Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Mit Urteil vom 14. 3. 2005 gab das Erstgericht dem auf Zahlung von EUR 1.900 sA gerichteten Klagebegehren statt. Das Urteil wurde dem im erstinstanzlichen Verfahren unvertretenen Beklagten am 18. 3. 2005 zugestellt.
Am 31. 3. 2005 langte beim Erstgericht ein Antrag des Beklagten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ein. Das Erstgericht forderte hierauf den Beklagten mit Beschluss vom 5. 4. 2005 zur Verbesserung des Antrages, Ergänzung des Vermögensbekenntnisses und Vorlage von Belegen binnen 14 Tagen auf. Mit Beschluss vom 27. 4. 2005 verlängerte es die Verbesserungsfrist um weitere drei Wochen. Innerhalb dieser Frist gab der Beklagte den verbesserten Antrag, aus dem nun hervorging, dass er neben weiteren Begünstigungen auch die Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Erhebung einer Berufung gegen das Urteil vom 14. 3. 2005 begehre, zur Post. Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 20. 5. 2005 den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe mit der Begründung ab, dass der Beklagte dem Verbesserungsauftrag nur unvollständig entsprochen habe. Dieser Beschluss wurde dem Beklagten am 30. 5. 2005 zugestellt. Anlässlich einer Vorsprache beim Erstgericht gab der Beklagte am 31. 5. 2005 einen neuerlichen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zu Protokoll. Gleichzeitig erhob er einen Protokollarrekurs gegen den Beschluss vom 20. 5. 2005, dessen Abänderung im Sinne der Stattgebung seines ursprünglichen Verfahrenshilfeantrages er begehrte. Für den Fall, dass seinem neuerlichen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe stattgegeben werden sollte, erklärte er „schon heute, den erhobenen Rekurs wieder zurückzuziehen".
Mit Beschluss vom 9. 6. 2005 bewilligte das Erstgericht dem Beklagten die Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1, 3 und 4 ZPO, somit einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Erhebung der Berufung gegen das Urteil vom 14. 3. 2005. Am 9. 8. 2005 wurde dem bestellten Verfahrenshelfer der Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer samt einer Urteilsausfertigung zugestellt. Die von ihm namens des Beklagten erhobene Berufung wurde am 22. 9. 2005 zur Post gegeben.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufung als verspätet zurück. In seiner Begründung ging es davon aus, dass der Beschluss vom 20. 5. 2005 unbekämpft geblieben und nach Ablauf der Rekursfrist mit Ende des 13. 6. 2005 in Rechtskraft erwachsen sei. Die danach neu einsetzende Berufungsfrist habe am 12. 7. 2005 geendet, sodass die am 22. 9. 2005 zur Post gegebene Berufung verspätet sei. Der neuerliche Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes vom 31. 5. 2005 sei für den Lauf der Berufungsfrist bedeutungslos. Komme kraft der gesetzlichen Anordnung des im Berufungsverfahren gemäß § 464 Abs 3 ZPO anwendbaren § 73 Abs 3 ZPO einem nach Eintritt der Rechtskraft des die Beigebung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Verfahrenshilfe ablehnenden Beschlusses gestellten neuerlichen Antrag auf kostenlose Beigebung eines Rechtsanwaltes kein Einfluss mehr auf die schon einmal unterbrochene Berufungsfrist zu, müsse dies umso eher für einen vor Rechtskraft eines solchen Beschlusses gestellten Antrag hinsichtlich der noch unterbrochenen Frist gelten. Andernfalls könnte der Beginn der Berufungsfrist durch das Wiederholen von Verfahrenshilfeanträgen hinausgezögert werden, was dem Zweck des § 73 Abs 3 ZPO zuwiderlaufe. Dem entspreche auch die Überlegung, dass der außerhalb der vierwöchigen Frist des § 464 Abs 1 ZPO gestellte neuerliche Verfahrenshilfeantrag für sich allein zu keiner Fristunterbrechung führen könnte.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und der Berufung stattzugeben, in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig (RIS-Justiz RS0042770, RS0098745) und im Sinne des Eventualantrages auch berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Berufung wie in der Entscheidung 2 Ob 201/05f anhand der Aktenlage vorzunehmen ist, sodass im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0098745) von der Einseitigkeit des Rekurses auszugehen ist, ohne dass es einer Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Lehrmeinung Zechners (in Fasching/Konecny² IV/1 § 519 ZPO Rz 75 f, § 521a ZPO Rz 14; vgl auch vor §§ 514 ff ZPO Rz 124
ff) bedarf.
Der Beklagte macht geltend, dass er gegen den seinen Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschluss vom 20. 5. 2005 einen Rekurs erhoben habe, über den bisher noch nicht entschieden worden sei. Seine Erklärung, den Rekurs im Falle der Bewilligung des neuerlichen Antrages auf Verfahrenshilfe zurückzuziehen, sei als bloße Absichtserklärung unbeachtlich. Tatsächlich sei der Rekurs nicht zurückgezogen worden. Selbst wenn man in dieser Erklärung eine bedingte Zurücknahme des Rekurses sehen wollte, wäre diese unwirksam, da eine Rechtsmittelzurücknahme nur unbedingt und unwiderruflich erklärt werden könne. Mangels Rechtskraft des Beschlusses vom 20. 5. 2005 habe die unterbrochene Berufungsfrist noch nicht wieder zu laufen begonnen. Die Berufung sei daher rechtzeitig erhoben worden. Diesen Ausführungen ist beizupflichten.
