OGH 3Ob170/08h

OGH3Ob170/08h19.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.‑Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei C***** AG, *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Marijan M*****, vertreten durch Dr. Christian Preschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 11.428,02, 45.799,61 sowie 46.487,54 EUR, je sA, und Räumung, sowie 24.115,22 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 1. April 2008, GZ 40 R 53/08b‑98, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Bezirksgerichts Hernals vom 28. November 2007, GZ 17 C 1057/97a, 577/98i, 786/04m, 52/06y‑92, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0030OB00170.08H.1119.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung

Die klagende Vermieterin, eine Aktiengesellschaft, ist die Gesamtrechtsnachfolgerin der früheren Vertragspartnerin des beklagten Mieters; sie begehrte in vier zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren die Zahlung rückständiger Mietzinse sowie Räumung; nur im verbundenen (letzten) Verfahren AZ 17 C 52/06y des Erstgerichts wurde ausschließlich ein Zahlungsbegehren von 24.115,22 EUR sA erhoben.

Das Erstgericht erkannte - ohne nach den in den einzelnen Verfahren erhobenen Forderungen zu differenzieren - mit Teilurteil die Klageforderung als mit 38.724,23 EUR (gemeint aber offenbar samt Zinsen) und die Gegenforderung als mit 38.370,68 EUR zu Recht bestehend. Demgemäß sprach es der klagenden Partei insgesamt 353,55 EUR samt 12 % Zinsen seit 2. Dezember 2005 zu und wies das Mehrbegehren von 125.605,87 EUR samt Stufenzinsen ab. Aus der Begründung kann abgeleitet werden, dass im verbundenen Verfahren AZ 17 C 52/06y insgesamt 3.515,59 EUR als zu Recht bestehend erkannt wurden.

Das Gericht zweiter Instanz gab der auf gänzliche Stattgebung des Zahlungsbegehrens gerichteten Berufung der klagenden Partei teilweise dahin Folge, dass es bei Aufrechterhaltung der Entscheidung über die eingewendete Gegenforderung die Klageforderung als mit 76.964,35 EUR zu Recht bestehend erkannte. Demgemäß erhöhte es den klagestattgebenden Teil des Urteils auf 38.593,67 EUR samt fünfprozentigen Stufenzinsen, während es den abweisenden Teil im Kapital auf 87.365,75 EUR verminderte.

Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, führte das Berufungsgericht aus, dass nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (3 Ob 200/04i) zum führenden und zum ersten verbundenen Verfahren von der teilweisen Unzulässigkeit der Mietzinsneuvereinbarung vom 12. Jänner 1996 auszugehen sei, weshalb insoweit die Berufung nicht berechtigt sei. Dagegen komme für die beiden später verbundenen Verfahren [aus 2004 und 2005 betreffend die Zinsperioden 4/03 bis 12/05] dem Argument der Berufung Berechtigung zu, der Einwand der gesetzlich unzulässigen Höhe der Zinsvereinbarung sei verfristet, weil er zwangsläufig nach Ablauf der Präklusivfrist am 12. Jänner 1999 erhoben worden sei. In die Berechnung der Klageforderung sei daher für die genannten Perioden anstelle des herabgesetzten der begehrte vereinbarte Hauptmietzins aufzunehmen. Das ergebe einen Mehrzuspruch von 38.240,12 EUR. Zwar sei dieses Ergebnis angesichts des Umstands, dass die Neueinklagung statt der Ausdehnung im führenden Verfahren der klagenden Partei freigestanden sei, merkwürdig, sei aber darin begründet, dass die Verbindung von Verfahren nichts an deren Verschiedenheit ändere.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil folgende Rechtsfrage, für die eine Rechtsprechung des Höchstgerichts fehle, für den Klagezuspruch von entscheidender Bedeutung sei: Ob nämlich die infolge rechtzeitigen Einwands der unzulässigen Höhe der Mietzinsvereinbarung verhinderte Sanierung der unzulässig hohen Zinsvereinbarung im führenden Verfahren und dem (ersten) verbundenen Verfahren AZ 17 C 577/98i dazu führe, dass sie auch in den später verbundenen Verfahren aus den Jahren 2004 und 2006 hintangehalten werde, obwohl bereits bei Klageeinbringung die Präklusivfrist des § 16 Abs 1 MRG verstrichen gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten, der die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Teilurteils anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Die Revision, die allein die beiden verbundenen Verfahren AZ 17 C 786/04m und 17 C 52/06y des Erstgerichts betrifft, fällt schon angesichts des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz in jedem der Verfahren von mehr als 20.000 EUR - die klagende Partei strebte ja jeweils die volle Klagestattgebung an - weder unter die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nach § 502 Abs 2 ZPO noch in die Entscheidungskompetenz der zweiten Instanz nach § 502 Abs 3 ZPO. Da auch ein Teilurteil und nicht bloß ein Beschluss nach § 33 Abs 2 MRG vorliegt, kommt es - für das auch mit einem Räumungsbegehren verbundene Verfahren AZ 17 C 786/04m - nicht auf die in RIS‑Justiz RS0042977, RS0042922 dokumentierte Judikaturdivergenz an.

