken bei bestimmter Windrichtung beinahe unmöglich mache. Rauch und Geruch führten bei der Familie des Klägers und bei diesem selbst bereits zu gesundheitlichen Beschwerden. Jedenfalls sei die Bewohnbarkeit des Hauses bzw die Benützbarkeit des Gartens wesentlich beeinträchtigt. Die Immissionen, die mit Ausnahme weniger Wochen das ganze Jahr wiederkehrten, überschritten das nach den ortsüblichen Verhältnissen gewöhnliche Maß weit und beeinträchtigten die ortsübliche Benutzung des Grundstückes des Klägers wesentlich (§ 364 Abs 2 ABGB).

Nach einer Prozeßdauer von rund 1 1/2 Jahren beantragte der Kläger "zur Sicherung des unter Punkt 2 geltend gemachten Unterlassungsbegehrens" die Erlassung folgender einstweiliger Verfügung:

"Zur Sicherung des Anspruchs der gefährdeten Partei wider die gefährdenden Parteien auf Unterlassung von Immissionen von Rauch, Gasen und Gestank auf die Liegenschaft der gefährdeten Partei wird den gefährdenden Parteien ab sofort geboten, durch Unterlassung des Betriebes von Holzkohlenmeilern auf ihrer Liegenschaft .... oder durch andere geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß der Kläger nicht durch Immissionen von Rauch, Gasen und Gestank beeinträchtigt wird, die von Holzkohlenmeilern auf der oben angeführten Liegenschaft der gefährdenden Partei ausgehen".

Der Kläger verwies diesbezüglich auf sein bisheriges Vorbringen und brachte weiters vor, durch die von den Beklagten betriebenen Holzkohlenmeiler komme es auf seinem Grundstück zu Immissionen, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu gesundheitlichen Störungen führten. Einzelne Beschwerden seien bereits aufgetreten. Durch die Schadstofferhöhung ergebe sich auch ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko und damit die Gefahr einer konkreten Gesundheitsschädigung. Da die Immissionen zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung führten, könnten sie nicht ortsüblich werden. Das absolut geschützte Rechtsgut Leben und Gesundheit genieße Schutz gegen jegliche Eingriffe Dritter.

Die Beklagten wendeten ein, die einstweilige Verfügung gehe über das zu sichernde Urteilsbegehren hinaus. Sie betrieben die Köhlerei bereits seit Anfang der 60iger Jahre im jetzigen Ausmaß. Der Bestand der Köhlerei und deren Umfang seien dem Kläger bei Kauf seiner Liegenschaft bekannt gewesen. Durch den Betrieb der Köhlerei an diesem Standort seit mehr als 30 Jahren sei die Immission ortsüblich geworden. Aufgrund der Einhaltung der Grenzwerte sei auch keine Gesundheitsgefährdung bzw Unzumutbarkeit gegeben.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab, wobei es im wesentlichen folgende Feststellungen traf:

Der Kläger und die Beklagten sind Eigentümer angrenzender Liegenschaften. Der Vater des Erstbeklagten begann 1960 mit dem Betrieb einer Köhlerei. 1965 wurde der Betrieb von Laumeilern auf Rundmeiler umgestellt. Ab diesem Zeitpunkt wurden ca sieben bis neun Meiler pro Jahr mit einem Ausmaß von 30 bis 40 Raummeter errrichtet. Am 1. 5. 1994 wurde der Betrieb dem Erstbeklagten übergeben. Dieser nahm keine Betriebsumstellung vor.

Die Meiler werden zunächst im Laufe von drei bis vier Tagen, manchmal auch einer Woche, aufgeschlichtet. Ab dem Zeitpunkt des Anzündens bis zum Ausräumen brennt ein Meiler dann drei bis vier Wochen. Teilweise sind zwei Meiler gleichzeitig in Betrieb, teilweise nur einer. In den ersten zwei bis drei Tagen nach dem Anzünden raucht ein Meiler am meisten, die restliche Zeit glost er. Nach dem Abbrennen wird die Holzkohle auf eine Rüttelmaschine transportiert, um sie von der Lötsch zu trennen, wobei sich Staub bildet. Die Köhlerei wird von Frühjahr bis Herbst betrieben.

