European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00114.17M.0704.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 501,91 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 83,65 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die klagende Rechtsanwältin begehrte im Jahr 2005 vom Beklagten (nach Ausdehnung) ua die Unterlassung der Störung ihrer Wegedienstbarkeit und die Verpflichtung, geeignete Maßnahmen durchzuführen, um derartige Störungen durch Dritte zu verhindern. Dieses Begehren bewertete sie mit 200 EUR. In diesem Verfahren schlossen die Parteien am 23. Juli 2008 einen gerichtlichen Vergleich, der in seinem Punkt 2.c) die Verpflichtung des Beklagten zur Unterlassung näher beschriebener Störungen der Wegedienstbarkeit der Klägerin sowie die weitere Verpflichtung enthält, „derartige Störungen durch Dritte durch Aufstellen einer Hinweistafel sowie schriftliche Anweisung an ihre auf der Liegenschaft tätigen oder aufhältigen Vertragspartner hintanzuhalten.“
Mit der vorliegenden Titelergänzungsklage strebt die Klägerin die Präzisierung und Vollstreckbarerklärung dieses Vergleichs im Punkt 2.c) wie folgt an: „Der Text dieser Tafel ist in schwarzer Schrift auf weißem Grund anzubringen und hat zu lauten: 'Durchfahrt zu Haus Nr. 160 (vulgo R*****): Tag und Nacht freihalten!'. Diese Tafel ist mit den Maßen L: 35 cm x B: 25 cm – für die aus der Ortsmitte [...] kommenden KFZ-Fahrer gut sichtbar – am nördlichen Beginn des Servitutsweges bei der Einbiegung von der Hauptstraße [...] auf dem Servitutsweg nächst dem Verkehrszeichen 'Feuerwehrzufahrt' in einem Abstand von 180 cm vom Boden (gemessen Unterkante) vom Beklagten binnen 8 Tagen bei sonstiger Exekution anzubringen.“ Sie bewertete ihr Begehren „nach JN“ mit 5.000 EUR.
Das Erstgericht wies die Klage ab, weil der Vergleich ausreichend bestimmt gefasst sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands nicht 5.000 EUR übersteige und die Revision jedenfalls unzulässig sei. Den Bewertungsausspruch begründete es zusammengefasst damit, dass im konkreten Fall keine – sich aus dem Titel ergebende – Geldforderung klagsgegenständlich sei, sodass es einer Bewertung des Entscheidungsgegenstands bedürfe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nicht einmal die Klägerin selbst von einem 5.000 EUR übersteigenden Wert ausgehe und dass sie ihre Ansprüche auch im Titelverfahren jeweils unter 5.000 EUR bewertet habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die „außerordentliche“ Revision der Klägerin . Diese sei zulässig, weil erhebliche Rechtsfragen zu lösen seien und eine krasse Unterbewertung durch das Berufungsgericht vorliege, an die der Oberste Gerichtshof nicht gebunden sei. Infolge Unterbleibens des Aufstellens der Hinweistafel sei der Verkehrswert der herrschenden Liegenschaft um 100.000 EUR gemindert, sodass der Wert des Entscheidungsgegenstands jedenfalls 30.000 EUR übersteige. Eine Entwertung trete ein, weil sich die herrschende Liegenschaft in der Natur wegen Fehlens der Hinweistafel darstelle, als wäre keine jederzeitige, ungehinderte, unerschwerte, rechtlich unbestrittene Zufahrt vorhanden. Es gehe um die einzige Zufahrt und es müssten Verstöße des Beklagten gegen die Unterlassungsverpflichtung laut Vergleich berücksichtigt werden.
Die gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässige Revision ist zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt.
2. Da der Entscheidungsgegenstand hier nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, hatte das Berufungsgericht in seinem Urteil auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR übersteigt oder nicht (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO). Dabei ist das Berufungsgericht an die Bewertung des Klägers nach § 56 Abs 2 JN nicht gebunden (RIS-Justiz RS0043252; RS0042296).
3. Der Bewertungsausspruch ist grundsätzlich unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS‑Justiz RS0042385; RS0042410; RS0042515), es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt, eine offenkundige Fehlbewertung vorgenommen oder eine Bewertung hätte überhaupt unterbleiben müssen (RIS‑Justiz RS0042450 [T8]; RS0109332 [T1]; RS0042410 [T28]; jüngst 1 Ob 55/17w).
Das Berufungsgericht kann den Wert des Entscheidungsgegenstands nicht willkürlich festsetzen, es steht ihm aber, soweit die Bewertung nicht ohnehin zwingend vorgegeben ist, ein Ermessensspielraum offen. Sein Ermessen ist ein gebundenes Ermessen, das sich an den für die Bewertung des Streitgegenstands normierten Grundsätzen zu orientieren hat (1 Ob 55/17w mwN). Bestehen keine zwingenden Bewertungsvorschriften, so hat sich die Bewertung am objektiven Wert der Streitsache zu orientieren (RIS-Justiz RS0118748 [T1]). Das Berufungsgericht darf daher den Wert des Entscheidungsgegenstands – bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache – weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen; ist eine solche Fehlbeurteilung offenkundig, dann ist der Oberste Gerichtshof daran nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118748).
4. Die Klägerin vermag eine Überschreitung des Ermessensspielraums durch das Berufungsgericht nicht aufzuzeigen. Ihre Ausführungen zur Beeinträchtigung des Verkehrswerts ihrer herrschenden Liegenschaft haben keinen Bezug zum objektiven Wert des Streitgegenstands, der hier nur in der Frage besteht, ob die im Vergleich ohnehin näher umschriebene – und nach Ansicht beider Vorinstanzen ausreichend bestimmt gefasste – Verpflichtung zur Aufstellung einer Hinweistafel einer Präzisierung bedarf um einen ausreichenden bestimmten Exekutionstitel darzustellen. Es geht daher nicht um den Bestand der Wegeservitut als einzige Zufahrt zur Liegenschaft der Klägerin, der ohnehin unbestritten ist. Zu Recht verwies das Berufungsgericht auch auf die von der Klägerin selbst sowohl im Titel- als auch im vorliegenden Verfahren vorgenommenen Bewertungen des Streitgegenstands, die jeweils 5.000 EUR nicht überstiegen. Von einer „offenkundigen“, dh eindeutig erkennbaren Unterbewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht kann unter den gegebenen Umständen jedenfalls keine Rede sein.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Da der Beklagte auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwies, hat ihm die Klägerin die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)