Gemäß § 464 Abs 3 ZPO beginnt für eine die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei, die innerhalb der Berufungsfrist die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt, die Berufungsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes und einer schriftlichen Urteilsausfertigung an ihn. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes abgewiesen, so beginnt die Berufungsfrist mit dem Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Beschlusses. Der § 73 Abs 3 ZPO gilt sinngemäß. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte innerhalb der Berufungsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt und diesen Antrag innerhalb der ihm vom Erstgericht eingeräumten Verbesserungsfrist dahin präzisiert, dass er auch die Beigebung eines Rechtsanwaltes begehre. Über diesen Antrag, der die Berufungsfrist unterbrach, hat das Erstgericht am 20. 5. 2005 abweisend entschieden. Die Beseitigung der Unterbrechungswirkung setzte gemäß § 464 Abs 3 ZPO den Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses voraus.
Das Berufungsgericht ging von der Rechtskraft des Beschlusses aus, übersah hiebei jedoch, dass der Beklagte am 31. 5. 2005, somit innerhalb der 14-tägigen Rekursfrist, einen Protokollarrekurs erhoben und dieses Rechtsmittel in der Folge auch nicht wirksam zurückgenommen hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind bedingte Prozesshandlungen nur sehr eingeschränkt und nur dort zulässig, wo der Ablauf des Verfahrens bereits durch unbedingte Prozesshandlungen sichergestellt ist (7 Ob 331/98x; RIS-Justiz RS0039602). Die Zulässigkeit einer bedingten Prozesshandlung wird nur dann bejaht, wenn die Bedingung in einem innerprozessualen Umstand oder Vorgang besteht und ihre Beachtung nicht dazu angetan ist, die Vorhersehbarkeit des weiteren Prozessablaufes für das Gericht oder den Prozessgegner in unerträglicher Weise zu beeinträchtigen; letzteres ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn die Bedingung eine richterliche Entscheidung bestimmten Inhaltes ist (RIS-Justiz RS0006441, RS0037502). In diesem Sinne ist der Oberste Gerichtshof etwa bei konkurrierenden Rechtsbehelfen (4 Ob 509/93 = RZ 1994/47; vgl auch SZ 38/93) oder bei einem an das Gericht erster Instanz gerichteten Antrag auf Nichtigerklärung eines Verfahrensteiles und einem nur für den Fall der Abweisung dieses Antrages erhobenen Rechtsmittel (8 Ob 503/90) vom Vorliegen einer „innerprozessualen" Bedingung ausgegangen.
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte aber nach dem eindeutigen Wortlaut des Protokolles vom 31. 5. 2005 nicht die Erhebung sondern die Zurücknahme des (unbedingt erhobenen) Rekurses an eine Bedingung geknüpft, nämlich an die Stattgebung seines neuerlichen Verfahrenshilfeantrages. Nach ständiger, auf die Lehrmeinung Faschings (ZPR² Rz 758) gestützter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zählt die Rechtsmittelzurücknahme zu den konstitutiven Parteiwillenserklärungen (als Gruppe der „Bewirkungshandlungen"; vgl Fasching aaO Rz 753), die auf den Fortgang des Verfahrens unmittelbaren Einfluss nehmen und im Prozess generell bedingungsfeindlich sind (8 Ob 672/89 = ÖBA 1991/291; 3 Ob 562/95 = SZ 68/161; 6 Ob 182/98b; 7 Ob 331/98x; RIS-Justiz RS0110466). In solchen Fällen ist selbst die Setzung einer „innerprozessualen"
Bedingung unzulässig (3 Ob 562/95 = SZ 68/161; 7 Ob 331/98x; 7 Ob
67/01f = JBl 2002, 50).
Daraus ergibt sich, dass die vom Beklagten von der Bewilligung seines neuerlichen Verfahrenshilfeantrages abhängig gemachte Zurücknahme des Rekurses gegen den Beschluss vom 20. 5. 2005 als bedingte konstitutive Prozesserklärung unwirksam ist (vgl 7 Ob 331/98x). Da über den Rekurs bisher auch noch nicht entschieden wurde, ist der Beschluss noch nicht rechtskräftig. Es fehlt somit an der in § 464 Abs 3 ZPO normierten Voraussetzung für den Neubeginn der Berufungsfrist.
Dass die Berufungsfrist noch nicht einmal in Gang gesetzt war, stand der Erhebung der Berufung nicht entgegen (RIS-Justiz RS0041679, RS0041748). Keinesfalls hätte aber das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten als verspätet zurückweisen dürfen. Seine Erwägungen zur Bedeutung des neuerlichen Verfahrenshilfeantrages für den Lauf der Berufungsfrist können bei der erörterten Verfahrenslage auf sich beruhen.
Dem Rekurs war daher Folge zu geben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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