OGH 3Ob180/02w

OGH3Ob180/02w24.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** KEG, ***** vertreten durch Dr. Thomas Bründl, Rechtsanwalt in Straßwalchen, wider die beklagte Partei Bernhard G*****, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, wegen 22.524,46 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. April 2002, GZ 3 R 18/02z-39, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 23. November 2001, GZ 41 Cg 214/00i-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.189,44 EUR (darin 198,24 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war bis Ende 1999 als angestellter Berufsdetektiv tätig, sodann vorübergehend arbeitslos und befasste sich im Laufe der ersten Jahreshälfte 2000 - er war zuvor nie als selbstständiger Unternehmer tätig gewesen - mit der Vorbereitung seines nunmehrigen Geschäftsbetriebs. Anfang August 2000 erhielt er den erforderlichen Gewerbeschein und am 14. Oktober 2000 eröffnete er sodann ein nicht protokolliertes Wellness- und Fitness-Center unter der Etablissementbezeichnung "B*****". Zur Errichtung dieses Betriebs führte er Kreditverhandlungen mit einer Bank, mietete etwa im Juni 2000 sein nunmehriges Geschäftslokal und bestellte am 10. Juni 2000 bei der klagenden Partei verschiedene Maschinen und Geräte um 1,746.930,60 S incl deren Lieferung und Montage. Dem Geschäftsführer der klagenden Partei war bekannt, dass die Geräte für ein Fitness-Center bestimmt waren.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist sowohl nach der Zulassungsbegründung der zweiten Instanz als auch nach dem Inhalt der Revision nur mehr die Frage, ob dem Beklagten für - die Zurückbehaltung eines Teils der Auftragssumme begründende - Mängel (ein am 14. November 2000 unternommener Mängelbehebungsversuch scheiterte weitgehend) an den am 6. Oktober 2000 gelieferten Geräten, die er erstmals unmittelbar nach Eröffnung des Fitness-Centers am 14. Oktober 2000 rügte, eine Verletzung der Rügeobliegenheit nach §§ 377 f HGB zur Last fällt oder ob er das sogenannte "Gründungsprivileg" nach § 1 Abs 3 KSchG für sich in Anspruch nehmen kann. Die Vorinstanzen bejahten Letzteres und wiesen das restliche Klagebegehren auf Zahlung von 22.524,46 EUR sA ab. Der Erstrichter vertrat noch die Auffassung, der Beklagte sei kein Kaufmann; selbst bei Unterstellung seiner Kaufmanneigenschaft seien seine Mängelrügen nicht verfristet, weil die Mängel erst anlässlich der Eröffnung des Betriebs, als die Geräte und Maschinen erstmals benutzt worden seien, hervorgekommen und vom Beklagten der klagenden Partei gegenüber sodann unverzüglich gerügt worden seien.

Auf die in den vorinstanzlichen Verfahren umfänglich behandelten Fragen nach der Berechtigung der klagenden Partei, Stornogebühren, Transport- und Montagekosten zu begehren, sowie das vom Beklagten für sich in Anspruch genommene Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten muss nicht mehr eingegangen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen, und wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen, widrigenfalls die Ware als genehmigt gilt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war (§ 377 Abs 1 und 2 HGB). Der Käufer muss somit Kaufmann sein, wobei es keine Rolle spielt, ob er Voll- oder Minderkaufmann ist (Kramer in Straube 2, §§ 377 f HGB Rz 5); weiters muss der Kaufvertrag (bei Vertragsabschluss) für beide Kontrahenten ein Handelsgeschäft iSd §§ 343, 344 HGB sein, wobei auch vorbereitende Handelsgeschäfte als Handelsgeschäfte beurteilt werden (SZ 39/88; WBl 1992, 96; 3 Ob 520/94, 559/95 = SZ 68/152 mwN ua; Kramer in Straube 2, §§ 343 f HGB Rz 11). Voraussetzung für die Annahme eines vorbereitenden Handelsgeschäfts ist aber jedenfalls die Kaufmannseigenschaft der Vertragspartei bei Vertragsabschluss (in casu: 10. Juni 2002) oder doch im Zeitpunkt der späteren Betriebsaufnahme (in casu: 14. Oktober 2000) des bei Vertragsabschluss in Aussicht genommenen Handelsgewerbes. Im vorliegenden Fall betrieb der Beklagte zum Zeitpunkt des Kaufvertrags kein Handelsgeschäft. Zum vorbereitenden Handelsgeschäft ergibt sich Folgendes: Das Unternehmen des Beklagten (Wellness- und Fitness-Center) ist nicht protokolliert. Ein Handelsgewerbe kraft Firmenbucheintragung (§§ 2 und 3 Abs 2 HGB) oder kraft Rechtsform (§ 6 HGB) liegt nicht vor. Denkbar blieb daher nur, dass dem Beklagten Kaufmannseigenschaft deshalb zukommt, weil er nun ein sogenanntes Grundhandelsgewerbe nach § 1 Abs 2 HGB betreibt. Ob der Betrieb eines Wellness- und Fitness-Centers unter die Art von Gewerben fällt, die in Z 1 bis 9 leg cit genannt sind, ist zwar im Allgemeinen zu bezweifeln, braucht aber hier nicht näher untersucht zu werden, weil der Beklagte jedenfalls in der Berufungsverhandlung als Partei aussagte, den Handelsgewerbeschein "später" erhalten zu haben und dann ausdrücklich außer Streit stellte, derzeit als Kaufmann tätig zu sein (ON 36 AS 345 f).

