European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00113.14K.0723.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen wiesen das auf Widerruf des Abrufs einer Bankgarantie gerichtete Klagebegehren mit der Begründung ab, der Abruf der Bankgarantie durch die Beklagte wäre mangels Vertragsverhältnisses zur Klägerin nur dann unzulässig gewesen, wenn ihr der Vorwurf eines deliktischen Verhaltens gemacht werden könnte, sie also positiv gewusst hätte, dass die besicherte Forderung überhaupt nicht bestehe. Für eine derartige Annahme habe aber nach den festgestellten Verhältnissen kein Anlass bestanden.
Die Klägerin vermag keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
Bei einer abstrakten Bankgarantie ist der Garantievertrag vom Bestand der gesicherten Hauptschuld grundsätzlich unabhängig, also nicht akzessorisch. Es genügt die bloße Behauptung des Begünstigten, die geschuldete Leistung nicht erhalten zu haben. Die Bank kann keine Einwendungen und Einreden aus dem zwischen Auftraggeber und Begünstigtem bestehenden Kausalverhältnis geltend machen, weil es gerade der Sinn einer solchen Garantie ist, die Einstandsverpflichtung der Bank vom Kausalverhältnis zu lösen (RIS‑Justiz RS0016992). Es liegt im Wesen der Bankgarantie, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, dem Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen und seinen Vertragspartner auf den Weg einer Rückforderungsklage zu verweisen. Der für die Bankgarantie typische Ausschluss von Einwendungen aus dem Valuta‑ und dem Deckungsverhältnis darf auch nicht auf Umwegen umgangen werden (RIS‑Justiz RS0005081; vgl auch RS0016939). Leistungsstörungen wie Verzug berechtigten im Allgemeinen nicht zum Einwendungsdurchgriff (1 Ob 554/94 = SZ 67/111). Der Einwand, der Kläger habe nur eine Forderung, zu deren Sicherung die Bankgarantie nicht erstellt worden sei, ist ein Einwand aus dem Valutaverhältnis, den die Beklagte im Hinblick auf die Abstraktheit der Bankgarantie nicht erheben kann (7 Ob 2410/96d). Deshalb dürfen Ansprüche des Vertragspartners gegen den Begünstigten aus dem Valutaverhältnis grundsätzlich nicht dazu führen, dass die Leistung aus der Garantie doch wieder vom Grundverhältnis abhängig gemacht wird (3 Ob 158/03m).
Für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs bei der Inanspruchnahme einer Bankgarantie wird allgemein gefordert, dass das Nichtbestehen eines Anspruchs des Begünstigten im Valutaverhältnis zur Zeit der Inanspruchnahme der Garantie als evident erwiesen wird oder der Begünstigte in Schädigungsabsicht, also betrügerisch handelt. Es entspricht herrschender Rechtsprechung, dass dem Begünstigten, der sich aus vertretbaren Gründen für berechtigt hält, kein arglistiges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden kann, wenn ihm nicht eindeutig nachgewiesen wird, dass er keinen Anspruch hat. Die Tatsache allein, dass der Auftraggeber der Auszahlung der Garantiesumme widerspricht, berechtigt die Bank nicht, dem Begünstigten die Leistung zu verweigern (RIS‑Justiz RS0017997, RS0018027). Ob die für die Annahme von Rechtsmissbrauch geforderten Voraussetzungen vorliegen oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls und daher grundsätzlich nicht erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (9 Ob 1/06x ua; RIS‑Justiz RS0017997 [T5]). Eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor. Nach den getroffenen Feststellungen war die Beklagte vom Vertragsrücktritt nicht in Kenntnis, auch die übrigen festgestellten Umstände deuten keineswegs auf eine evidente Kenntnis der Beklagten vom (gänzlichen) Nichtbestehen der Forderung gegenüber der Klägerin hin.
