OGH 10Ob2029/96x

OGH10Ob2029/96x7.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irmgard W*****, Gastwirtin, ***** vertreten durch Dr.Georg Thum, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die beklagte Partei Peter M*****, Anlagenberater, ***** vertreten durch Dr.Christian Függer, Rechtsanwalt in St.Pölten, wegen 420.000 S, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22. November 1995, GZ 13 R 151/95-44, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 25. Mai 1995, GZ 23 Cg 482/93b-38, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehegattin des Beklagten hatte von den Ehegatten L***** seit 1984 ein Gasthaus in M***** gepachtet. Sie war auch Konzessionsträgerin, tatsächlich trat jedoch der Beklagte als Betriebsführer auf und wurde auch allgemein als solcher angesehen. Weder die Eintragung im Telephonbuch noch die Aufschriften auf dem Gasthaus wiesen auf die Betriebsführung der Gattin des Beklagten hin; die faktische Gestion indizierte vielmehr, daß der Beklagte der Wirt war. Verschiedene von der Gewerbebehörde erteilte Auflagen wurden zum Teil nur nach wiederholten behördlichen Aufforderungen und Androhung der Betriebssperre erfüllt. Es kam zu Beschwerden seitens der Gäste über die hygienischen Zustände im Lokal und offenbar war auch das Betriebsergebnis nicht entsprechend; fallweise kam es auch zu Zinsrückständen gegenüber den Verpächtern. Mit 1.August 1992 wurde das Gewerbe ruhend gestellt.

Die Klägerin, die damals in einem Beschäftigungsverhältnis im Gastgewerbe stand, spielte mit dem Gedanken, sich selbständig zu machen. Sie sprach mit dem Beklagten, den sie für den Wirt hielt, wegen einer Übernahme des Lokals, wobei dieser erklärte, daß "er mit dem Lokal aufhören wolle". Bei neuerlichen Gesprächen forderte der Beklagte vorerst einen Betrag von 500.000 S als Ablöse für die Investitionen. Dieser Betrag war der Klägerin zu hoch und man einigte sich schließlich am 18.August 1992 auf einen Betrag von 420.000 S. Mit diesem Betrag sollten alle Investitionen abgegolten sein, die der Beklagte nach seiner Darstellung in das Lokal getätigt hatte. Gegenstände, die unter Eigentumsvorbehalt einer Brauerei standen, löste der Beklagte später ein. Die Klägerin wurde mit Eigentumsansprüchen nie konfrontiert.

Danach kam es zur Besichtigung des Betriebes, wobei der Beklagte der Klägerin alle Räumlichkeiten zeigte; der Zustand des Inventars, insbesondere in der Küche, wurde der Klägerin dabei nicht besonders auffällig. Sie ging davon aus, daß der Beklagte die Investitionen, die er behauptet hatte, tatsächlich getätigt hatte. Mit den Verpächtern, den Ehegatten L***** wurde bezüglich der Übernahme des Lokals durch die Klägerin Übereinkunft erzielt.

Die Finanzierung des Ablösebetrages von 420.000 S durch die Klägerin erfolgte über ein Bankdarlehen. Der Beklagte, der an einem diesbezüglichen Gespräch (Inanspruchnahme eines Bürges-Kredites) bei der Bank teilgenommen hatte, stellte eine Rechnung über einen Betrag von 608.000 S aus und unterfertigte diese auch; das Eigentum an den Kaufgegenständen wurde der Bank zur Besicherung des Darlehens abgetreten. Etwa drei Wochen nach Stillegung des Betriebes durch die Gattin des Beklagten übernahm die Klägerin schließlich das Lokal; dabei waren weder der Beklagte noch seine Gattin anwesend. Dabei stellte die Klägerin fest, daß sich zahlreiche Gegenstände in einem desolaten, teilweise funktionsunfähigen und arg verunreinigten Zustand befanden. Die Klägerin mußte zahlreiche Reparaturarbeiten und weitere Investitionen durchführen, um das Lokal in einen funktionsfähigen Zustand zu versetzen; von Seiten der Gewerbebehörde wurde wegen der früheren Vorfälle ein gewisses Augenmerk auf das Lokal gelegt.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Betrages von 420.000 S. Der Beklagte habe sie über den Wert der Investitionen in Irrtum geführt. Erst nach Vertragsabschluß habe sie Gelegenheit gehabt, das Lokal genauer in Augenschein zu nehmen, wobei sich ergeben habe, daß sich dieses in einem völlig desolaten Zustand befand. Der Beklagte habe auch Gegenstände verkauft, die nicht in seinem Eigentum standen. Der Wert der von ihr erworbenen Gegenstände betrage maximal 73.800 S. Der Vertrag werde wegen Irrtums und Verletzung über die Hälfte nach den §§ 934, 935 ABGB angefochten und die Rückzahlung des Kaufpreises begehrt; im übrigen werde das Begehren auf jeden erdenklichen Rechtsgrund gestützt.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Er sei passiv nicht legitimiert, weil er nicht im eigenen, sondern immer nur im Vollmachtsnamen seiner Gattin gehandelt habe, die Pächterin und Inhaberin der Gewerbeberechtigung gewesen sei. Der in der Klage bezeichnete Betrag sei nicht nur für die Überlassung des Inventares, sondern auch dafür bezahlt worden, daß die Gattin des Beklagten den Pachtvertrag vorzeitig zugunsten der Klägerin aufgelöst habe. Die Gegenstände hätten im übrigen einen dem vereinbarten Preis entsprechenden Wert repräsentiert. Bestehende Eigentumsvorbehalte habe der Beklagte durch Zahlung der noch aushaftenden Beträge aufgelöst. Die Gegenstände seien auch nicht ernsthaft Gegenstand des Kaufvertrages gewesen. Die Rechnung habe nur dazu gedient, der Klägerin einen Kredit zur Geschäftseröffnung zu verschaffen.

Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin zur Gänze statt, wobei es seiner Entscheidung zugrundelegte, der Wert der Investitionen, die die Klägerin dem Beklagten abgelöst habe, habe 206.000 S betragen. Es bejahte die Passivlegitimation des Beklagten; dieser sei stets als Vertragspartner der Klägerin aufgetreten und habe ein Vollmachtsverhältnis nicht offengelegt. Die Voraussetzungen für die Irrtumsanfechtung seien nicht nachgewiesen. Die Gegenstände, die bei Vertragsabschluß im Eigentum Dritter gestanden seien, seien später erworben worden, so daß die Klägerin rite Eigentum erwerben konnte. Die Klägerin habe auch selbst im Lokal eine Besichtigung vorgenommen und sich dabei vom Zustand der Gegenstände überzeugen sowie ihren Wert und die Funktionsfähigkeit einschätzen können. Wegen Irrtums sei der Vertrag daher nicht anfechtbar.

Da ein Kaufpreis von 420.000 S vereinbart worden sei, der Wert der Gegenstände jedoch nur 206.000 S betragen habe, seien jedoch die Voraussetzungen für die Anfechtung des Vertrages wegen laesion enormis gegeben. Das Begehren der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises erweise sich aus diesem Grund berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Das Erstgericht habe unbeachtet gelassen, daß der Klägerin die Geltendmachung des Rückabwicklungsanspruches nach § 934 ABGB verwehrt sei; ein Kaumann, für den der Vertrag ein Handelsgeschäft sei, könne diesen Anspruch nicht geltend machen. Die Beurteilung der Kaufmannseigenschaft und der Eigenschaft als Handelsgeschäft sei dabei auf den Augenblick der Vornahme des Geschäftes zu beziehen. Muß-Kaufleute nach § 1 Abs 2 HGB erlangten ihre Kaufmannseigenschaft mit dem tatsächlichen Betriebsbeginn, wofür nach herrschender Lehre auch Vorbereitungsgeschäfte genügten. Dabei würden, zu den Vorbereitungsgeschäften insbesondere der Mietvertrag über einen Laden, die Anschaffung der Einrichtung des Ladens oder sonstige Verträge zum Zweck des Erwerbes eines gewerblichen Betriebes gezählt. Die Klägerin sei nach dem beiderseitigen Vorbringen wie auch nach den Feststellungen zwar damals unselbständig im Gastgewerbe beschäftigt gewesen, habe aber den prozeßgegenständlichen Vertrag in der Absicht geschlossen, den Betrieb eines Gasthauses zu eröffnen und den Gasthausbetrieb in der Folge tatsächlich aufgenommen. Die Anschaffung der Einrichtung bzw der Investitionen für den geplanten Betrieb des Gasthauses stelle sich daher als ein von der Klägerin schon in Kaufmannseigenschaft geschlossenes Handelsgeschäft dar, so daß ihr der Einwand der laesion enormis verwehrt sei. Da das Erstgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Irrtumsanfechtung zu Recht verneint habe, fehle dem Begehren der Klägerin eine rechtliche Grundlage; dieses sei daher unberechtigt und deshalb abzuweisen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der fristgerecht ab der Freistellung eingelangten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei Entscheidung der Frage, wie weit die Geltendmachung der Verletzung über die Hälfte bei Geschäften im Rahmen der Eröffnung eines Handelsgewerbes ausgeschlossen ist, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist.

Die Revision ist auch berechtigt.

Gemäß § 351a HGB kann derjenige, für den der Vertrag ein Handelsgeschäft ist, diesen nicht nach § 934 ABGB wegen Verkürzung über die Hälfte anfechten. Vor Inkrafttreten des KSchG hatte Art 8 Nr 6 EVHGB bestimmt, daß Handelsgeschäfte nicht gemäß § 934 ABGB wegen Verkürzung über die Hälfte angefochten werden können. Diese Bestimmung wurde von Lehre und Rechtsprechung dahin ausgelegt, daß auch derjenige den Vertrag nicht wegen laesio enormis anfechten könne, für den der Vertrag - bei einseitigen Handelsgeschäften - kein Handelsgeschäft ist (Kramer in Straube, HGB2 § 351a Rz 1 mwN). Darin lag eine Benachteiligung der an Handelsgeschäften beteiligten Nichtkaufleute, da ihnen idR die professionelle Erfahrung fehlt, die es gerechtfertigt erscheinen läßt, das Instrument der Vertragsanfechtung wegen laesio enormis zu versagen (Krejci in Rummel, ABGB2 § 34 KSchG Rz 1; ähnlich Kosesnik-Wehrle, KSchG2, 149). Art 8 Nr 6 EVHGB wurde daher durch § 41 KSchG aufgehoben und durch § 351a HGB ersetzt (§ 34 KSchG), so daß nunmehr klargestellt ist, daß nur demjenigen die Anfechtung wegen laesio enormis verwehrt ist, für den der Vertrag ein Handelsgeschäft ist. Gleichzeitig wurde die Anfechtbarkeit für den Nichtkaufmann unabdingbar gemacht (§ 935 ABGB).

Handelsgeschäfte iS des § 343 HGB sind nach ständiger Rechtsprechung (SZ 39/88; EvBl 1974/247; WBl 1992, 96) und Lehre (Kramer in Straube, aaO §§ 343, 344 Rz 11; Schlegelberger/Hefermehl5 § 343 Rz 17; Jud in FS-Wagner 213 [215 f]) auch vorbereitende Handelsgeschäfte. Voraussetzung für die Annahme eines vorbereitenden Handelsgeschäftes ist die Kaufmannseigenschaft der Vertragspartei im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder doch die spätere Betriebsaufnahme bezüglich des bei Vertragsabschluß in Aussicht genommenen Handelsgewerbes (zu den Bedenken gegen die Annahme einer "schwebenden Handelsgeschäftsnatur" s Kramer in Straube aaO).