§ 1 Abs 3 KSchG bestimmt, dass Geschäfte, die eine natürliche Person vor Aufnahme des Betriebs ihres Unternehmens zur Schaffung der Voraussetzungen dafür tätigt, noch nicht iSd § 1 Abs 1 Z 1 KSchG zu diesem Betrieb gehören. Das Gesetz weicht damit bewusst vom Handelsrecht ab (RV, 744 BlgNR 14. GP, 16). Dies kann nach Welser (Zum Geltungsbereich des I. Hauptstückes des KSchG in Krejci, KSchG-Handbuch 193 ff [198 FN 15]) zu der "interessanten" Konstellation führen, dass ein Geschäft als beiderseitiges Handelsgeschäft gilt und dennoch dem I. Hauptstück des KSchG unterliegt. Seit der in SZ 68/66 veröffentlichten Entscheidung 4 Ob 523/95 vertritt der Oberste Gerichtshof in stRsp (SZ 68/152; 10 Ob 2029/96x = WBl 1996, 498; 6 Ob 219/97t = GesRZ 1998, 159 = NZ 1999, 244; zuletzt 2 Ob 184/02a; RIS-Justiz RS0065179) die Rechtsansicht, dass dem Verbraucher, der ein Gründungsgeschäft als zukünftiger Kaufmann abschließt, der Schutz des KSchG zugute kommt. § 1 Abs 3 KSchG trage dem vom Gesetzgeber angenommenen Umstand Rechnung, dass dem Verbraucher typischerweise die unternehmerische Erfahrung, die nötige Branchenkenntnis fehle. In diese Annahme beziehe der Gesetzgeber auch den künftigen Unternehmer ein, der Vorbereitungsgeschäfte für seine unternehmerische Tätigkeit abschließe, obwohl man ihm entgegenhalten könnte, dass sich werdende Unternehmer idR auf eine künftige Tätigkeit vorbereiten werden, um die erforderliche Branchenkenntnis rechtzeitig zu erlangen, damit sie nicht zu Schaden kommen (vgl. dazu Krejci in Rummel 2, § 1 KSchG Rz 48). Die rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, für diese Phase künftiger Unternehmertätigkeit noch Verbraucherschutz zu gewähren, müsse für alle künftigen Unternehmer - wenn auch eingeschränkt auf natürliche Personen - gelten, gleichgültig, ob die von ihnen abgeschlossenen Vorbereitungsgeschäfte wegen ihrer künftigen Kaufmannseigenschaft Handelsgeschäfte sind oder nicht. Für den Schutz der Vorbereitungsgeschäfte könne es keinen Unterschied machen, ob der künftige Unternehmer Minderkaufmann nach § 4 HGB werde oder, weil sein Unternehmensgegenstand ein von der Tätigkeit als Minderkaufmann ausgeschlossenes Gewerbe betreffe, Nichtkaufmann bleibe. Daher sind Gründungsgeschäfte eines Verbrauchers, der Kaufmann wird, Verbrauchergeschäfte. Deshalb unterliegt etwa die innerhalb eines Gründungsgeschäfts eines Verbrauchers versprochene Konventionalstrafe dem richterlichen Mäßigungsrecht (2 Ob 555/95 = JBl 1998, 60; RIS-Justiz RS0107995), sind Gründungsgeschäfte wegen laesio enormis anfechtbar (SZ 68/66).