Der Kläger erwarb seine Liegenschaft im April 1995, er übernahm sie im Juni dieses Jahres. Ihm war zum Zeitpunkte des Ankaufes die Existenz des Köhlereibetriebes auf dem Grundstück der Beklagten bekannt. Der Voreigentümer wies ihn auf Immissionen hin, er erkundigte sich jedoch nicht genau über diese. Seit Dezember 1995 bewohnt er die Liegenschaft mit seiner Familie.

Durch den Köhlereibetrieb des Beklagten kommt es sehr häufig zu Belästigungen durch Staub und Gestank, zumindest auf einem Teil der Liegenschaft des Klägers. Es kommt auch zu Rußablagerungen. Der Kläger und seine Familie verspüren infolge des Gestanks öfters Übelkeit und Kopfschmerzen. Überdies können sie aufgrund des Gestankes, der im Wohnhaus bei geschlossenen Fenstern teilweise wahrnehmbar ist, in der Nacht im Schlafzimmer nicht schlafen. Der Aufenthalt im Freien ist durch den Geruch beeinträchtigt.

Im Jahre 1999 wurde der erste Meiler am 10. 3. entzündet. Der Kläger und seine Familie konnten in der Zeit vom 11. 3. bis 15. 3. 1999, zum Teil auch in der folgenden Woche nicht schlafen. Infolge des Gestankes wurde das Kind des Klägers am 15. 3. 1999 tagsüber in der auswärtigen Kindergruppe belassen. Am 28. 3. 1999 konnte der Kläger Gartenarbeiten wegen Atembeschwerden aufgrund von Rauch und Gestank nicht durchführen.

Am 30. 3. 1999 wurde von den Beklagten ein zweiter Meiler in Betrieb genommen.

Durch die vom Grundstück der Beklagten ausgehenden Immissionen von CO, NO2 und Bezol werden die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschritten; der Jahresmittelwert für Bezol liegt an der Grundstücksgrenze des Klägers im Bereich des Grenzwertes, im Bereich des Wohnhauses darunter, die Jahresmittelwerte hinsichtlich CO, NO2 liegen unter den Grenzwerten. Hinsichtlich der Geruchsbelästigung wird der österreichische Richtwert der Akademie der Wissenschaften am Grundstück des Klägers und auch im Bereich des Wohnhauses überschritten.

Bei langdauernder erheblicher Geruchsbelastung treten Krankheitssymptome wie Übelkeit, Brechreiz, Atemwegsstörungen, Kopfschmerzen und Augenreizungen sowie Schlafstörungen mit großer Wahrscheinlichkeit auf.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, das Sicherungsbegehren, sämtliche Immissionen von Rauch, Gasen und Gestank, die von den Holzkohlemeilern auf der Liegenschaft der Beklagten ausgingen, zu untersagen, sei ein plus bzw aliud gegenüber dem Klagebegehren, in dem lediglich die Unterlassung der Immission von Rauch, Gasen und Gestank, soweit diese sich über das ortsübliche Maß auf die Liegenschaft des Klägers erstreckten, begehrt werde. Schon aus diesem Grunde könne die begehrte einstweilige Verfügung nicht erlassen werden.

Weiters führte es aus, daß der Kläger seinen Unterlassungsanspruch auf § 364 Abs 2 ABGB und den Eingriff in absolut geschützte Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit, gestützt habe. Gemäß § 364 Abs 2 ABGB könne der Eigentümer eines Grundstückes dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigten. Bei der Feststellung der Ortsüblichkeit komme es in erster Linie auf die Umgebung des gestörten Grundstückes an. Unter Umständen könne ein einziger Großbetrieb den Charakter eines Raumes prägen. Einwirkungen, die schon länger als die allgemeine Ersitzung- und Verjährungszeit bestünden, seien ortsüblich. Ob eine Immission das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteige, hänge davon ab, ob zur Zeit der Klagserhebung die Immission eine Steigerung im Vergleich zu ihrem Ausmaß während der letzten drei Jahre vorher erfahren habe. Ob der Beschwerte bei Erwerb seines Grundstückes bereits mit einer derartigen Einwirkung rechnen habe müssen, sei dann beachtlich, wenn es sich um eine Immission handle, deren Ursache für den Charakter der Umgebung für Bedeutung sei. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich, daß der Umfang und die Art des Betriebes der Köhlerei bereits 30 Jahre vor dem Erwerb der Liegenschaft durch den Kläger bestanden, die Köhlerei sei als prägend für die Umgebung anzusehen. Die Einwirkungen seien daher durch Verstreichen der langen Ersitzungszeit jedenfalls ortsüblich geworden. Dafür, daß erst kurze Zeit vor der Übernahme der Liegenschaft durch den Käufer eine grundlegende Veränderung im Betrieb der Köhlerei stattgefunden habe, seien keine Anhaltspunkte gegeben. Da der Betrieb der Köhlerei dem Kläger bei Erwerb der Liegenschaft bekannt gewesen und schon damals für den Charakter der Umgebung prägend gewesen sei, hätte er nähere Erkundigungen hinsichtlich der von der Köhlerei ausgehenden Immissionen einholen müssen.

Öffentlich‑rechtliche Zulässigkeit oder Unzulässigkeit seien bei der gesamthaft‑wertenden Betrachtung, ob eine bestimmte Immission als ortsüblich zu dulden sei, als zusätzliches Abgrenzungskriterium heranzuziehen. Im vorliegenden Fall sei daher bei der Abwägung miteinzubeziehen, daß die gesetzlichen Grenzwerte, soweit vorhanden, nicht überschritten würden.

Das vom Kläger angerufene Rekursgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung, es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit S 52.000 übersteigend und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.

Das Rekursgericht schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes grundsätzlich an. Es wies darauf hin, daß die begehrte einstweilige Verfügung über den Punkt 2 des Urteilsbegehrens hinausgehe, weil sich im Provisorialantrag keine Einschränkung auf ein ortsübliches Ausmaß einer Beeinträchtigung finde. Bei der Prüfung der Frage, ob sich der im Provisorialverfahren zu sichernde Anspruch im Rahmen des mit der Klage erhobenen Anspruchs halte, dürfe zwar nicht engherzig vorgegangen werden. Im konkreten Fall habe der Kläger aber seinen Unterlassungsanspruch erkennbar ausschließlich auf § 364 Abs 2 ABGB gestützt. Erstmals im Provisorialantrag habe er behauptet, die Immissionen führten zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung und könnten daher auch nicht ortsüblich sein. Der zu sichernde Unterlassungsanspruch werde hier erstmals auf das absolut geschützte Persönlichkeitsrecht auf Leben und Gesundheit gestützt. Es könne daher nicht gesagt werden, daß mit der einstweiligen Verfügung nichts anderes behauptet und beantragt werde, als schon im Klagebegehren. Eine entsprechende Klagsänderung sei erst nach Erlassung des angefochtenen Beschlusses erfolgt.

Schließlich sei es aber auch nicht möglich, die Berechtigung einer sich im Rahmen des ursprünglichen Hauptbegehrens haltenden Provisorialmaßnahme (Unterlassung von Immissionen durch Rauch, Gase und Gestankt, die das ortsübliche Ausmaß übersteigen) inhaltlich zu prüfen. Dieses Begehren erfülle nämlich nicht die Bestimmtheitserfordernisse des § 226 ZPO. Es bedürfe präziser Anführung von Maßeinheiten zur deutlichen Kennzeichnung der Unterlassungspflicht um eine Abgrenzung eines übermäßigen von einem ortsüblichen und zumutbaren Immissionpegel zu ermöglichen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil ein vergleichbarer Sachverhalt an den Obersten Gerichtshof noch nicht herangetragen worden sei und auch zur Frage der ausreichenden Konkretisierung des Unterlassungsbegehrens im Zusammenhang mit Immissionen durch Rauch, Gase und Gestank eine Stellungnahme des Höchstgerichtes im Hinblick auf die steigende Bedeutung des Immissionsrechts wünschenswert erscheine.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die begehrte einstweilige Verfügung erlassen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien haben Revisionsrekursbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger vertritt unter dem Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit die Ansicht, es sei unrichtig, daß er das Klagebegehren ausschließlich auf den Rechtsgrund des § 364 Abs 2 ABGB gestützt habe. Bereits in der Klage habe er Tatsachen vorgetragen, die eine rechtliche Qualifikation des Sachverhaltes auf der Grundlage der Gesundheitsgefährdung ermöglichten. Da es aber bei einer Gesundheitsgefährdung zu keiner Einschränkung des Unterlassungsbegehrens auf ortsunübliche Immissionen ankomme, gehe die im Klagebegehren zunächst vorgenommene Einschränkung auf die Unterlassung ortsunüblicher Immissionen ins Leere. Da die festgestellten Immissionen nicht ortsüblich werden könnten, könnten sämtliche Immissionen untersagt werden.

Aber selbst wenn man davon ausgehe, daß mit der einstweiligen Verfügung etwas anderes beantragt wurde, als mit dem ursprünglichen Unterlassungsbegehren, hätte eine Rechtfertigungsfrist gemäß § 391 Abs 2 EO für die entsprechende Klagsänderung bzw Einbringung einer (weiteren) Klage gesetzt werden müssen. Gemäß § 378 EO sei auch die Sicherung künftiger Ansprüche möglich. Werte man die nach der Entscheidung über den Provisorialantrag vorgenommene Modifikation des Klagebegehrens im Sinne des Provisorialantrages als Klagsausdehnung, so sei der ausgedehnte Teil des Begehrens einem noch nicht eingeklagten Anspruch im Sinne des § 378 EO gleichzuhalten. Das modifizierte Klagebegehren stelle kein aliud dar, sondern allenfalls gegenüber dem ursprünglichen Klagebegehren ein plus, über welches noch kein Verfahren anhängig sei. Es hätte daher die einstweilige Verfügung unter Setzung einer Frist nach § 391 Abs 2 EO erlassen werden können. Die Abweisung des Sicherungsantrages aus dem Grund, daß dieser über den in der Klage geltend gemachten Anspruch hinausgehe, sei daher nicht zulässig. Aufgrund seiner unrichtigen rechtlichen Beurteilung sei das Rekursgericht auf die Frage, ob gesundheitsgefährdende Immissionen überhaupt ortsüblich sein könnten, nicht eingegangen.

Hiezu wurde erwogen:

Wie schon von den Vorinstanzen zutreffend dargelegt wurde, geht der Sicherungsantrag über den Punkt 2 des Urteilsbegehrens hinaus. Während nämlich Punkt 2 des Urteilsbegehrens auf das ortsübliche Maß abstellt, wird im Sicherungsantrag begehrt, den Beklagten aufzutragen, durch Unterlassung des Betriebes oder durch andere geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß der Kläger (überhaupt) nicht durch Immissionen von Rauch, Gasen und Gestank beeinträchtigt werde. Die einstweilige Verfügung wurde ausdrücklich zur Sicherung des unter Punkt 2 geltend gemachten Unterlassungsbegehrens beantragt (s AS 187), wenngleich im Spruch der begehrten einstweiligen Verfügung das Urteilsbegehren nicht vollständig wiedergegeben wurde. Wenn aber die gefährdete Partei auf Unterlassung klagt und zur Sicherung ein Unterlassungsgebot nach § 382 Abs 1 Z 5 EO beantragt, das sich nicht mit dem Klagebegehren deckt, dann muß ermittelt werden, ob das einstweilig anzuordnende Verbot nur einen Teil des klageweise geltend gemachten darstellt. Ist das der Fall, kommt die einstweilige Verfügung in Frage; wenn nicht, ist der Sicherungsantrag abzuweisen (Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung, 82). Im vorliegenden Fall stellt nun das einstweilig anzuordnende Verbot nicht einen Teil des klageweise geltend gemachten dar, sondern geht über dieses hinaus. Dies hat aber nicht zur Folge, daß der gesamte Sicherungsantrag abzuweisen ist, sondern nur, daß das begehrte Verbot insoweit zu verweigern ist, als es über den Anspruch hinausgeht, also als es über das Begehren, das ortsübliche Maß übersteigende Immissionen zu untersagen, hinausgeht.