§ 1 Abs 3 KSchG bestimmt jedoch, daß Geschäfte, die eine natürliche Person vor Aufnahme des Betriebes ihres Unternehmens zur Schaffung der Voraussetzungen dafür tätigt, noch nicht iS des § 1 Abs 1 Z 1 KSchG zu diesem Betrieb gehören. Das Gesetz weicht damit bewußt vom Handelsrecht ab (744 BlgNR 14.GP, 16). Dies kann nach Welser (Zum Geltungsbereich des I.Hauptstückes des KSchG, in : Krejci, KSchG-Handbuch 193 [198 FN 15]) zu der interessanten Konstellation führen, daß ein Geschäft als beiderseitiges Handelsgeschäft gilt und dennoch dem I.Hauptstück des KSchG unterliegt.

Die Anfechtung eines Vertrages wegen Verkürzung über die Hälfte ist im I.Hauptstück des KSchG (§§ 1-27) nicht geregelt. Daraus folgt aber noch nicht, daß dem Verbraucher, der ein Gründungsgeschäft als künftiger Kaufmann abschließt, die Einrede der laesio enormis verwehrt wäre. § 1 Abs 3 KSchG trägt dem vom Gesetzgeber angenommenen Umstand Rechnung, daß dem Verbraucher typischerweise die unternehmerische Erfahrung, die nötige Branchenkenntnis fehle (744 BlgNR 14.GP 16). In diese Annahme bezieht der Gesetzgeber auch den künftigen Unternehmer ein, der Vorbereitungsgeschäfte für seine unternehmerische Tätigkeit abschließt, obwohl man dem entgegenhalten könnte, daß sich werdende Unternehmer idR auf ihre künftige Tätigkeit vorbereiten werden, um die erforderliche Branchenkenntnis rechtzeitig zu erlangen, damit sie nicht zu Schaden kommen (s Krejci in Rummel aaO § 1 KSchG Rz 48). Die rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, für diese Phase künftiger Unternehmertätigkeit noch "Verbraucherschutz" zu gewähren, muß für alle künftigen Unternehmer (wenn auch eingeschränkt auf natürliche Personen) gelten, gleichgültig, ob die von ihnen abgeschlossenen Vorbereitungsgeschäfte wegen ihrer künftigen Kaufmannseigenschaft Handelsgeschäfte sind oder nicht, außer man vertritt die - wohl wirklichkeitsfremde - Auffassung, jeder künftige Kaufmann und damit auch die künftige Gastwirtin werde sich besser auf seine (ihre) Tätigkeit vorbereiten als ein anderer künftiger Unternehmer (zB ein Rechtsanwalt), so daß er dieses Schutzes nicht bedürfe. Insbesondere kann es für den Schutz der Vorbereitungsgeschäfte keinen Unterschied machen, ob der künftige Unternehmer Minderkaufmann nach § 4 HGB wird, oder weil sein Unternehmensgegenstand ein von der Tätigkeit als Minderkaufmann ausgeschlossenes Gewerbe (zB § 1 Abs 2 Z 2, 5 und 9 HGB) betrifft (zB Friseur oder kleines Taxigewerbe), Nichtkaufmann bleibt.

Gründungsgeschäfte eines Verbrauchers, der Kaufmann wird, sind, wie oben ausgeführt, gemäß § 1 Abs 3 KSchG Verbrauchergeschäfte. Diese Bestimmung gilt zwar nur für die im I.Hauptstück des KSchG geregelten Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern, doch ist daraus nicht zu schließen, daß ein die Unternehmensgründung vorbereitendes Geschäft, das gemäß § 1 Abs 3 KSchG Verbrauchergeschäft ist, nicht wegen laesio enormis angefochten werden könne, wenn es gleichzeitig ein vorbereitendes Handelsgeschäft im Sinne der bisherigen Lehre und Rechtsprechung wäre, weil die - den Verbraucherschutz verbessernden - Vorschriften über die laesio enormis im III.Hauptstück des KSchG geregelt sind. Vielmehr muß der vom KSchG verfolgte Gesetzeszweck, die Anfechtung wegen laesio enormis wirksamer zu gestalten (§§ 33, 34 KSchG; § 935 erster Halbsatz ABGB; § 351a HGB), zu der Auslegung führen, daß Gründungsgeschäfte eines Verbrauchers keine Handelsgeschäfte sind. Nur wenn § 351a HGB in diesem Sinn ausgelegt wird, läßt sich der Wertungswiderspruch vermeiden, daß zwar die Gründungsgeschäfte eines Verbrauchers, der sonstiger Unternehmer wird, der Anfechtung wegen laesio enormis unterliegen, nicht aber die Gründungsgeschäfte eines Verbrauchers, der Kaufmann wird, obwohl beide regelmäßig gleich erfahren (unerfahren) sind (aA Jud, Anfechtbarkeit des Unternehmenskaufs aus einer Verlassenschaft wegen laesio enormis oder Irrtums über den Wert, FS Wagner 213 (216), der seine Auffassung aber nur damit begründet, daß § 351a HGB auf die Handelsgeschäftsqualität abstellt; vgl auch RdW 1985, 337, wonach die Rügepflicht nach § 377 HGB auch dann gelten soll, wenn ein von einem Scheinkaufmann abgeschlossenes zweiseitiges Handelsgeschäft dem KSchG unterliegt). Der Klägerin, die unbestrittenermaßen im Zeitpunkt des Abschlusses des strittigen Vertrages keine Unternehmerin war, steht daher grundsätzlich die Anfechtung des verfahrensgegenständlichen Kaufvertrages wegen laesio enormis zu (WBl 1995, 220 = ecolex 1995, 553 = EvBl 1995/173).

Unbestritten blieb im Rechtsmittelverfahren die Höhe des vereinbarten Kaufpreises von 420.000 S. Für die Frage, ob die Anfechtung des Vertrages wegen Verletzung über die Hälfte berechtigt ist, kommt nun der Frage, welchen Wert die Gegenstände, die der Beklagte der Klägerin veräußerte, in diesem Zeitpunkt tatsächlich repräsentierten, wesentliche Bedeutung zu. Das Erstgericht stellte dazu fest, daß der Wert 206.000 S betrug. Diese Feststellung wurde vom Beklagten in der Berufung bekämpft (AS 246f). Das Berufungsgericht führte zwar eingangs der Behandlung der Beweisrüge pauschal an, daß Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht bestehen, doch ergibt sich aus den weiteren Ausführungen, daß dabei offenbar nur auf die Bekämpfung der Feststellungen zur Frage, ob der Beklagte im eigenen Namen oder im Vollmachtsnamen aufgetreten ist, Bezug genommen wird. Dafür, daß sich das Berufungsgericht dabei auch mit den Feststellungen über den Wert der Gegenstände auseinandergesetzt hätte, fehlt jeder Hinweis; dagegen spricht auch der Umstand, daß dieser Frage ausgehend von der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes für die Entscheidung keine Bedeutung zukam, weil der erhobene Anspruch schon dem Grunde nach verneint wurde.

Da, wie dargestellt, die Anfechtung des Vertrages durch die Klägerin wegen Verletzung über die Hälfte grundsätzlich möglich ist, ist die Feststellung des objektiven Wertes der Kaufgegenstände von wesentlicher Bedeutung. Das Berufungsgericht wird sich daher mit der diesbezüglichen Rüge auseinanderzusetzen und auf der Grundlage des letztlich festgestellten Sachverhaltes über das Begehren der Klägerin unter Beachtung der aufgezeigten Rechtsgrundsätze neuerlich zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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