Die Zinsperioden vor dem April 2003 sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens dritter Instanz. Somit bedarf im vorliegenden Verfahren die im Beschluss 3 Ob 200/04i = wobl 2007, 48 vertretene, für die Vorinstanzen bindende rechtliche Beurteilung, der generelle Einwand der Überschreitung des höchstzulässigen Zinsausmaßes in der Mietzinsvereinbarung vom Jänner 1996 sei auch für nach Ablauf der Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG fällige Mietzinsforderungen (um die das ursprüngliche Klagebegehren im führenden Akt ausgedehnt wurde) beachtlich, keiner Überprüfung darauf, ob sie im Hinblick darauf aufrechtzuerhalten sei, dass es der Kläger allein in der Hand hat, statt einer Ausdehnung des ursprünglichen Klagebegehrens eine neue Klage einzubringen.

Abgesehen davon, dass die Revision im Grunde jegliches Argument vermissen lässt, das gegen die Ansicht des Gerichts zweiter Instanz spräche, diese Beurteilung könne auf verbundene Verfahren, die erst nach Ablauf der den Einwand der Unzulässigkeit begrenzenden, oben genannten Präklusivfrist eingeleitet wurden, nicht ausgedehnt werden, folgt die Richtigkeit der zweitinstanzlichen Rechtsansicht aus der zur zivilprozessualen Verfahrensverbindung bestehenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Die Verbindung von Zivilprozessen zur gemeinsamen Verhandlung nach § 187 ZPO (nach dem Gesetz nicht auch zur gemeinsamen Entscheidung, deren Zulässigkeit ergibt sich aus § 404 Abs 2 ZPO) liegt wie auch die getrennte Verhandlung über einzelne Ansprüche, die in einer Klage erhoben werden, im Ermessen des Gerichts (Fucik in Rechberger³ § 187 und § 188 ZPO, je Rz 1 mwN). Gegen diese Anordnungen ist kein Rechtsmittel zulässig (§ 192 Abs 2 ZPO). Auch die neuerliche Trennung verbundener Verfahren ist jederzeit zulässig (§ 192 Abs 1 ZPO). Das allein spricht schon gegen materiellrechtliche Wirkungen eines solchen Vorgehens. Eine solche ist auch nach den Grundsätzen der Rechtsprechung ausgeschlossen:

Ein solcher [Verbindungs‑]Beschluss betrifft nur den äußeren Gang des Verfahrens, ist daher bloß formeller Natur und dient lediglich der Konzentration, Vereinfachung und Verbilligung des Verfahrens sowie einer arbeitsteiligen Gliederung (8 Ob 574‑577/77 = SZ 51/4). Daraus folgt - ohne Anspruch auf Vollständigkeit -, dass nicht die Rechtssachen zu einer Einheit verbunden werden (RIS‑Justiz RS0036717 [besonders T2 und T21]), weshalb auch bei gemeinsamer Entscheidung die Zulässigkeit von Rechtsmitteln für jedes Verfahren gesondert zu prüfen ist (RIS‑Justiz RS0036717) und auf diese keinen Einfluss hat (RIS‑Justiz RS0037252); demnach auch die Streitwerte nicht zusammenzurechnen sind (RIS‑Justiz RS0037271, RS0037173); die Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung (bei mehreren Parteien auf einer Seite) keine Streitgenossenschaft schafft (RIS‑Justiz RS0037236); dass eine Rechtsansicht der übergeordneten Instanz nur für jene verbundene Rechtssache bindet, zu der sie erging (RIS‑Justiz RS0037230). Der gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO privilegierte Zugang zum Obersten Gerichtshof ist nur dann anzuwenden, wenn etwa ein Anspruch auf Zahlung rückständigen Mietzinses gemeinsam mit einem Räumungsanspruch im gleichen Verfahren geltend gemacht wurde, nicht jedoch, wenn die Verfahren über zwei getrennte Klagen auf Räumung und Zahlung des Mietzinses zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden (3 Ob 261/05m = JBl 2006, 376 = MietSlg 57/22).

Die Wirkung der Verbindung erschöpft sich somit in der gemeinsamen Verhandlung und - allenfalls - gemeinsamen Entscheidung (so zutreffend Schragel in Fasching/Konecny² § 187 ZPO Rz 8). Es kommt daher durch die Prozessverbindung nicht einmal zu darüber hinausgehenden rein verfahrensrechtlichen Wirkungen. Umso weniger käme es in Frage, aus der bloßen Prozessverbindung auf die (de facto) Außerkraftsetzung einer die Präklusion anordnenden Norm zu schließen. So hat der Oberste Gerichtshof schon ganz allgemein entschieden, dass mehrere Klagsansprüche trotz der Verbindung voneinander gesondert zu beurteilen sind (1 Ob 547, 548/93; RIS‑Justiz RS0037219). Einer Behandlung der vorliegenden Revision in der Sache bedarf es somit nicht.

Das Rechtsmittel ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 40 ZPO. Die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei war zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig, weil darin nicht auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen wurde.

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