In der Entscheidung 5 Ob 20/98x = SZ 71/19 = JBl 1999, 188 (RIS-Justiz RS0109568) wurde auch bereits klargestellt, ein Mietvertragsabschluss, der ein Gründungsgeschäft eines angehenden Unternehmers sei, erlaube (innerhalb der Verjährungsfrist des § 16 Abs 8 zweiter Satz MRG) eine Mietzinsüberprüfung nach Maßgabe des § 16 Abs 1 Z 1 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG auch ohne unverzügliche Rüge des Unternehmers. Den Unternehmer treffe keine Rügeobliegenheit, wenn er eine natürliche Person sei und ihm beim Mietvertragsabschluss die Unternehmereigenschaft iSd § 16 Abs 1 Z 1 letzter Halbsatz MRG gefehlt habe.

Auch Regelungen über eine Rügepflicht wie in den §§ 377 f HGB enthält das I. Hauptstück des KSchG nicht. Daraus folgt aber nicht, dass ein Verbraucher, der ein Gründungsgeschäft als künftiger Kaufmann abschließt, den Regeln des HGB über die kaufmännische Rügepflicht unterliegt. § 1 Abs 3 KSchG trägt dem vom Gesetzgeber angenommenen Umstand Rechnung, dass dem Verbraucher typischer Weise die unternehmerische Erfahrung, die nötige Branchenkenntnis fehlt (RV aaO). Die rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, für diese Phase künftiger Unternehmertätigkeit noch "Verbraucherschutz" zu gewähren, muss für alle künftigen Unternehmer (wenn auch eingeschränkt auf natürliche Personen) gelten, gleichgültig, ob die von ihnen abgeschlossenen Vorbereitungsgeschäfte wegen ihrer künftigen Kaufmannseigenschaft Handelsgeschäfte sind oder nicht. Dem (künftigen) Kaufmann, der als Verbraucher zu behandeln ist, über die handelsrechtlichen Bestimmungen der §§ 377 f HGB beim Gründungsgeschäft wieder eine kaufmännische Rügepflicht aufzuerlegen, bedeutete, den vom KSchG verfolgten Gesetzeszweck zu unterlaufen. Die Gewährung des Verbraucherschutzes bedeutet auch, Rechtsfolgen, die sich aus dem Abschluss eines Kaufvertrags nach Handelsrecht ergeben, worunter wie Mäßigung einer Vertragsstrafe auch die Rügeobliegenheit fällt, nicht eintreten zu lassen. Somit führt der vom KSchG verfolgte Gesetzeszweck, dem Verbraucher wirksamere und beständigere Gewährleistungsbehelfe an die Hand zu geben (§§ 8, 9, 23 KSchG), zu der Auslegung, dass der Kaufvertrag eines Verbrauchers als künftiger Kaufmann als Gründungsgeschäft nicht der kaufmännischen Rügepflicht der §§ 377 f HGB unterfällt. Dabei gilt entgegen den Revisionsausführungen die Ausnahmeregelung des § 1 Abs 3 KSchG, wie sich schon aus dem Text der Bestimmung ergibt, nicht nur für das erste Gründungsgeschäft, das der zukünftige Kaufmann tätigt, sondern für all die Geschäfte, die zur Aufnahme des Betriebs erforderlich sind. Dass ohne die - vom Beklagten bei der klagenden Partei gekauften - erforderlichen Geräte und Maschinen ein Fitness-Studio nicht betrieben werden kann, bedarf keiner weiteren Darlegungen.

Auf die Frage, ob die Mängelrüge des Beklagten als unverzüglich beurteilt werden könnte, ist nicht mehr einzugehen. Die Revision muss erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 und 41 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte