Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 768,24 EUR (darin enthalten 128,04 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil noch keine höchstgerichtliche Judikatur zu den folgenden - auch in zahlreichen Parallelverfahren bedeutsamen - Rechtsfragen existiere:
1. Reduzieren Ausschüttungen in noch unbestimmter Höhe, die geschädigte AMIS-Anleger in Zukunft aus der SICAV-Liquidationsmasse zu erwarten haben, bereits jetzt die Haftung der Beklagten gegenüber diesen Anlegern?
2. Hat die Beklagte geschädigte Anleger in analoger Anwendung der § 16 Abs 2 EKHG und § 156 Abs 3 VersVG bloß quotenmäßig zu befriedigen, wenn das gemäß § 76 Abs 6 WAG 2007 gebildete Treuhandvermögen zur vollständigen Erfüllung sämtlicher Ansprüche nicht ausreicht?
1. Zur ersten Frage
Der erkennende Senat hat in der Entscheidung vom 4. 4. 2013, 2 Ob 171/12d, unter Punkt 2 mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass die Entschädigungsforderung des Anlegers nach dem WAG unabhängig vom Konkursverfahren anzumelden und nach der vorgesehenen Prüfung durch die Beklagte ohne Rücksichtnahme auf den Verfahrensstand im Konkursverfahren des Wertpapierdienstleistungsunternehmens (WPDLU), aber auch der SICAV-Fonds zur Zahlung fällig ist.
Dieser Rechtsansicht sind mittlerweile auch andere Senate gefolgt (4 Ob 182/12m; 1 Ob 21/13i; 9 Ob 37/13a; 6 Ob 49/13v).
2. Zur zweiten Frage
Der erkennende Senat hat in der bereits zitierten Entscheidung 2 Ob 171/12d unter Punkt 3 ausgeführt, es gelte das Prioritätsprinzip, die § 16 Abs 2 EKHG, § 156 Abs 3 VersVG oder § 336 ASVG seien im hier gegenständlichen Entschädigungsverfahren nicht analog anzuwenden.
Auch dieser Rechtsansicht sind andere Senate gefolgt (4 Ob 182/12m; 1 Ob 21/13i; 9 Ob 37/13a; 6 Ob 49/13v).
Auch die Beklagte zeigt in ihrer Revision keine erheblichen Rechtsfragen auf:
3. Länge der Prüffrist
Die Revisionswerberin meint, das Berufungsgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, wonach die Anleger die Zahlungen an das WPDLU durch Belege nachzuweisen haben und die Entschädigungsansprüche erst neun Monate nach deren Legitimierung fällig werden (6 Ob 94/12k; 1 Ob 125/12g; 8 Ob 65/12k; 1 Ob 240/11t; 7 Ob 222/11i; 8 Ob 10/11a; 9 Ob 62/11z).
Das Berufungsgericht ist von einer Prüffrist von etwa drei Monaten ausgegangen.
Der erkennende Senat hat in der zitierten Entscheidung 2 Ob 171/12d auch ausgesprochen (Punkt 1), die vom Berufungsgericht angenommene Prüffrist von drei Monaten sei angesichts der beiden zu prüfenden jeweils nur eine Seite umfassenden Urkunden zur Legitimation (Anlegerzertifikat, Einzahlungsbeleg) nicht zu kurz bemessen.
Auch in dieser Beurteilung sind andere Senate dieser Entscheidung gefolgt (4 Ob 182/12m; 9 Ob 37/13a; 6 Ob 49/13v).
4. Art der Legitimierung
Die Revisionswerberin sieht eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts darin, dieses habe die nach dem WAG vom Anleger geforderte „Legitimierung“ mit der Vorlage von Anlegerzertifikat und Depotnachricht vom Jänner 2005 bejaht. Aus oberstgerichtlicher Rechtsprechung (8 Ob 110/11a; 7 Ob 222/11i; 9 Ob 62/11z; 1 Ob 240/11t; 6 Ob 94/12k) sei abzuleiten, für die Legitimierung sei die Vorlage des Einzahlungsnachweises bzw des Einzahlungsbelegs erforderlich. Nach den Feststellungen habe die Klägerin Einzahlungsbelege nicht vorgelegt.