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ist der Punkt 2 des Urteilsbegehrens auch ausreichend bestimmt. Der Oberste Gerichtshof hat bei Geräuschimmissionen mehrfach ausgesprochen, daß das nur allgemein gehaltene Begehren, Lärm, durch den die Nachtruhe gestört wird, zu unterlassen, ausreichend bestimmt ist (SZ 67/138, 70/201; 2 Ob 55/99y). Dabei wurde in der Entscheidung 2 Ob 55/99y auch ausgeführt, daß an die Orts(un)üblichkeit der während der Sonn- und Feiertage einerseits und der Nachtstunden anderseits zu duldenden Immissionen unterschiedliche Maßstabskriterien anzulegen seien, wobei wiederum von einer Gesamtbetrachtung auszugehen sei, was nach Art und Intensität das - ortsübliche - Wohlbefinden "normal empfindender Menschen" in einem wie dem anderen Fall zu stören geeignet sei. Es wurde also in dieser Entscheidung auf die Ortsüblichkeit der Lärmimmission abgestellt und ein allgemein gehaltener Titel für ausreichend erachtet. Gleiches muß aber auch für Immissionen durch Rauch, Gase oder Gestank gelten.

Richtig ist, daß der Kläger bereits in der Klage ausgeführt hat, die von der Liegenschaft der Beklagten ausgehenden Immissionen seien gesundheitsschädlich. Bei solchen Immissionen wird die Ansicht vertreten, daß die Ortsüblichkeit dort ihre Grenzen finde, wo die ortsübliche Benutzung der Nachbarliegenschaft derart beeinträchtigt werde, daß es auch zu Schäden an der Person des Nachbarn komme. Bei Immissionen, an die man sich nach allgemeiner Auffassung nicht gewöhnen könne, sei das Ergebnis der Interessenabwägung so eindeutig, daß es auf die tatsächlichen Verhältnisse nicht ankomme. Das müsse jedenfalls für die Gefährdung von Leben und Gesundheit gelten (Gimpel‑Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung, 279; Oberhammer in Schwimann, ABGB2, Rz 11 zu § 364). Grundsätzlich müssen aber neu hinzukommende Nachbarn sich mit der im Gebiet vorherrschenden Immission abfinden, zumal in immissionsbelasteteren Gebieten auch die Grundstückspreise entsprechend niedriger sind (Gimpel‑Hinteregger, aaO, 278; J. W. Steiner, Zur Auslegung des Begriffes der Ortsüblichkeit in § 364 Abs 2 ABGB, JBl 1978, 133 [140]). Bei gesundheitsschädlichen Immissionen besteht eine Duldungspflicht aber nur dann, wenn die Duldung in Kenntnis der Gesundheitsschädlichkeit erfolgt. Dabei ist aber nicht subjektiv auf den Kenntnisstand des Käufers abzustellen, sondern darauf, ob einem durchschnittlich sorgfältigen Käufer die Gesundheitsschädlichkeit der vom Nachbargrundstück ausgehenden Immission erkennbar gewesen wäre. Ist dies der Fall, dann muß der Käufer auch eine gesundheitsschädliche Immission als ortsüblich dulden.

Im vorliegenden Fall war dem Kläger zum Zeitpunkt des Ankaufes die Existenz des Köhlereibetriebes auf dem Grundstück des Beklagten bekannt, er wurde auch vom Voreigentümer auf Immissionen hingewiesen. Sind aber dem Grundstückseigentümer bei Erwerb des Grundstückes die vom Nachbargrundstück ausgehenden Immissionen bekannt, dann muß er behaupten und bescheinigen, daß auch einem durchschnittlich verständigen Käufer die Gesundheitsschädlichkeit nicht erkennbar gewesen sei. Derartige Behauptungen hat der Kläger aber nicht aufgestellt.

Es war deshalb dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50 ZPO.

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