Rechte aus einer Garantie können jedenfalls dann abgetreten werden, wenn der Inhalt des Rechts durch die Abtretung keine Änderung zum Nachteil des Garanten erfährt. Ein solcher Nachteil ist insbesondere dann nicht zu befürchten, wenn die Abtretung aus der Bankgarantie zusammen mit der dadurch gesicherten Forderung aus dem Grundgeschäft erfolgt. Dies ist aber auch ohne die gleichzeitige Abtretung der Forderung aus dem Grundgeschäft möglich (8 Ob 5/12m; RIS‑Justiz RS0016987). Die Rechtsprechung ist der im Schrifttum geforderten Einschränkung, dass die Abtretung der Rechte des Begünstigten aus dem Garantievertrag nicht schlechthin, sondern nur bei Einverständnis der Beteiligten (also auch des Garanten und des Garantieauftraggebers) zulässig sei (Ertl in Rummel ABGB³ § 1393 Rz 1 mit Hinweis auf Entscheidungsanmerkungen von P. Bydlinski), nicht gefolgt, verlangt aber, dass durch die Abtretung keine Änderung zum Nachteil des Garanten (so der Leitsatz RIS‑Justiz RS0016987) und wohl auch des Garantieauftraggebers eintreten dürfe. Worin ein durch den Garantieabruf der Zessionarin anstelle eines Abrufs durch die Zedentin (Begünstigten) bewirkter Nachteil liegen sollte, wird von der Revisionswerberin konkret nicht ausgeführt. Ihr bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch gegenüber der Zedentin bleibt erhalten (4 Ob 348/99a; Apathy/Iro/Koziol Bankvertragsrecht V² Rz 3/112). Darauf, dass die Klägerin der Zedentin erfolgreich den Missbrauchseinwand entgegen setzen hätte können, ein Missbrauch der Zessionarin aber nicht liquid beweisbar wäre, berief sich die Klägerin nicht (vgl zu diesem Nachteil Apathy/Iro/Koziol Rz 3/115). Besteht zwischen dem Auftraggeber einer Bankgarantie und dem Zessionar der Garantierechte kein Vertragsverhältnis und bestehen auch keine Schutzwirkungen zu Gunsten des Garantieauftraggebers, können Unterlassungsansprüche des Garantieauftraggebers gegen den Zessionar nur darauf gestützt werden, dass diesem ein deliktisches Verhalten im Sinn des § 1295 Abs 2 ABGB bei missbräuchlicher Inanspruchnahme der Garantie vorzuwerfen ist. Ein Unterlassungs‑ und Widerrufsbegehren könnte nur auf einen Anspruch auf Unterlassung sittenwidriger Schädigung gestützt werden (5 Ob 45/07i; RIS‑Justiz RS0122078). Die von der Klägerin angezogene Entscheidung 5 Ob 45/07i, die dem Berufungsurteil ihrer Ansicht nach widersprechen soll, beruht auf einem anderen Sachverhalt. Dort war der Beklagten bewusst, dass jenes Rechtsverhältnis bei Abruf der Bankgarantie noch aufrecht war, dessen Beendigung Voraussetzung für das Entstehen jener Forderung (Rückzahlung der Kaution nach Beendigung des Bestandvertrags) war, die die Bankgarantie sichern sollte. Der Oberste Gerichtshof ging dort daher davon aus, dass es für die Beklagte evident gewesen sei, dass die Verpflichtung aus dem Grundverhältnis noch nicht entstanden sei, sodass der Abruf der Bankgarantie rechtsmissbräuchlich sei.
Die hier zu beurteilende Bankgarantie dient nach ihrem Wortlaut zur Besicherung für alle Forderungen und Ansprüche, gleich welcher Art, die aus einer bestimmten Geschäftsbeziehung erwachsen sind oder in Hinkunft erwachsen werden. Die von der Klägerin intendierte Beschränkung auf Ansprüche aus einem gültigen Vertrag, die nach Rücktritt von dem selben nicht mehr bestünden, ist daher nicht erkennbar. Die übernommene Garantie für Ansprüche aus einer bestimmten Geschäftsverbindung besteht nicht nur dann, wenn der Dritte die Leistung vertragswidrig unterlässt, sondern auch dann, wenn die Verbindlichkeit des Hauptschuldners nicht entsteht oder später weggefallen ist (8 Ob 560/76 ua; RIS‑Justiz RS0017039 [T2 und T7]; vgl 7 Ob 2410/96d).
Der Revisionseinwand, die Zahlungsgarantie sei von der Beklagten nicht wegen offener Werklohnforderungen sondern zur Rückführung des gegebenen, offenen Kredits in Anspruch genommen worden, übersieht den abstrakten Charakter der garantierten Zahlung über „erste schriftliche Aufforderung“. Hier entsteht die Zahlungsverpflichtung allein durch die Inanspruchnahme, die nach dem Garantievertrag den formellen Garantiefall bildet (RIS‑Justiz RS0016992 [T8 und T10]; vgl auch Apathy/Iro/Koziol Rz 3/83).
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