Dem ist Folgendes zu entgegnen: Den von der Revisionswerberin zitierten Entscheidungen ist die Aussage gemeinsam, dass die bloße Angabe des Klägers, er stehe auf einer Liste der Geschädigten mit Namen und Adresse, sowie die Angabe der Depotnummer und der Höhe der gestellten Forderung für die nach dem WAG geforderte Legitimierung nicht ausreicht. Aus diesen Entscheidungen lässt sich aber nicht ableiten, der Oberste Gerichtshof verlange für die Legitimierung des Anlegers unbedingt und in jedem Fall die Vorlage des Einzahlungsbelegs bzw des verwendeten Zahlscheins. In den ersten drei zitierten Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof eine Erörterung der Frage, auf welche Art und Weise die Legitimierung zu erfolgen habe bzw welche Urkunden und Nachweise dafür erforderlich seien, ausdrücklich als nicht entscheidungserheblich bezeichnet und daher unterlassen. Auch aus den beiden zuletzt zitierten Entscheidungen (1 Ob 240/11t: Anlegerzertifikate, Kontoauszüge; 6 Ob 94/12k: Anlegerzertifikate, Einzahlungsbestätigungen) lässt sich diesbezüglich nichts Eindeutiges ableiten, weil - unabhängig von der Art der vorgelegten Urkunden - allein aufgrund des zwischen Vorlage dieser Urkunden und dem Schluss der Verhandlung erster Instanz verstrichenen (kurzen) Zeitraums die Klagsforderung als nicht fällig beurteilt wurde.
Welche Nachweise zur „Legitimierung“ erforderlich sind, ist - ungeachtet des im Fall AMIS bei vielen Anlegern wohl recht ähnlichen Sachverhalts - letztlich im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen und wäre vom Obersten Gerichtshof daher nur bei auffallender Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzugreifen. Eine solche liegt bei der Beurteilung des Berufungsgerichts, die Vorlage des Anlegerzertifikats und der Depotnachricht 2005 (Beilagen ./B und ./C; in beiden wird mit verschiedenen Worten unter Angabe des Namens der Klägerin die Höhe der getätigten Einzahlung bestätigt) reiche zur Legitimierung aus, jedenfalls nicht vor. Auch der 9. Senat hat jüngst bei vergleichbarem Sachverhalt wie im vorliegenden Fall die Legitimierung des Anlegers bejaht (9 Ob 37/13a).
5. Zug-um-Zug-Einwand
Die Revisionswerberin meint, selbst dann, wenn sie haftete, dürfte dem Klagebegehren nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin aus ihrer Veranlagung gegen Dritte, insbesondere gegen die SICAV-Fonds, stattgegeben werden.
Dazu hat jüngst der 9. Senat mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass die Beklagte mit der Zahlung an den geschädigten Anleger gemäß § 1358 ABGB in dessen Rechte eintritt und, selbst wenn man die Anwendbarkeit des § 1358 ABGB verneinen sollte, die Regressregel des § 896 ABGB zum selben Ergebnis führen würde; eine Verurteilung Zug um Zug erübrige sich daher (9 Ob 37/13a; dieser Entscheidung folgend 6 Ob 49/13v).
6. Zinseszinsen
Die Revisionswerberin meint, da die Klagsforderung im Zeitpunkt der Klagseinbringung noch gar nicht fällig gewesen sei, lägen die Voraussetzungen für den Zuspruch von Zinseszinsen gemäß § 1000 Abs 2 ABGB („fällige Zinsen … vom Tag der Streitanhängigkeit“) nicht vor.
Dazu hat der 9. Senat in der bereits zitierten Entscheidung 9 Ob 37/13a ausgeführt, es sei kein Grund ersichtlich, warum der Lauf der Zinseszinsen nicht auch nach Streitanhängigkeit beginnen können sollte.
Die Fälligkeit des Klagsanspruchs hat das Berufungsgericht zutreffend (vgl oben Punkt 3) mit 14. August 2011 angenommen, weshalb im Sinne von 9 Ob 37/13a gemäß § 1000 Abs 2 ABGB ab diesem Tag auch Zinseszinsen verlangt werden können.
7. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0112921; RS0112769) liegt somit zu sämtlichen vom Berufungsgericht und von der Revisionswerberin aufgezeigten, vormals teilweise erheblichen Rechtsfragen oberstgerichtliche Rechtsprechung vor, in deren Sinn das Berufungsgericht entschieden hat.
8. Ein Mangel des Berufungsverfahrens wegen Nichterledigung der Beweisrüge in der Berufung der Beklagten liegt nicht vor, weil die bekämpften Feststellungen auf der Basis der dargestellten rechtlichen Beurteilung (unter Punkt 1) unerheblich sind.
9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Dass die Klägerin in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, schadet ihr nicht, weil die zitierte oberstgerichtliche Rechtsprechung, die die vormals erheblichen Rechtsfragen beantwortet hat, erst nach Erstattung der Revisionsbeantwortung ergangen ist (RIS-Justiz RS0123861).
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